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Medien: Let’s talk about sex

Wenn „Cosmopolitan“ mit der Beilage „6 x 69“ erscheint, hat Ulrike Droll den Nerv ihrer Leserinnen getroffen

Von Alva Gehrmann

Wer um die Mittagszeit ins Münchner Restaurant „Föhn“ geht, der hört dort viele Gäste eine Pasta Cosmo bestellen – die steht zwar auf keiner Speisekarte, doch die Kellner wissen Bescheid: eine halbe Portion Pasta mit Salat. Gesundes, leichtes Essen für die Businessfrau. Cosmo, das ist die Abkürzung für „Cosmopolitan“: benannt nach der „Zeitschrift für Frauen mit Lust am Leben. Stark, smart, souverän“. So beschreibt der Münchner Verlag Marquard Medien sein Monatsblatt. Die Redaktion befindet sich einige Häuser neben dem Restaurant, im Arabellapark. Doch auch Redakteure vom nahe gelegenen Burda-Verlag bestellen sich gerne mal eine Pasta Cosmo.

Seit sie Chefredakteurin ist, kommt Ulrike Droll mittags nur noch selten dazu essen zu gehen. Die 32-Jährige sitzt auf einer Couch in ihrem Büro. Droll ist leger gekleidet, trägt ein weites Shirt und schwarze Hose mit einem breiten Gürtel um die Hüften. Die Haare sind locker hochgesteckt. „Sie sind die Königin“, steht auf einem Plakat an der Wand , daneben „10 Strategien für mehr Glück, Spaß und Erfolg“ – die Titel von zwei alten „Cosmopolitan“- Ausgaben.

„Cosmopolitan“ ist Frauensache. Nicht nur die Leser sind weiblich, auch die Macher. Von dreißig Angestellten sind nur drei Männer. Die Redakteurinnen gehören nach eigenem Bekunden hundertprozentig zur Zielgruppe der Leserinnen: Sie sind zwischen 20 und 39, selbstbewusst, sexy, modisch, haben Geld und sind selbständig. In den USA gibt es die „Cosmopolitan“ seit 1965 – Gründerin Helen Gurley Brown hat im vergangenen Jahr alle Chefredakteure eingeladen: 47 Frauen.

Weltweit lesen jeden Monat 34 Millionen Menschen die Frauenzeitschrift. Ab September werden es noch mehr, dann gibt es das Magazin auch in Kasachstan. In Deutschland verkauft „Cosmopolitan“ rund 350 000 Exemplare und gehört damit zu den auflagenstärksten monatlichen Frauenzeitschriften. Besonders gut verkaufen sich Ausgaben wie jene im August, der ein Sonderheft mit „6 x 69 Sex-Tipps“ beilag mit Themen wie „Indoor- Spaß: Hier kommt man gerne!“ oder „Auf Stellungssuche? Hier sind spannende Positionen“. „Cosmo“, wie die Leserinnen ihr Blatt gern nennen, steht seit jeher auch für Sex. Es gibt keine Ausgabe, in der nicht mit neuen Sexthesen oder -Praktiken geworben wird. Die müsse sie dann nach und nach abarbeiten, auch sie lerne noch dazu, sagt Droll mit breitem Lachen.

Ulrike Droll redet gern über Sex. So wie alle in der Redaktion. „Eigentlich ist man den ganzen Tag privat. Denn da redet man ja mit den Kollegen über Sachen, die man sonst einer Freundin erzählt.“ Wichtig sei da nur, dass die Sprache „clean“ ist.

