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Wäre das Leben immer eine Luftmatratze. Wolfram Labaule (Uwe Ochsenknecht) wird von einer bösen Nachricht überrascht: Der Verlegersohn soll Verlagserbe werden.

© SWR/Violet Pictures/Maor Waisbur

TV-Serie "Labaule & Erben": Die ganze Welt ist Ärger

"Guldenburgs mit Internet": Eine SWR-Serie im Verlegermilieu nach einer Idee von Harald Schmidt mit Uwe Ochsenknecht in der Hauptrolle

Wer ist Wolfram Labaule? Ein Hamlet? Ja, unbedingt, sagt Regiemaestro Heiner Castro: „Die Verzweiflung, das Identitätslose, das bringst Du alles mit.“ Der Amateur schminkt sein Gesicht bis zur Kenntlichkeit weiß, die Augen schauen aus dunklen Höhlen in die Welt.

Von der Welt wollte Wolfram Labaule bis zum 55. Lebensjahr nichts, kein Geld, keine Anerkennung, keinen Ruhm. Er hatte sich dem Wahren und Schönen, dem Guten im Kosmos des Nichtstun verschrieben – was ihm mühelos gelang, denn er konnte es sich leisten. Er war Sohn, seinem Vater gehörte ein Verlagsimperium. Christian Labaule war ein Macher, ein Macho, ein Maniac, in seinem Büro hängt er hinter dem Schreibtisch in Öl. Gernot, sein anderer Sohn, war als Nachfolger auserkoren, was Wolfram nicht niederdrückte, sondern ein Leben auf der Luftmatratze und in 23 Literaturjurys erlaubte. Gerade hat er Adalbert Stifters „Nachsommer“ aufgeschlagen, da erreicht ihn die böse Nachricht, dass Vater und Bruder im ehrgeizigen Segways-Rennen in den Tod geflitzt sind.

Wolfram ist Erbe, ob zudem Verleger oder nicht Verleger, das ist jetzt seine Frage. Und da ist seine Mutter, nach Jahren in Uruguay ins Badische zurückgekehrt. Sie will den Verlag an den härtesten Konkurrenten, den Boulevardkönig Arne Gauis Perger, verkaufen. „Der Journalismus ist so tot wie dein Vater und dein Bruder“, dekretiert sie Wolfram. Der freilich sieht sich in der Nachfolgepflicht, warum sonst spricht er auf die Handymailbox seines toten Übervaters?

Was ist das jetzt? Eine von den handelsüblichen Dutzendsoaps, „In aller Freundschaft“ gewendet „In alle Feindschaft“? Harald Schmidt lieferte die Idee – „Guldenburgs mit Internet“ – für die Serie „Labaule & Erben“, die der Südwestrundfunk in sechs Teilen und für fünf Millionen Euro umgesetzt hat. An Ehrgeiz fehlt es nicht: die Besetzung von Uwe Ochsenknecht und Inka Friedrich über Irm Herman und Michael Ostrowski bis Lena Dörrie und Nils Dörgeloh, das Drehbuch haben Richard Kropf, Bob Konrad, Hanno Hackfort („4 Blocks“), Anneke Janssen und Elena Senft geschrieben, Boris Kunz („Hindafing“) inszeniert. Und das alles für das SWR-Dritte, das sich bisher nicht durch bemerkenswerte Fiktion dem bundesweiten Publikum aufgedrängt hatte.

Dialekt ohne Dialektik retten die Dritten nicht

Aber vielleicht haben die ARD-Regionalen bemerkt, dass mit Regionaltümelei, Dialekt ohne Dialektik und Tipps zur Rückentherapie nur noch das treue und sicher kein neues Publikum erreicht werden kann. Raus aus der Gewohnheit und rein ins Risiko! Der RBB versuchte es vor Weihnachten mit der BBC-Nazi-Serie „GB-SS“, da wird der zweitgrößten ARD-Anstalt in Deutsch-Südwest wohl eigengefertigter Hochglanz gelingen!

