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Presse im Ausland: Alles aus Plastik

Wie zwei Magazine in Brasilien vom Wahn um die Schönheit profitieren.

In Brasilien gibt es für viele Kinder oft nur zwei Perspektiven, um der Armut zu entfliehen: Jungs träumen von der Karriere als Fußballprofi, Mädchen wollen Models werden. Oder wenigstens Fernsehstar.

Schönheit gilt in Brasilien, dem Land der riesigen sozialen Unterschiede, als einer der wenigen Schlüssel zum sozialen Aufstieg. Wem die Schönheit nicht von der Natur gegeben ist, der hilft eben nach, es gilt das Motto: Wer hässlich ist, ist selbst Schuld. Gleich nach den USA verzeichnet Brasilien die meisten Schönheitsoperationen pro Einwohner, mehr als 1700 Eingriffe pro Tag sollen es 2009 gewesen sein. Am liebsten kaufen sich die Brasilianerinnen einen üppigeren Busen, danach steht Fettabsaugen auf dem Wunschzettel – das Ziel ist immer das gleiche: die absolute Perfektion.

Rund um diesen Schönheitswahn hat sich für Medien ein Markt aufgetan. Mittlerweile gibt es in Brasilien zwei Zeitschriften, die sich mit der Schönheit per Skalpell beschäftigen. „Plástica e Beleza“, übersetzt „Schönheitschirurgie und Schönheit“ ist 1997 entstanden, nachdem die Schönheits-OPs in den 1990er Jahren in Brasilien populär zu werden begannen. Heute behauptet sich das Blatt monatlich mit für Brasilien beachtlichen 30 000 Exemplaren .

In der aktuellen Ausgabe präsentiert eine Ex-Teilnehmerin der brasilianischen Big-Brother-Show auf dem Titelblatt säulengleiche Beine, straffen Bauch, üppigen Busen, strahlendweiße Zähne. Im Heftinneren erklärt sie den Leserinnen, was an ihr hart erarbeitet ist (Bauch, Beine, Po durch tägliches Muskeltraining und zweimal die Woche Boxen), und was gekauft (der Busen). Dass sich Promis wie sie in dieser Weise entblößen, ist Teil des redaktionellen Konzepts: „Wir stellen in jedem Heft eine Frau vor, die ein Schönheitssymbol für die Brasilianerinnen ist“, sagt Chefredakteurin Cibele Carbone. Gleich im Anschluss an das jeweilige Porträt wird die Klinik genannt, die den perfekten Promi-Körper geschaffen hat.

Leserinnen des Magazins seien „eitle Frauen, die sich um ihr Aussehen bemühen“, so Chefredakteurin Carbone. Die Frauen würden am Stil des Hefts besonders schätzen, dass es das Thema plastische Chirugie seriös behandele und auch auf Risiken hinweise. Als schönsten Erfolg ihrer Arbeit sieht es Carbone an, wenn Leserinnen sich durch das Heft „selbst besser annehmen“ können.

Allerdings: Beim Probelesen wirkt „Plástica e Beleza“ eher, als sollen die Leserinnen zur Operation ermuntert werden. Selbst wenn nur ein „schlaffer Bauchnabel“ zu beklagen ist. Prominente bekennen sich zur erfolgreichen oder noch geplanten OP, Tipps sollen helfen, schwarze Schafe unter den Chirurgen zu vermeiden, Diäten und Gymnastikprogramme sind speziell für die Zeit vor und nach der OP entwickelt. Auf Empfehlung für Kosmetikprodukte wird nicht verzichtet. Gleich das ganze letzte Drittel des Heftes ist der Zahnkosmetik gewidmet – mit reichlich Anzeigen für Zahnkliniken, die gähnende Mundhöhlen mit verfaulten Stummeln auf Vorher-Bildern präsentieren.

Mangel an Werbekunden hat das Magazin nicht zu beklagen, das Verhältnis Text – Anzeigen dürfte bei maximal 2:1 liegen. Für jedes Problem bieten Spezialisten eine Lösung: unerwünschter Haarwuchs, zu viel oder zu wenig Kurven, Cellulitis, Akne, Falten oder Schwangerschaftsstreifen. Und wer alle 130 Seiten durchgelesen hat, bekommt den dringenden Eindruck, es sei das Normalste von der Welt, Gesicht und Körper durch alle verfügbaren Mittel und OPs zu perfektionieren.

Konkurrenz habe sie keine, sagt Cibele Carbone, entsprechende Zeitschriftengründungen hielten sich einfach nicht neben dem Klassiker am Markt. Doch neben unzähligen Websites, die meist mehr oder weniger offensichtliche Werbeauftritte von Kliniken oder Chirurgen sind, gibt es noch eine weitere Publikumszeitschrift mit dem Titel: „Plástica e Forma“, übersetzt „Schönheitschirurgie und Form“. Auf ihrem Titelblatt zeigt sich – wen wundert's – eine Ex-Big-Brother-Teilnehmerin mit einem perfekten Körper. Auch sonst lässt das Konzept deutlich das Vorbild erkennen. „Plástica e Forma“ ist erst zehn Jahre nach „Plástica e Beleza“auf den Markt gekommen.

„Unser Vorteil sind die Fülle an journalistischen Informationen“, erklärt Redakteurin Ana Lettieri. Im Gegensatz zum Konkurrenzblatt finden sich in ihrem Heft statt reiner Lobhudelei für die OPs immer wieder Bedenken. Damit hat es „Plástica e Forma“ auf eine Auflage von stolzen 50 000 Exemplaren gebracht, erscheint jedoch bislang unregelmäßig, etwa alle zwei Monate.

Womöglich ist die kritische Leserin nicht das Lieblingspublikum der potenziellen Anzeigenkunden.

Christine Wollowski[Recife]

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