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Wahn oder Wirklichkeit?  Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) fühlt sich zunehmend beobachtet.

© dpa

"Polizeiruf 110" mit Matthias Brandt: Ein Fall wie der von Gustl Mollath

Verzweifelt wie nie: Der grandiose Matthias Brandt alias Kommissar Hanns von Meuffels im neuen „Polizeiruf 110“. Es wird Zeit, dass eine schöne Vertraute zurückkehrt.

Vorab, Ihr Fernseher ist nicht kaputt, wenn Sie ihn am Sonntagabend anstellen und den neuen „Polizeiruf 110“ mit Matthias Brandt anschauen. Dem Krimi des Bayerischen Rundfunks ist fast vollständig die Farbe entzogen. Das München hier sieht so aus wie bei „Derrick“ in den 1970ern. Und, erstaunlich, Matthias Brandt alias Kommissar Hanns von Meuffels ist da auch nicht ganz weit weg vom jüngeren Horst Tappert, Tränensäcke inklusive.

Nur dass beim „Polizeiruf“ nicht in schicken Münchner Vororten ermittelt wird, sondern in trostlosen Hochbau-Gebieten nahe dem Olympiastadion; und dass die Mordgeschichte rund um eine brisante Steuer-CD mit Schwarzgeld-Listen und Namen von prominenten und hochgestellten Personen des Freistaates ziemlich aktuell ist.

Der Fernseher ist also nicht kaputt, dafür das Land Bayern umso mehr, wenn es nach diesem „Polizeiruf“ geht. „Sumpfgebiete“ ist angelehnt an die Debatte über Gustl Mollath, der 2006 in den psychiatrischen Maßregelvollzug eingewiesen und 2014 entlassen wurde. Zu dem komplexeren Prozess gehörten Aussagen von Mollath, in denen er seiner Frau Schwarzgeldgeschäfte vorwarf.

Diesen Part übernimmt im „Polizeiruf“ Judith Engel. Sie spielt die vermeintlich geistig Verwirrte Julia Wendt, die wegen eines Brandanschlags auf ihren Mann fünf Jahre in der Psychiatrie war. Nach ihrer Entlassung sucht sie Kommissar Hanns von Meuffels auf, der sie damals verhaftet hat. Sie werde bis in ihre Wohnung verfolgt und bedroht, weil sie eine Liste mit Namen reicher, prominenter Steuerbetrüger besitze, für die ihr Mann Schwarzgeld in die Schweiz überwiesen habe.

Weil sie ihren Mann angezündet und getötet hat, halten sie alle für verrückt. Von Meuffels, der gerade an einem anderen Fall sitzt, ist von der um Hilfe flehenden Frau genervt, nimmt sie nicht ernst - bis sie vor seinen Augen von einem Auto angefahren wird und stirbt.

Hanns von Meuffels, dieser Mann ohne Eigenschaften

Vielleicht hat von Meuffels geahnt, was da auf ihn zukommt. Selten hat man den bedächtigen Münchner Kommissar so verzweifelt, so panisch, so verängstigt gesehen. Das haben sich die Autoren Holger Karsten Schmidt und Volker Einrauch fein ausgedacht, ganz in der Konsequenz dieser im deutschen Fernsehkrimi singulären Ermittler-Figur: Hanns von Meuffels, dieser Mann ohne Eigenschaften, der 2011 aus Preußen ins Mia-san-mia-München kam, kämpft nun alleine gegen den Freistaat Bayern, gegen die Amigos – gegen Wirtschaft, Justiz, Exekutive und Legislative, alle haben sie etwas zu verstecken und zu verlieren, wenn diese Liste mit den Steuerbetrügern ans Licht kommt.

Eine trostlose November-Geschichte mit absehbar trostlosem Verlauf. Das Ganze von Regisseurin Hermine Huntgeburth getaucht in trostlos sumpfig, blassgrüne Bilder. Viel zu wenig Antworten, viel zu viele Fragen, die auch Zweifel am Gesundheitszustand des sonst so akribisch arbeitenden Ermittlers aufkommen lassen. Mit vornehmer Zurückhaltung, wie sie ihn zuletzt noch in der von Christian Petzold inszenierten Folge „Wölfe“ auszeichnete, kommt von Meuffels auch nicht mehr weit. Existiert dieses weit verzweigte Geheimnetz aus Bankern, hochrangigen Beamten und Superreichen, die alle in demselben Tennisclub spielen, wirklich oder ist das alles nur Einbildung?

Kann von Meuffels seinem (erstmals eingeführten) Chef Alexander Beck (brillant: Ulrich Noethen) vertrauen? Leidet er unter Verfolgungswahn? Fragen, die von Meuffels fast in den Wahnsinn treiben, zumal er davon überzeugt ist, von mächtigen Gegnern systematisch observiert zu werden. Ein Kommissar am Rande des Wahnsinns, von Brandt wiederum exzellent gespielt, mit blutendem Gesicht. Irgendwann landet der Cop sogar in der Psychiatrie.

Leider verliert sich der kunstvoll inszenierte Verschwörungs-Krimi in einem allzu vorhersehbaren, leicht unlogischem Ende. Ohne zu viel zu verraten – es ist nur schwer abzusehen, wie Hans von Meuffels da wieder rauskommt. Vielleicht hilft in der nächsten Folge die Kollegin Constanze Hermann (Barbara Auer), mit der er zuletzt über Musik, Film, Lust und das Leben sinnieren konnte. Das bringt dann auch wieder Farbe ins Spiel.

„Polizeiruf 110 - Sumpfgebiete“, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr

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