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Frank Jansen bei einer Lesung 2012.

© Kai-Uwe Heinrich

Tagesspiegel-Reporter: „Mein langer Atem ist noch da“

Seit den 1990ern berichtet Frank Jansen über Rechtsextremismus, 2012 erhielt er dafür den Journalistenpreis "Langen Atem". Trotz Drohungen berichtet er weiter.

Herr Jansen, Sie waren gerade wieder in München beim NSU-Prozess. Seit über vier Jahren wird verhandelt. Haben Sie noch den Überblick?

Ja, ich glaube schon. Ich habe ungefähr 300 Prozesstage erlebt und zum Glück von Anfang an eine Chronik für mich verfasst mit allen Aussagen, Befangenheitsanträgen und weiteren Unterlagen. Die hat jetzt mehr als 10 000 Seiten, damit könnte ich die Redaktion tapezieren.

Sie bekamen den „Langen Atem“ 2012 für Ihre jahrzehntelange Berichterstattung über Rechtsextremismus. Wann haben Sie damit begonnen?
Ich habe schon im Studium das Thema erforscht. Als ich 1990 für den Tagesspiegel als Korrespondent in Ostdeutschland anfing, wurde ich fast überall mit rechtsextremen Umtrieben konfrontiert. Es gab kaum einen Ort ohne Skinhead-Cliquen. Die weitflächige Gewalt gegen Migranten, Linke und andere Minderheiten hat mich schockiert.

Hatten Sie niemals Angst?
Ich wurde immer wieder bedroht und werde es noch heute. Seit Mitte der 90er Jahre sind meine Daten komplett von der Polizei gesperrt. Klar macht man sich Gedanken, aber deswegen hätte ich niemals aufgehört, zu berichten. Und ich schreibe weiter unter meinem Namen. Würde ich ein Pseudonym benutzen, hätten uns die Rechten schon ein paar Zentimeter Pressefreiheit weggenommen.

Wie berichtet man ausgewogen, wenn man bedroht wird?
Das ist eine Frage der Professionalität. Man schreibt, was man sieht. In vielen brenzligen Situationen bin ich ruhig geblieben. Als mich ein Berliner Neonazi bei einem Aufmarsch in Vorpommern verfolgte, habe ich mich umgedreht und ihn fixiert. Mehrere Minuten, mitten in einer Plattensiedlung – wie in einem Western. Ich hätte mich nicht einfach zusammenschlagen lassen. Ich hätte mich gewehrt, aber der Neonazi drehte um.

Wie motiviert man sich, über Jahrzehnte das gleiche Thema zu bearbeiten?
Rechtsextremismus ist eine große Herausforderung für das Land. Gewalt gegen Migranten, Linke und andere Minderheiten bleibt ein Skandal. Joachim Gauck hat mal gesagt, `Euer Hass ist unser Ansporn´, so ist das auch bei mir.

Ist ein Journalismus, der sich Zeit für Recherche nimmt durch Twitter & Co seltener geworden?
In vielen Redaktionen bleibt die Qualität erhalten. Wir müssen uns aber selbstkritische Fragen stellen. Mir ist es bis heute unangenehm, dass auch ich nicht früher das Muster des NSU erkannt habe. Es ist zwingend, dass Journalismus Strukturen durchdringt und analytisch angeht.

Wollen Sie nochmal das Thema wechseln?
Es wäre Quatsch, meinen Erfahrungsschatz ad acta zu legen. Auch wenn es anstrengt, häufig durchs Land zu touren. Rechtsextremismus ist eines meiner Themen und wenn etwas passiert, dann muss ich ran. Mein langer Atem ist noch da.

Frank Jansen ist Reporter beim Tagesspiegel. Seine Reportagen finden Sie hier. Einen Bericht zum Journalistenpreis "Der lange Atem" können Sie hier lesen.

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