Okay, da gelangt die Produktion, deren sanft gerundetes Finale eine Fortsetzung erlauben würde, nicht ganz hin. „Labaule & Erben“ bewegt sich zwischen satirischer Grobheit und fein gearbeiteter Ironie, zuweilen verliert sie ihren Kompass, die Serie bekommt schwer doofe Schlagseite statt klugen Wahnsinn im Medienkosmos walten zu lassen. Manche Figur ist so platt wie eine Witzflunder, die Autoren liefern sich zuweilen einen Wettbewerb im Flachkalauern. Den kennen Sie vielleicht: Kommt ein Penis vor Gericht... Auch fehlt es nicht an Lesben und Chauvinisten, an Arabern, an Schamanen, an Uli-Hoeneß-Wiedergängern – das Panoptikum ist prall gefüllt. Was auch die Tonlagen angeht: mal das Badische, mal das Wording der Optimierer, mal das Ich-hab-Dich-Lieb der Generation Z.

„Labaule & Erben“ strahlt eine Menge Magie aus, das Personal wächst mit jeder Folge mehr ans Herz, allen voran Wolfram, der nicht länger Wolfi sein möchte. Der will ein führungsstarker Verleger, sein, was Härte, Chuzpe, Chamäleon erfordert. Nach einigen, bitteren Erfahrungen, Fehlern und Fehleinschätzungen, die den Verlag an den Abgrund bringen, ruft Wolfram in seinem Epilog „Die ganze Welt ist Ärger“ aus: „Ich will einfach, dass Menschen wieder ,bitte’ und ,danke’ sagen und die Blumen gießen, wenn der Nachbar im Urlaub ist – und eine gute Zeitung und eine Luftmatratze".

Der Journalismus wankt

Wolfram Labaule lädt zur Suche nach der blauen Blume ein. Im Labauleschen Kosmos sind es nicht viele, schon die eigene Mutter, von Irm Hermann als Intriganz-Größe präzisiert, bevorzugt den schnöden Mammon, der Sohn Tristan (Lukas Rüppel) missversteht sich als Start-up-König, der nicht Millionen verdient, sondern versenkt, die Tochter Constanze (Lena Dörrie) sucht verzweifelt nach ihrem Platz in der Welt, die Ex-Geliebte (Emily Cox) ist schwanger, die Redaktion ist mal pro und mal contra (großartig: Felix von Manteuffel als vielleicht letzter lupenreiner Feuilletonist), der Journalismus changiert zwischen Knallhart-Nachgefragt und Anzeigenkunden-Liebedienerei, zwischen analoger Recherche und digitalem Clickbaiting. Der Journalismus wankt in Serie wie er in der Wirklichkeit der 2000er-Jahre schwankt.

Wer will, der kann im Labaule-Clan das Kölner Verlagshaus DuMont erkennen und Anklänge an die Claas-Relotius-Affäre finden. Der Starfotograf der „Morgenschau“, Hans-Jörg Treichelt, hat eine Fotostrecke mit Opfern des SyrienKriegs gefaked und fragt seinen Verleger frech: „Was ist echt?“. Die Redaktion verlangt eine Richtigstellung, plötzlich winkt ein Riesenpreis für die publizistische Großtat. Wolfram windet sich raus.

Regisseur Boris Kunz sorgt für steten Handlungsfluss, da gibt es wenige Extravaganzen, seine Inszenierung ist bis auf einige superbe Miniaturen zweckdienlich. Geht klar, das Ensemble ist zum Zungenschnalzen, es braucht allerhand Schauspielkunst, Figuren, die eigentlich Funktion sind, aus der Schablone zu lösen. Und das mit einem furiosen Soundtrack, der die Story alleine erzählen kann.

Die Hauptfigur ist mit Uwe Ochsenknecht glänzend besetzt. Wer kann so menschenfreundlich in die Welt schauen, so tumb und so Tor, so verwundert darüber, was einem als Verleger, als Mensch alles abverlangt werden kann?

„Labaule & Erben“, das ist die Geschichte vom Verlierer, der nicht versteht, warum er verlieren muss. Vielleicht, weil er am Siegen, das Verlierer erzeugt, kein Interesse hat? Wolfram Labaule verdient mehr Zuschauer, als sie das SWR Fernsehen allein zu ziehen vermag.

„Labaule & Erben“, SWR Fernsehen, Donnerstag, 22 Uhr; alle sechs Folgen in der SWR-Mediathek

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