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Bild für Prozesse. „Ebert und Noske in der Sommerfrische“, August 1919.

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Sammlung Robert Lebeck im Deutschen Pressemuseum: Präsident in Badehose

Sammlung Robert Lebeck: Das Deutsche Pressemuseum zeigt eine Geschichte der Fotoreportage. So locker hat man noch kein Staatsoberhaupt gesehen.

Ein ausgemergelter, kahlköpfiger Mann, vor einem Zaun an einer Grube hockend, vor Schwäche halb hingesunken, der Mund weit geöffnet, die Augen geschlossen – den Lesern der „Le Monde Illustré“ bot sich am 5. Mai 1945 ein grauenhaftes Bild, als sie auf das Cover ihres Magazins blickten. Ein Foto nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, aufgenommen von Edward Malindine. Es ist Teil der „Kiosk. Sammlung Robert Lebeck, eine Geschichte der Fotoreportage 1839 bis 1973“, die seit Donnerstag in den Räumen des Deutschen Pressemuseums (DPMU) im Berliner Ullsteinhaus zu sehen ist.

Die Sammlung des 2014 gestorbenen Berliner Foto-Journalisten, der als erster Fotograf überhaupt mit dem Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnete wurde, umfasst insgesamt über 30 000 Exemplare, darunter Erstausgaben und Unikate von Zeitschriften, Zeitungen und Magazine von 1839 bis 1973. Davon sind (leider) nur rund 80 Exponate in der Ausstellung zu sehen, was auch den überschaubar großen Räumlichkeiten im Parterre des Ullsteinhauses geschuldet ist.

Ein Rundgang, eine Zeitreise, ein Beleg für die Bedeutung der Fotografie. Das Foto als zeithistorisches Dokument – natürlich gehen nicht alle Exponate dieser Ausstellung so nahe wie das Foto aus Bergen-Belsen. Da stehen zwei Männer in Badehosen, bis zu den Knien im Wasser mit abgewinkelten Armen, und schauen den Betrachter an.

Die „Berliner Illustrirte Zeitung“ druckte das Foto „Ebert und Noske in der Sommerfrische“ am 24. August 1919. Bei den beiden Männern auf dem Titel handelt es sich um den Reichspräsidenten und den Reichswehrminister, in Haffkrug bei Travemünde. In so lockerer, privater Pose hatte keiner bislang die beiden öffentlich gesehen. Hinterher wurde reichlich prozessiert, sagt Gisela Kayser, zusammen mit Katharina Mouratidi Kuratorin der Ausstellung.

Mit der Photographie öffnet sich ein Fenster zur Welt

Das Badehosen-Foto gilt als Auftakt für modernen Fotojournalismus, der ab den 1920er Jahren neue Wege ging. Das Bild als Nachrichtenträger, politische Propaganda, Kriegsreportagen, Homestory bei Picasso, immer größere Bildstrecken in Illustrierten – man wandert durch diesen „Kiosk“, staunt, denkt an Gisèle Freund: „Die Einführung des Photos in der Presse ist ein Phänomen von außerordentlicher Bedeutung. Das Bild verändert die Sehweise der Massen. Mit der Photographie öffnet sich ein Fenster zur Welt.“

Wichtig ist Holger Wettingfeld, Vorsitzender des Pressemuseums, aber auch festzuhalten, dass die Geschichte der Fotoreportage nicht 1973 endet. Das Magazin „Life“ kam bis 1972 wöchentlich heraus, erschien dann unregelmäßig. Der Niedergang des bekanntesten amerikanischen Reportagemagazins spiegelt den Bedeutungsverlust der Fotoreportage wider.

Titel der Illustrierten "Look", Nr. 1, Januar 1937
Titel der Illustrierten "Look", Nr. 1, Januar 1937

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Den Medienwandel zu begleiten und zu vermitteln, das sieht Wettingfeld als Aufgabe des Pressemuseums. Dazu gehört der Hinweis auf die Wahrung der Pressefreiheit und die Arbeit der Fotografen in diesen für Bildjournalismus schwierigen Zeiten, was die Auftragslage betrifft, anders als in der Ära Lebeck. „Mein Ehrgeiz ist es, eine der besten Sammlungen aufzubauen. Eine Museumssammlung sollte es sein, die wirklich keinen Fotografen auslässt“, sagte Lebeck. Für seine Sammelleidenschaft müsste sich der Starfotograf statt in Top-Magazinen wie „Life“ oder „Stern“ heute vielleicht eher bei diversen Agenturen wie Ostkreuz oder Blackstar umschauen, deren Netzwerke an Multimedia-Stationen dokumentiert werden.

„Kiosk. Sammlung Robert Lebeck. Eine Geschichte der Fotoreportage 1839–1973“. Bis 30. 12. im Deutschen Pressemuseum im Ullsteinhaus. Donnerstag bis Sonntag zwölf bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr.

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