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Foto: MDR

© MDR/Andreas Lander

TV-Doku: Furchtbare Juristen

Porträts über Hilde Benjamin und Roland Freisler eröffnen MDR-Reihe „Geschichte Mitteldeutschlands“.

Im Berlin der frühen dreißiger Jahre wurde die junge Anwältin Hilde Benjamin von Zeitgenossen als charmant und liebenswert geschildert. In der DDR hinterließ die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs und spätere Justizministerin immenses Leid, einschließlich zweier Todesurteile; „rote Guillotine“ oder „blutige Hilde“ taufte sie der Volksmund. Warum wird aus einer Verfolgten des NS-Regimes eine Verfolgerin? Diese Leitfrage stellt sich André Meiers Film „Hilde Benjamin – Die Scharfrichterin der DDR“ als Auftakt einer neuen fünfteiligen Staffel der MDR-Dokumentarreihe „Geschichte Mitteldeutschlands“.

Es ist bereits die 15. Ausgabe der Reihe, die zu den erfolgreichsten ihrer Art im deutschen Fernsehen zählt. Dazu trägt zum einen die ausgewogene Mischung aus Spielszenen und Experteninterviews bei, aber wesentlich die ruhige, sonore Präsentation durch Moderator Gunter Schoß. Sichtlich betroffen verabschiedet der Anchorman das Publikum am Ende der zweiten Folge über „Hitlers willigen Vollstrecker“ Roland Freisler (11. August). Dessen Bezug zu Mitteldeutschland bestand darin, dass er als „Hitlers Bluthund“ den Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler und andere Protagonisten des 20. Juli im September 1944 zum Tode verurteilte. Das Urteil wurde erst am 2. Februar 1945 vollstreckt; einen Tag später fiel Freisler einem britischen Fliegerangriff zum Opfer. Der fanatische Präsident des Volksgerichtshofs war während des Alarms in den Sitzungssaal zurückgeeilt, weil er seine Akten vergessen hatte.

Annette Baumeister (Buch und Regie) gelingt es tatsächlich, das zeitgenössische Umfeld jenes Mannes zu erhellen, der zusammen mit Hitlers Anwalt Hans Frank die „Liebe zum Führer“ als Rechtsbegriff etablierte. Während er privat lateinische Konversation betrieb, hat sich der öffentlich agierende Freisler, auf dessen Konto mehr als 2600 Todesurteile gehen, durch seinen höhnischen, geifernden Ton ins kollektive Gedächtnis eingeätzt. Eine von Propagandaminister Goebbels produzierte dreistündige Filmdokumentation „Verräter vor dem Volksgerichtshof“ wurde schließlich verworfen, da die stille Würde der Angeklagten das Wüten des Richters ins Leere laufen ließ.

Vermutlich sind sich Freisler und die KPD-Anwältin Hilde Benjamin, geborene Lange, vor 1933 in den verschlungenen Gängen des Kriminalgerichts Moabit über den Weg gelaufen. Die 1902 im anhaltinischen Bernburg geborene Schwägerin des Philosophen Walter Benjamin übernahm 1930 als erste Frau die Verteidigung in einem Schwurgerichtsprozess. Ihre Mandantin war die Vermieterin des Bummelstudenten Horst Wessel, die einige schlagkräftige Genossen beauftragt hatte, den säumigen Mieter an die Luft zu setzen. Dabei wurde Wessel erschossen. Seine braunen Kameraden schworen Rache – insbesondere gegen die Anwältin, deren jüdischer Ehemann 1942 im KZ Mauthausen ermordet wurde. War es dieses Schicksal, das Hilde Benjamin (im Film glaubhaft dargestellt von Anke Sievenich) in ihrem zweiten Leben so verhärten ließ?

Neben diesen beiden „furchtbaren Juristen“ (Rolf Hochhuth über NS-Marinerichter Hans Filbinger) führt die „Geschichte Mitteldeutschlands“ bis ins 10. Jahrhundert zur Äbtissin Mathilde von Quedlinburg zurück, gefolgt von Beiträgen über Markus Wolf und den sächsischen König Friedrich August I. Katrin Hillgruber

„Geschichte Mitteldeutschlands“, MDR, Sonntag, 20 Uhr 15

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