zum Hauptinhalt
Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) mit ihrem neuen Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg)

© dpa

"Tatort"-Kommissare Makatsch und Blomberg: „Wenn ein Fall zur Obsession wird“

"Das sind Dinge, die einen besonders berühren": Heike Makatsch und Sebastian Blomberg über ungelöste Morde, Event-Kommissare und MeToo. Und über den "Tatort: Zeit der Frösche".

Frau Makatsch, Herr Blomberg, was zeichnet einen guten „Tatort“ aus?
MAKATSCH: Ich wünsche mir von einem guten „Tatort“, dass er spannend und gerne auch düster ist und ich in die Abgründe der menschlichen Psyche gucken kann. Ich bin eher kein Fan von lustigen „Tatorten“, finde dafür gesellschaftlich relevante Themen interessant. Aber eigentlich möchte ich auf der Ecke meines Sofas sitzen und an den Fingernägeln kauen.

BLOMBERG: Beim „Tatort“ geht es, das lässt sich ja nun mal nicht verhindern, immer um den Fall. Wichtig ist somit, dass man Sujets findet, die aufregend sind. Dass aus einem interessanten Milieu heraus erzählt wird. Und mir ist wichtig, dass die Erzählung eine eigene künstlerische Handschrift hat. Was mir gefällt, ist das Direkte und Raue im Dortmund-„Tatort“ mit Jörg Hartmann und Anna Schudt, das hat so etwas Englisches.

Frau Makatsch, der Event-„Tatort“, der dieses Mal in Mainz spielt, hat in mehrfacher Hinsicht etwas sehr Persönliches. Zum einen wird der Neffe Ihrer Kommissarin Ellen Berlinger vermisst. Es gibt zudem ein Gewaltverbrechen an einem anderen Kind. Sie sind selbst Mutter dreier Töchter, wie stark hat Sie das Thema berührt?

MAKATSCH: Zum „Tatort: Zeit der Frösche“ muss man wissen, dass die Drehbuchvorlage von Florian Oeller schon zehn Jahre alt ist. Uns gefiel der Fall, weil er für die Hauptfigur der Kommissarin sehr persönlich war, sie nicht außen vor stehen lässt. Dass die Geschichte mir als Mutter nahe geht, das würde uns allen, die wir Eltern oder Kinder sind, so gehen.

Wie sind Sie damit umgegangen?
MAKATSCH: Ich suche immer nach existenziellen Gefühlen, die man einer Figur schenken kann. Das Hoffen und Bangen, das Vermuten und Zweifeln, das Ellen Berlinger durch diesen Film begleitet, das war für mich schon eine starke emotionale Reise.

Auch Kommissar Martin Rascher erlebt eine persönliche Betroffenheit, allerdings aus einem anderen Grund. Warum ist er so angefasst?
BLOMBERG: Die Geschichte gibt darauf keine expliziten Antworten. Allerdings gab es schon vorher mehrere Morde an Kindern. Wenn es ein Kommissar über Jahre mit Serienmorden an Kindern zu tun hat – das weiß ich von Polizisten, die darüber sprechen – dann sind das Dinge, die einen besonders berühren. Und wenn die Fälle nicht gelöst werden, dann wird das irgendwann zur Obsession.

Haben Sie Kinder, Herr Blomberg?
BLOMBERG: Ich habe einen zweijährigen Sohn. Von daher bekommt das Thema noch einmal eine andere Unmittelbarkeit, wenn man sich damit auseinandersetzt. Als elffacher Onkel habe ich in meiner Familie aber auch sonst viel mit Kindern zu tun.

MAKATSCH: Früher habe ich das nie so richtig verstanden, wenn von der „Unschuld der Kinder“ gesprochen wurde. Heute kenne ich diese Unschuld und umso mehr schmerzen dadurch Verbrechen an diesen puren Wesen.

