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64 Dreh-Teams auf 125 Expeditionen in allen Ozeanen, auch bei Delfinen. Dank moderner Technik werden die Bilder immer schärfer.

© WDR/BBC

Natur-Doku in der ARD: Im Rausch der Tiefe

Meere, Tiere, Sensationen: Eine ARD/BBC-Doku mit nie gesehenen Bildern ist ein Fest für Großbild-Fernseher - und ein weiterer Appell, Lebensräume zu schützen.

Vorhang auf für die Wunder der Natur: für Korallengärten, Tang-Dschungel, Methan-Vulkane. Für das nächtliche Licht-Spektakel von Teufelsrochen und Algen. Auch für den gespenstischen Gift-See auf dem Meeresgrund, in den sich nur Halsabschneider-Aale wagen. Für all die phantastischen Lebewesen, die in mehreren Kilometern Tiefe einen gewaltigen Wasser-Druck aushalten. Oder für den Zackenbarsch, der einem Oktopus bei der gemeinsamen Jagd mit Kopfschütteln Zeichen gibt – kein Scherz. Und für den Kraken, der sich mit Muscheln und Felsstücken in ein würfelförmiges Irgendwas verwandelt und damit den Pyjamahai an der Nase herumführt. Man möchte applaudieren, wenn der gewitzte Oktopus Reißaus nimmt, während der Hai noch ärgerlich im Geröll herumstöbert.

Den ersten großen Auftritt in Teil eins („Unbekannte Ozeane“) der Reihe „Der Blaue Planet“ hat ein Großzahn-Lippfisch. Wenn er Muscheln ausgebuddelt hat, schwimmt er mit ihnen zu einer abgestorbenen Hirnkoralle und schleudert die Muscheln so lange auf die harte Oberfläche, bis deren Schale bricht. Das sieht mühsam, manchmal lustig aus, oft flutscht ihm die Muschel einfach aus dem Maul. Das Filmteam beobachtete, dass dieser Fisch mehrfach zu der ambossförmigen Koralle schwamm und sie als Hilfsmittel nutzte, um ans Futter zu kommen. „Willkommen im Club der Werkzeug gebrauchenden Tiere“, sagt Axel Milberg aus dem Off. „Der Blaue Planet“, das ist Fernsehen zum Staunen. Leider auch über Plastikmüll, zerstörte Korallenriffe und schwindende Lebensräume.

Schauspieler Milberg ist mit seiner weichen, selbst immer ein wenig erstaunt klingenden Stimme der Sprecher der deutschen Fassung dieser BBC-Reihe, die im Grunde eine Neuauflage ist. Bereits vor knapp 20 Jahren hatten Naturfilmer mit „The Blue Planet“ (2001) Maßstäbe gesetzt. Der Achtteiler war im britischen Fernsehen ein Quotenhit, wurde in mehr als 50 Länder verkauft. Bei den Dreharbeiten waren neue Tierarten entdeckt und bisher unbekannte Verhaltensweisen dokumentiert worden.

In Deutschland war die Reihe vor 15 Jahren unter dem Titel „Unser blauer Planet“ in der ARD zu sehen. Einzigartige, bisher noch nie gefilmte Szenen – das ist auch der ehrgeizige Anspruch des Nachfolgeprojekts. 64 Dreh-Teams wurden auf 125 Expeditionen in allen Ozeanen und auf alle Kontinente geschickt. Dank moderner Technik werden die Bilder nicht nur immer schärfer.

Eindrucksvolles Symbol-Bild für den schrumpfenden Lebensraum

Es geht auch immer näher heran und tiefer herunter in die ozeanischen Lebenswelten. Mini-Kameras reisen auf dem Rücken der Wale mit, Endoskop-Kameras linsen in die schmalsten Korallen-Nischen, Schleppkameras nehmen das Tempo von Thunfischen auf. Hinzu kommen Restlicht- und Zeitrafferkameras oder der „Megadome“, ein kuppelförmiger Kameravorsatz, durch den gleichzeitig oberhalb wie unterhalb des Wasserspiegels gefilmt werden konnte.

Und so sieht man die Walross-Mutter mit ihrem Kind auf einer Eisscholle, die unter Wasser nur einen geringen Umfang hat – ein eindrucksvolles Symbol-Bild für den schrumpfenden Lebensraum in der Arktis, von dem am Ende des ersten Teils die Rede ist. Im Sommer gibt es dort mittlerweile 40 Prozent weniger Eis als noch vor 30 Jahren. Zugleich ist der Kampf der Walross-Mutter um einen Ruheplatz für ihr erschöpftes Baby eine dieser kleinen dramatischen Geschichten, mit denen in den einzelnen Folgen Anteilnahme und Spannung erzeugt werden. Die Musik unter anderem von Oscar-Preisträger Hans Zimmer schafft dazu einen mal erhabenen, mal verspielten Klang-Rahmen.

„Das Publikum soll sich in das Leben unter Wasser verlieben“, sagte dazu Produzent James Honeyborne bei der Premiere der deutschen Fassung in einem Kölner Kino. Das sei „ein guter Anfang, um sie zu schützen“, ergänzte Axel Milberg. Der ungeheure Aufwand lässt sich nur als internationale Koproduktion stemmen. Als deutscher Partner war der WDR federführend. Allerdings erweist sich, dass in Deutschland selbst bei einem derartigen Premium-Programm das Schema wichtiger ist als der Inhalt. Während die BBC im vergangenen Herbst sieben Folgen à 60 Minuten ausstrahlte, gibt es im Ersten am Montagabend nur Platz für 45-Minüter.

„Der Blaue Planet“, sechs Folgen, ARD, montags, 20 Uhr 15

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