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Gebrochene Heldin.  Für ihre Rolle als „Kommissarin Louise Bonì“ hat Melika Foroutan, 39, eine Spezial-Nominierung beim Grimme-Preis erhalten. Die Tochter einer Deutschen und eines Iraners ist 1982 aus Teheran nach Deutschland gekommen.

© WDR/Christoph Assmann

Melika Foroutan im Porträt: Kennen Sie Marlowe?

Lust auf Projekte, die mit Benzin arbeiten, nicht mit Wasser: Melika Foroutan spielt in "Kommissarin Louise Boni" die zurzeit ungewöhnlichste TV-Ermittlerin. Eine Begegnung.

Erstmals auf Melika Foroutan zu treffen, das verbindet sich mit einem seltsamen Gefühl, zumal wenn man sich die Schauspielerin vorher als „Kommissarin Louise Bonì“ angeschaut hat. Düster, alkoholkrank, unnahbar, mit dickem schwarzen Kajalstrich, wilde Lockenmähne, permanent am Rande des Abgrunds, so läuft Deutschlands ungewöhnlichste TV-Ermittlerin durch die schöne Stadt Aachen. Aufgeschlossen lächelnd, die Haare nach hinten gesteckt, die schattenlosen Augen nur noch etwas müde von einem Berlinale-Empfang am Abend zuvor, so sitzt Melika Foroutan an einem Morgen im „taz“-Café an der Rudi-Dutschke-Straße.

Es fügt sich gut. Die Schauspielerin ist zur Berlinale extra aus Los Angeles gekommen, wo sie seit zwei Jahren mit Mann und zwei Kindern lebt, um hier neben ein paar Filmvorführungen und Empfängen Werbung für die „Kommissarin Louise Bonì“ zu machen. Der Film läuft am Donnerstagabend in der ARD. Worum geht’s? Der Mord an einer Studentin, eine harte Gewalt-gegen-Frauen-Story mit viel Polizisten-Corps-Geist und dauerbedrohlichem Gefühl.

Ist ja nicht so, dass es nicht schon genug Primetime-Krimis im deutschen Fernsehen gibt und dann noch auf weitere gewartet wird. Es sei denn, sie sind mit Louise Bonì. Das ist kein 08/15-Krimi, da war sich die Kritik nach dem Start der Reihe nach den Romanen von Oliver Bottini im Februar 2015 einig. Eine kleine Sensation, hieß es mit Blick auf die Protagonistin. Danach hat Melika Foroutan gleich mal eine Spezial-Nominierung beim Grimme-Preis erhalten.

In Bars Gin Gimlet bestellt

So eine gebrochene, verletzliche Heldin zu spielen, das muss doch der Traum eines jeden Schauspielers sein. Beinahe wäre es dazu gar nicht gekommen. „Ich war noch nie ein großer Krimi-Fan“, sagt Melika Foroutan. „Von den Raymond-Chandler-Romanen mal abgesehen.“ Die Figur des traurigen, melancholischen, moralischen Marlowe habe sie verschlungen. „Ich mochte das sehr.“

So sehr, dass sie angefangen hat, in Bars Gin Gimlet zu bestellen, wie Marlowe. Bei der Figur Louise Bonì war sie zuerst irritiert, als das Buch kam. „Sie war fast wie eine weibliche Marlowe. Eine Einzelgängerin, traurig, einsam, ruppig, ausgestattet mit einem guten Instinkt. Louise Bonì hat keinen Boden unter den Füßen, ist alkoholkrank, auch physisch verlebt.“ Plötzlich hatte die Schauspielerin Angst, dass sie da nicht glaubhaft sein konnte. Das seien aber oft die spannendsten Rollen, die, vor denen man Angst hat und von denen man denkt, der Weg zu ihnen ist viel zu weit. „Die Herausforderung besteht darin, sich erst gedanklich anzunähern, die Lebenswelt des vermeintlich Fremden kennenzulernen, verstehen zu wollen, um schließlich zu erkennen, dass sie so fremd gar nicht ist und die Angst somit vollkommen unbegründet war.“

Angst. Ein Stichwort. Und eine ungewöhnliche Lebensgeschichte. Im Alter von sechs Jahren, 1982, floh Melika Foroutan, Tochter einer Deutschen und eines Iraners, vor dem Chomeini-Regime aus dem Iran nach Deutschland. Ihr Vater – der sich zuvor schon weigerte, Propagandafilme für den Schah zu drehen, und sich ein halbes Jahr als Coach der iranischen Fuballnationalelf verdingte – hatte sich für die Opposition im Iran engagiert.