Der Film hat noch eine weitere persönliche Ebene: die Doppelbelastung von Ellen Berlinger als Mutter einer kleinen Tochter und als Kommissarin. Wie wichtig ist Ihnen diese Themensetzung?
MAKATSCH: Dass Ellen Berlinger zum Kinde kam, war ja eher ein Zufall. Bei der Lösung des ersten Falles war ich selbst hochschwanger. Intern gab es eine ambivalente Haltung dazu. Es gab eine Diskussion darüber, ob man die Geschichte einer arbeitenden, alleinerziehenden Mutter weitererzählen will. Ja, aber genau das macht es doch interessant. Lass uns das doch erzählen, auch dass sie zunächst vor der Verantwortung zurückgeschreckt ist, die es bedeutet, ein Kind zu haben. Dass sie diese Nähe nicht ertragen konnte, nachdem sie bereits ihre erste Tochter bei ihrer Mutter hat aufwachsen lassen. Und auch jetzt ist die Situation nicht gut gelöst. Ellen Berlinger will der Aufgabe als Mutter gerecht werden, flieht aber zugleich davor, auch weil ihr der Beruf so wichtig ist. Dieser Konflikt könnte meiner Meinung nach noch mehr ausgelotet werden.

Immerhin kann sie auf das Verständnis ihres Kollegen Martin Rascher bauen. Ist das Wunsch oder wirklich gesellschaftliche Realität?
BLOMBERG: In dem Mikrokosmos der ermittelnden Gruppen hast du teilweise ein sehr persönliches Verhältnis zu den Kollegen. Das Problem ist eher struktureller Natur, die fehlende Betreuung gehört dazu. Ein Frauenversteher wie Martin Rascher ist überhaupt nicht abwegig, auch wenn die Polizei ein Männerverein ist. Es gibt überall Leute, die wachen Auges auf die Probleme der Zeit schauen. Und eines davon ist, dass Frauen noch immer massive Probleme haben, ihren Beruf auszuüben.

Das Thema sexuelle Belästigung wird nur kurz angeschnitten, obwohl die Dreharbeiten Ende 2017 mitten in die MeToo-Debatte hineinfielen. Hätte das Thema stärker behandelt werden müssen?
MAKATSCH: Das war beim Dreh kein Thema. Ellen Berlinger ist jemand, der sich klar abgrenzt, auch von Männern. In einer Szene weist die Kommissarin einen übergriffigen Mann in seine Schranken. Das Thema MeToo könnte sicherlich in einem weiteren Fall einmal behandelt werden. Aber gerade Ellen Berlinger ist für mich keine Frau, die Übergriffigkeiten zum Opfer fällt.

Stichwort weitere Fälle, wollen Sie weitermachen, als Event-Kommissare?
MAKATSCH: Das kommt immer wieder auf die neuen Konstellationen an, auf ein hoffentlich gutes Buch und einen hoffentlich interessanten Regisseur. Lust weiterzumachen habe ich immer.

Und was ist mit Kommissar Rascher?
BLOMBERG: Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Zunächst einmal ging es um dieses Buch und diesen „Tatort“. Es gab auch noch keine Gespräche, ob ich mir eine Fortführung vorstellen kann, auch wenn ich das grundsätzlich könnte, wenn das Buch stimmt.

"Tatort: Zeit der Frösche", ARD, Ostermontag, 20 Uhr 15

Heike Makatsch, 46. Anfang der 90er Jahre als TV-Moderatorin für den Musiksender Viva und Bravo TV erfolgreich, 1996 Wechsel zum Schauspielberuf, gleich mit Bayerischem Filmpreis geehrt. Große Aufmerksamkeit für „Hilde“ nach Hildegard Knefs „Der geschenkte Gaul“. 2016 erster Event-„Tatort“.

Sebastian Blomberg, 45. Absolvent des Max-Reinhardt-Seminars. Kommt via Wien, Basel, Zürich, Hamburg zum Deutschen Theater Berlin, zur Zeit mit „Unendlicher Spaß“ in den Sophiensälen. Viele Engagements für Kino und Fernsehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false