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Die Exprostituierte Evelyn Frank (Iris Berben, rechts) will als Kronzeugin gegen die Russenmafia aussagen. BKA-Frau Ines Meder (Melika Foroutan) soll sie schützen. Foto: ZDF

© Hannes Hubach

Nervenkitzel: Tiger und Schafe

Iris Berben und Melika Foroutan liefern sich im ZDF-Krimi „Die Kronzeugin“ ein Psychoduell.

Lieber ein Tag als Tiger als ein ganzes Leben als Schaf, so soll ein tibetanisches Sprichwort lauten. Lieber ein Tag als Löwe als hundert Tage als Schaf, dieses Zitat wird dem Künstler Bruno Bruni zugeschrieben. Aber egal, ob nun die Tibetaner oder die Italiener diese Weisheit zuerst ausgesprochen haben, wenn dies die von Iris Berben gespielte Hauptdarstellerin im ZDF-Film „Die Kronzeugin“ sagt, bekommt es eine ganz besondere Bedeutung. Denn bei Evelyn Frank handelt es sich um eine Luxusnutte, die zur Luxusehefrau wurde, um dann mit ihrem Ehemann einen Luxuspuff aufzumachen, bevor sie sich dazu entschied, das alte Leben hinter sich zu lassen und gegen ihren Mann und die Russenmafia auszusagen. Das schaffen nur Tiger, keine Schafe.

Die Ermittlungsbehörden nehmen die ehemalige Bordellbetreiberin aus Berlin in das Zeugenschutzprogramm. Zwei Beamte bekommen die Aufgabe, die in Eva Bernhardt umgetaufte Exprostituierte auf ihr neues Leben vorzubereiten. Für den Neuanfang wurde ein bescheidener Wintersportort in Bayern ausgesucht, wo sie sich in der Küche oder als Servicekraft ihren Lebensunterhalt verdienen soll. Zudem hoffen die Polizisten, dass die frisch gebackene Eva vielleicht doch noch verrät, wo sie die vermissten 15 Millionen Euro versteckt hat. Die Verfolger von der Russenmafia haben derweil die Spur aufgenommen. Der Reiz des Filmes liegt jedoch weniger im Kriminalistischen als in dem Wechselspiel zwischen Kronzeugin und ihrer Beschützerin Ines Meder (Melika Foroutan). Zusammen mit ihrem Kollegen Holger Nolting (Florian Panzner) soll Meder die „Eiskönigin“, wie Evelyn Frank immer genannt wurde, in den nächsten Wochen nicht von der Seite weichen. Und „Luxus-Uschi“, wie Nolting sie nennt, lernt schnell. Ganz davon abgesehen, dass sie immer schon wusste, wie sie Männer um den Finger wickeln konnte.

Für die Rolle einer aufgedonnerten Puffmutter wäre Iris Berben nicht geeignet, doch das wird in dem von Sohn Oliver Berben produzierten Film auch gar nicht von ihr erwartet. Die Kronzeugin ist eine resolute Karrierefrau, die mit viel Empathie auf ihre Umwelt reagiert. Sie habe immer nur nur das Beste für ihre Mädchen gewollt. Sie habe ihnen beigebracht, wie sie ihren Typ besser zur Geltung bringen können, selbst Deutschstunden habe sie gegeben, erzählt sie der Richterin. Ob sie denn Lehrerin sei? Ja, sie habe Germanistik und Kunst auf Lehramt studiert. Bald berät Eva selbst die Frau vom Bundeskriminalamt, bis diese merkt, wie sie die Kontrolle verliert.

Nicht die Aussteigerin ist es, die durch die Flucht vor den Verfolgern aus der Bahn geworfen wird. Vielmehr konfrontiert sie Ines Meder mit deren unaufgearbeiteten Problemen. Eines heißt Holger und ist ihr Kollege, der sich gerade von seiner Frau scheiden lässt. Verkehrte Welt. Wie Melika Foroutan die anfangs spröde-resignierte Polizistin auftauen lässt, ist mindestens ebenso bemerkenswert wie Iris Berbens ungewöhnliche Rollenwahl.

Die Zeit in den Bergen wird zum Spiel um Intimität, Vertrauen und Manipulation. Die eine will keine Professionelle mehr sein, die andere muss professionell bleiben. Unter der Regie von Christiane Balthasar (das Buch stammt von Thorsten Wettcke) ist „Die Kronzeugin“ ein Film zweier starker Schauspielerinnen geworden, ein Film, in dem vieles nicht das ist, was es vorgibt. Kurt Sagatz

„Die Kronzeugin – Mord in den Bergen“, ZDF, 20 Uhr 15

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