„Mein Vater musste unter Lebensgefahr mit Schleppern über Pakistan den Iran verlassen.“ Sie landeten nach der Flucht in Boppard am Rhein, in einem Burgtheater, wo ihre Mutter eine Gruppe leitete. „Ich bin da ziemlich früh in diverse kleine und große Rollen geschlüpft.“ Zu Hause hat sie mit ihrem Vater Hollywood-Filme aus den 1940er und 50er Jahren geschaut. Sie sei einfach in einer Familie groß geworden, wo Film und Filmegucken ein Thema war. „Mein Vater hat Filmregie studiert. Ich wusste schon sehr früh, dass ich Schauspielerin werden möchte.“

„Wir haben viele Schauspieler, die für ihren Beruf brennen."

Bis zur Spezial-Nominierung beim Grimme-Preis war es da noch weit. Philosophiestudium in Köln, ab 1999 Schauspielstudium an der UdK in Berlin, seit 2004 im Film- und Fernsehgeschäft. Vor zwei Jahren saß sie in der Jury von Amnesty für die Berlinale. Erstes Aufsehen als Ermittlerin in der preisgekrönten ZDF-Krimiserie „Kriminaldauerdienst“, wo sie die Kriminalkommissarin Sylvia Henke spielte, eine Figur, die fast genauso zwiespältig erscheint wie die Kommissarin Louise Bonì, deren Fortsetzung beim WDR übrigens noch ungewiss ist. 2013 spielte sie an der Seite von Iris Berben in dem Psychothriller "Die Kronzeugin".

Dass das mit diesen zwiespältigen, dunklen Ermittlern keine Schablone sein muss, hat Melika Foroutan in diversen Filmen bewiesen, zuletzt in der Komödie „Die Mamba“. Ist diese Kommissarin Bonì nun ein Karrieresprung für die 39-Jährige? Wie ist ihr Standing als Schauspielerin in Deutschland? Ihr Mann hatte in den letzten Jahren beruflich immer mehr in Los Angeles zu tun, daher zog die Familie in die USA.

„Sagen wir mal so, ich bin in einer Art Orientierungsphase. Je größer die Entfernung ist, die man zurArbeit zurücklegen muss, desto kritischer beäugt man auch das Projekt.“ Sie überlegt kurz. Und schwärmt dann von einem Auftritt des Kollegen Edin Hasanovic neulich bei einer Preisverleihung „Da stand ein Schauspieler, voller Freude, voller Lust auf diesen Beruf, er hat gebrannt, und das hat er auch gesagt: Ich brenne, ich hab’ so Bock.“

Ihr ginge es genauso. „Wir haben in Deutschland viele Schauspieler, die für ihren Beruf brennen. Wir haben aber auch viel Feuerwehr, die unterwegs ist, um diese Brände zu löschen. Ich hab’ Lust auf Projekte, die mit Benzin arbeiten, nicht mit Wasser.“

Benzin hat sie, die Louise Bonì. Bier, Rotwein, Wodka, das hat die TV-Kommissarin in Teil eins in sich hineingeschüttet. In „Jäger in der Nacht“ versucht sie es abstinent. Viel mehr menschliche Nähe lässt die Frau aber auch hier nicht zu. Zu Anfang liegt sie im Bett mit einem jungen Taxifahrer. Als der sie nach dem Aufstehen in der Küche umarmen will, zuckt sie zurück. Anders als Melika Foroutan. Ein Händedruck, ein Lächeln, der nächste Berlinale-Empfang wartet.

„Kommissarin Louise Bonì – Jäger in der Nacht“, Donnerstag, ARD, 20 Uhr 15.

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