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Am Anfang noch ein Paar wie aus der Autowerbung: Sebastian Kronach (Jan Josef Liefers) und seine Frau (Julia Koschitz).

© ZDF und Jürgen Olczyk

TV-Drama zum Fall Molllath: Einfach weggesperrt in die Psychiatrie

Mehr als sieben Jahre zu Unrecht in der Psychiatrie: Ein TV-Drama mit Jan Josef Liefers beruht auf dem Fall Gustl Mollath.

Wastls Haare sind grau geworden, aber er verlässt die Psychiatrie aufrecht, den Rücken durchgedrückt, das Apfelbäumchen im Arm, dessen Samen er vor mehr als sieben Jahren gepflanzt hatte. Es ist kein triumphaler Auszug, Sebastian Kronach, genannt Wastl, bleibt in dieser letzten Einstellung des Fernsehfilms „Gefangen - Der Fall K.“ ein einsamer, eigensinniger, aber auch ein nicht gänzlich gebrochener Mensch. Zuvor hatte er in die Videokamera eines Mitgefangenen gesprochen: Es ist die Botschaft eines Weggesperrten, der „in eine absolut unglaubliche Geschichte geraten“ ist.

Die Kamera zoomt immer näher an das Gesicht von Jan Josef Liefers heran, mindestens so nahe, wie uns dessen Worte kommen sollen. Nüchtern, wenn auch nicht ganz frei von Pathos liest Liefers alias Wastl Kronach seine persönliche Anklageschrift vor. Man möchte als Zuschauer seinen Zorn teilen – wäre da nicht diese Klaviermusik, die einem „Über sieben Brücken musst Du geh’n“ ins Ohr klimpert.

Dieser Fernsehfilm orientiert sich am Fall Gustl Mollath, der von der bayrischen Justiz mehr als sieben Jahre lang zu Unrecht im Maßregelvollzug eingesperrt worden war, wie das Landgericht Regensburg in dem Wiederaufnahmeverfahren 2014 geurteilt hatte. Der komplexe reale Stoff hat viele Facetten, ist Ehe-, Finanz-, Justiz- und Psychiatrie-Drama, was der Film in Grundzügen umfassend abbilden will, weshalb manches etwas sprunghaft erscheint.

In der Realität sorgte Mollaths Schicksal für einigen öffentlichen Wirbel, in dem die bayerische Justizministerin unter Druck geriet. Das Drehbuch von Hans Steinbichler, der auch Regie führte, sowie Kit Hopkins, deutet diese Dimension nur an: Eine Reporterin hat einen Kurz-Auftritt, eine schriftliche Einblendung informiert am Ende über eine 2016 in Kraft getretene Gesetzesreform, wonach eine jahrelange Unterbringung nur in gravierenden Fällen zulässig sei.

„Du bist mein King. Ich liebe dich“

Steinbichler stellt das Justizopfer ins Zentrum. Er erzählt die Tragödie eines Mannes, der auf die illegalen Bankgeschäfte seiner Frau stößt, sie mit aller Macht davon abbringen will und nach einem Ehestreit als gemeingefährlich und psychisch krank abgestempelt wird. Erst mal aber ist alles Sonnenschein. Zwei Verliebte im Porsche-Cabrio auf der Überholspur. „Du bist mein King. Ich liebe dich“, ruft Elke Kronach (Julia Koschitz) stehend im fahrenden Auto. Ihr Mann betreibt eine Oldtimer-Werkstatt, sie ist Vermögensberaterin. Ein Paar wie aus der Autowerbung. Alles nur ein Missverständnis? Wastl landet vor Gericht, weil er seine Frau angeblich gewürgt und gebissen hat. Steinbichler bezieht hier keine eindeutige Position: Als der Streit eskaliert, rennen Elke/Wastl in den ersten Stock, aus dem Blickfeld der Kamera.

Zwar schlägt sich der Film grundsätzlich auf die Seite des Justiz-Opfers, aber sein missionarischer Eifer steht diesem Wastl auch im Weg. Als die Anklageschrift eintrifft, schreibt er mit rotem Filzstift und in großen Buchstaben „Ich lasse mich nicht erpressen“ darauf und faxt sie umgehend zurück. Der Aufrechte nervt mit seitenlangen Eingaben, verbittet sich störrisch anwaltliche Hilfe, und je weniger die Bank, Behörden und Justiz ihm zuhören wollen, desto mehr glaubt er daran, dass sich alle gegen ihn verschworen haben. Liefers spielt diesen Wastl als unbeirrbaren, zunehmend verzweifelten Mann, nicht als durchgeknallten Don Quijote, der sich Windmühlen einbildet.

Die Figur der Elke Kronach bleibt offener, aber auch rätselhafter. Sie ist stolz auf ihren beruflichen Erfolg, hat keine Skrupel bei den Schwarzgeldgeschäften, aber die Inszenierung und das Spiel von Julia Koschitz lassen sie keineswegs zu einem Abziehbild von Gier und Boshaftigkeit werden. Am Ende sitzt sie gar mit Tränen in den Augen vor dem Bildschirm, auf dem sie gerade Wastls Video-Rede verfolgt hat.

Woher das plötzliche Mitleid? Auch der Psychiater, der fragwürdige Gutachten über Wastl geschrieben hat, und die Banker, die die Schwarzgeld-Geschäfte vertuscht haben, sehen nun so aus, als könnten sie vielleicht doch Gewissensbisse haben. Nur die selbstherrlichen Juristen fehlen in der Aufstellung, die wohl eine stumme Anklage sein soll. „Meine Person ist ausradiert. Es ist, als hätte ich nie gelebt“, sagt Wastl. So weit ist es dann, auch im Fall Gustl Mollath, zum Glück nicht gekommen.

„Gefangen - Der Fall K.“, Montag, ZDF, 20 Uhr 15

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