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Gedenken an den ermordeten slowakischen Journalisten Jan Kuciak in Bratislava.

© AFP/Vladimir Simicek

Reporter ohne Grenzen: Weltweit 80 Journalisten getötet

Reporter ohne Grenzen legt die Jahresbilanz der Pressefreiheit vor. Die Organisation beklagt die hohe Zahl gezielter Morde an Journalisten.

Im zu Ende gehenden Jahr sind weltweit mindestens 80 Journalisten, Bürgerjournalisten und andere Medienmitarbeiter in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, 15 mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte von ihnen kam in nur fünf Ländern ums Leben: in Afghanistan, Syrien, Mexiko, Jemen und Indien. Ähnlich sieht es bei den 348 weltweit inhaftierten Medienschaffenden aus. Mehr als die Hälfte von ihnen sitzt in nur fünf Ländern im Gefängnis: in China, Ägypten, der Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Das geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit 2018 hervor, die Reporter ohne Grenzen (ROG) am Dienstag veröffentlicht hat.

„Die Zahlen der ROG-Jahresbilanz zeigen, dass nach wie vor bewaffnete Konflikte die größte Gefahr für Journalisten weltweit sind. Dass aber zugleich so viele Journalisten außerhalb von Kriegsregionen ermordet werden, ist ein erschreckendes Zeichen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Viel zu oft können Täter und Auftraggeber damit rechnen, dass selbst Morde für sie folgenlos bleiben. Die Staatengemeinschaft muss endlich wirksame Mittel finden, Straflosigkeit überall auf der Welt zu beenden.“

Die Länder mit den meisten getöteten Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeitern waren demnach 2018 Afghanistan (15 Medienschaffende getötet), Syrien (elf), Mexiko (neun), Jemen (acht) und Indien (sechs). Auch in den USA starben in diesem Jahr sechs Journalisten, vier von ihnen wurden beim Anschlag auf die Lokalzeitung Capital Gazette an 28. Juni gezielt getötet.

44 Medienschaffende starben in Gebieten mit bewaffneten Konflikten, 36 außerhalb solcher Gebiete. Wie schon im Vorjahr, so die Bilanz weiter, war Mexiko das Land ohne bewaffneten Konflikt, in dem die meisten Journalisten ermordet wurden. Über Korruption und Drogenkriminalität zu berichten, sei dort weiterhin lebensgefährlich. Der Schutz, der bedrohten Journalisten gewährt wird, ist oft unzureichend und inneffektiv.

49 der getöteten 80 Medienschaffenden seien wegen ihrer journalistischen Tätigkeit gezielt ermordet wurden. Die übrigen 31 kamen im Einsatz ums Leben. Unter den Getöteten waren 63 professionelle Journalisten, 13 Bürgerjournalisten sowie vier Tontechniker und Fahrer. Drei der Getöteten waren Frauen. In den vergangenen zehn Jahren wurden weltweit 702 professionelle Journalisten getötet.

Bürgerjournalisten im Visier

Die Zahl getöteter Bürgerjournalisten hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, von sieben auf 13. Bürgerjournalisten spielen gerade in Ländern mit autoritären Regimen und Kriegsländern eine immer wichtigere Rolle in der Berichterstattung, denn dort sind viele Regionen für professionelle Journalisten kaum zugänglich. Diese Regionen sind zugleich diejenigen, in denen unabhängige Berichterstatter besonders gefährdet sind.

Auch die Zahl der inhaftierten Bürgerjournalisten stieg 2018 sprunghaft an, so die Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen weiter im Wortlaut: um 40 Prozent von 107 auf 150. Nachdem sie bereits gegen traditionelle Medien hart durchgegriffen haben, würden Länder wie China, Ägypten, Iran und Saudi-Arabien jetzt ihre Unterdrückungsstrategien überarbeiten. Neue Internetgesetze etwa erleichtern es ihnen, gegen Online-Journalisten und Nutzer von sozialen Netzwerken vorzugehen.

Insgesamt saßen am 1. Dezember 2018 weltweit 348 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit in Haft – mehr als die Hälfte von ihnen in nur fünf Ländern: in China (60), Ägypten (38), der Türkei (33), Iran (28) und Saudi-Arabien (28). In China sind unter den Inhaftierten 46 Bürgerjournalisten, die versuchen, der zunehmend scharfen Kontrolle der Kommunistischen Partei über traditionelle Medien zu entgehen.

Die Türkei bleibt laut ROG-Bilanz auch in diesem Jahr das Land, in dem weltweit die meisten professionellen Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Dass es im Vergleich zu 2017 weniger sind, bedeute nicht, dass sich die Situation verbessert hat. "Viele der Freigelassenen sind nur unter Auflagen freigekommen und warten noch auf ihr Urteil in erster oder höherer Instanz."

Saudi-Arabien zog in diesem Jahr die internationale Aufmerksamkeit auf sich, als am 2. Oktober der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde. Mindestens 28 weitere Medienschaffende sind zurzeit in Saudi-Arabien wegen ihrer Arbeit inhaftiert.  

Der getötete Journalist Jamal Khashoggi
Der getötete Journalist Jamal Khashoggi

© AFP

Ende 2018 sind weltweit 60 Medienschaffende entführt, sechs mehr als ein Jahr zuvor. Die regionale Verteilung zeigt, dass die Entführung von Medienschaffenden vor allem ein Kriegsmittel im Nahen Osten ist: Mit Ausnahme eines Journalisten, der von der separatistischen „Volksrepublik Donezk“ im Osten der Ukraine festgehalten wird, konzentrieren sich diese Fälle vollständig auf Syrien, den Jemen und den Irak.

Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen endlich zur Rechenschaft zu ziehen und den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, wirbt Reporter ohne Grenzen bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Dieser sollte die Bemühungen der verschiedenen UN-Institutionen zum Schutz von Journalisten koordinieren, bestehende völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen und so die Zahl von Gewalttaten gegen Journalisten endlich wirksam verringern. Als weltweit erstes Parlament stellte sich der Deutsche Bundestag am 23. Juni 2017 hinter die Forderung von ROG.

Schon jetzt gebe es zwar eine ganze Reihe von UN-Resolutionen für einen besseren Schutz für Journalisten vor allem in Konfliktgebieten, sie hatten aber bislang kaum konkrete Auswirkungen auf die Lage der Betroffenen.

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