Kurz vor der Bundestagswahl scheint bei „Cosmopolitan“ ein weiteres Thema sexy zu sein: Politik. „Wir behandeln alles, was die Frau beschäftigt. Im Wahljahr können wir uns dem nicht entziehen.“ Was gibt man einer „Cosmopolitan“-Leserin, wenn man ihr Politik schmackhaft machen will? Interviews: Stoiber und Westerwelle waren schon dran, in der aktuellen Ausgabe diskutiert Joschka Fischer mit den Redakteurinnen über Karriere und Leidenschaften. Schröder wollte nicht. Er hat sich lieber bei „Brigitte“ zu Wort gemeldet. Macht nichts, die beiden sind ansonsten ja keine direkten Konkurrenten. Zwar sprechen beide Frauen an, doch während „Brigitte“ alle 14 Tage erscheint, mehr auf Familie und Diäten setzt und von Müttern wie Töchtern gelesen wird, widmet sich „Cosmopolitan“, neben Sex, Reisen und Karriere-Tipps gern Mode in der gehobenen Preisklasse. Kleider im Wert von 1000 Euro sind immer wieder zu finden.

Die Frau, die sich überlegt, was den Leserinnen von „Cosmopolitan“ gefällt, ist gebürtige Salzburgerin. Schon mit 13 Jahren, sagt Ulrike Droll, habe sie die erste „Cosmopolitan“ gelesen, und angeblich habe sie damals schon gewusst: Da will ich hin. Sie hatte es eilig, immerhin wollte sie Deutschlands jüngste Chefredakteurin sein. Die berufliche Karriere begann nach dem Volontariat als Redakteurin von „Esquire“. Dann ging alles Schlag auf Schlag: Zwei Jahre „Playboy“, mit 23 Jahren Ressortleiterin bei „Freundin“, weiter zu „Bunte“, und mit 28 Jahren ist es endlich soweit. Droll wird Chefredakteurin von „Mädchen“, ein Blatt, das Ulrike Droll schon als Teenie verschlungen hatte. „Bravo“ durfte sie nämlich nicht lesen – wegen Dr. Sommer.

Jüngste Chefredakteurin Deutschlands ist sie zwar nicht geworden, denn da gab es schon 1992 eine Marion Horn, heute stellvertretende Chefredakteurin von „Bild“, die mit damals nicht einmal 27 Jahren Chefredakteurin der Sexpostille „Wochenend“ geworden ist. Aber immerhin, auch Ulrike Droll hat im März 2001 ihren Chefredakteurstitel und obendrein die „Cosmopolitan“ gekriegt. „Ich war die ganze Zeit sehr getrieben, jetzt bin ich ruhiger geworden und hab’ das Gefühl, angekommen zu sein. Das ist ein schönes Gefühl“, sagt Droll.

Doch am Anfang waren nicht alle von der Neuen begeistert. Als bekannt wurde, dass die „Mädchen“-Chefredakteurin „Cosmopolitan“ führen sollte, sind einige gegangen. „Das tat weh“, sagt sie. Aber dafür konnte sie sich ein Team nach ihrem Geschmack zusammenstellen.

Ratgeberin in den ersten Monaten war Patricia Riekel, Chefredakteurin der „Bunte“. Sie holte Droll 1997 zum Blatt, dem die Promis vertrauen. Riekel hat sie gefördert. „Sie ist die perfekte Mischung aus Kopf und Bauch. Sie weiß genau, was sie will und hat keine Angst davor sich durchzusetzen“, sagt sie ihrer ehemaligen Chefin und heutigen Freundin nach. Und Riekel gibt die Komplimente zurück: „Ulrike hat den Mut, Verantwortung zu übernehmen. Das haben nicht viele Frauen“, sagt sie.

Riekel hat die junge Droll als sehr emotionale Redakteurin in Erinnerung. „Manchmal, wenn sie etwas für richtig empfunden hat, konnte sie langatmig mit einem diskutieren. Das ist für den Chef vielleicht lästig, aber das zeigt auch, dass sie leidenschaftlich ist.“ Dafür nimmt Droll auch Einbußen in Kauf. Sie lebt in einer Fernbeziehung, ihr Freund, ein Arzt, lebt in London. Die gemeinsamen Wochenend-Treffen finden in Berlin statt. Die Lebensweise einer typischen „Cosmopolitan“-Leserin.

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