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Jakob Augstein, 49, verlegt seit 2008 die von ihm gekaufte Wochenzeitung „Der Freitag“. Anfang 2017 holte Augstein Jürgen Todenhöfer als Herausgeber.

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Jakob Augstein und sein Magazin "Der Freitag": Unter linker Flagge

Jürgen Todenhöfer, Tweets zur Gewalt beim G20-Gipfel, die Klage einer freien Autorin: Viel Stress für Jakob Augstein und sein linkes Wochenmagazin „Der Freitag“.

Na bitte, „Deutschland hat einen neuen Staatsfeind Nummer eins: den Linksterroristen, Aktivist oder Randalierer, selbst Gewalttäter genügt nicht. Es muss schon der Linksterrorist sein“. O-Ton Jakob Augstein in der aktuellen Ausgabe des linken Wochenmagazins „Freitag“. Nach den gewalttätigen Krawallen beim G-20-Gipfel, nach der Aufregung um einen Tweet von Augstein, der diese – im Namen von Linken verübten – Krawalle in Hamburg (vermeintlich) gerechtfertigt haben soll – man war schon gespannt darauf, wie der „Freitag“ das alles zum Ende der Woche hin zusammenfasst.

Sagen wir mal so: Es gibt unumstrittenere Blatt- und Meinungsmacher in Deutschland. Wer mit Jakob Augstein, 49, Sohn von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein, spricht, wundert sich mehrfach: zum einen über seine Sicht der Dinge, zum anderen darüber, wie dieser Furor, wie Provokationen mit dem Bild des Naturliebhabers, der in seinem Buch „Die Tage des Gärtners“ zur Gartenarbeit rät, in Einklang zu bringen sind.

"Freitag"-Verleger Jakob Augstein
"Freitag"-Verleger Jakob Augstein

© dpa

Provokation sei ein legitimes Mittel des Journalismus, sagt Augstein. Aber Provokation dürfe kein Selbstzweck sein. „Es geht darum, die Menschen mit überraschenden Argumenten zum Nachdenken zu reizen, auch zum Widerspruch.“ Günter Gaus habe gesagt, keine Frage sei für immer beantwortet. Augstein erschüttere die Nachbereitung dieses Gipfels beinahe so wie sein Verlauf.

„Alle konzentrieren ihre Wut auf die Randalierer und Straftäter. Die Verantwortung für das Chaos liegt bei den Politikern.“ Er habe den Eindruck, dass eine große Zahl der Nutzer den Gipfel und die Gewalt viel differenzierter sieht als der Großteil unserer Medien. „Natürlich handelt es sich hier um eine besondere Form der Gewalt: um politische Gewalt.“

Mit dieser Deutung dürfte Augstein ähnlich viel Widerspruch hervorrufen wie mit der Wahl seines Herausgebers. Vor einem halben Jahr hat Augstein Jürgen Todenhöfer zum „Freitag“ geholt. Der Publizist wird in Medien öfters in die Nähe von Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und gar Antisemiten gebracht. Nun wurde bekannt, dass offenbar eine erkleckliche Anzahl von Mitarbeitern mit der Personalie unzufrieden ist.

Die stellvertretende Chefredakteurin Katja Kullmann ließ ihren Vertrag auslaufen. Sie schreibt im Blog, sowohl als journalistisch wie auch als politisch denkender Mensch halte sie das (mit Todenhöfer) für eine schwerwiegende und bedauerliche Entscheidung: „Unter dieser Flagge möchte ich nicht segeln.“ Textchef Thomas Kaiser, Artdirector Max Sauerbier und eine Reihe von freien Autoren sollen auch den „Freitag“ verlassen, berichtete die „taz“.

„Todenhöfer ist kein Linker. Das muss er auch nicht“

Beim Stichwort „freie Autoren“ fällt überdies der Name Petra Reski. Die Autorin verklagt Augstein wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte im Zusammenhang mit einem Artikel im „Freitag“. Reski sieht ihre Arbeit diffamiert, bezieht sich auf Äußerungen des Verlegers, sie habe der Redaktion Inhalte „untergejubelt“. Hintergrund ist eine MDR-Doku, in der sich ein Mann erkennbar als Mafioso dargestellt sah.

Er klagte, ein Gericht gab ihm recht. In ihrem Bericht hatte Reski den Namen des Mannes genannt und war von diesem juristisch belangt worden. Der „Freitag“ nahm Abstand. Der DJV sprach von einer „Ohrfeige für alle Freien“. Augstein hielt entgegen, Redaktionen seien keine „Rechtsschutzversicherung für mangelhafte Recherche“. Der Fall wird im September vorm Landgericht Hamburg verhandelt. Augstein will dazu jetzt nicht viel sagen.

Umso mehr zu Todenhöfer. „Todenhöfer ist kein Linker. Das muss er auch nicht“, sagt Augstein. „Wir arbeiten sehr gerne mit ihm zusammen und versuchen uns weiterhin am Experiment, seine Facebook-Follower mit unseren Print-Lesern in Kontakt zu bringen.“ Er halte Todenhöfer für einen Pazifisten. „Pazifismus war immer eine sehr unbequeme Haltung. Der Pazifist ist immer unter Verdacht.“ Das Gerede von der rechts-linken Querfront halte er ebenso wie den inflationären Antisemitismus-Vorwurf für den politisch motivierten Versuch, einen unbequemen Denker zu knebeln.

Katja Kullmann, seit dreieinhalb Jahren beim „Freitag, möchte weiter nichts zu alldem sagen. Vielleicht ist es auch gut so. Das linke Wochenmagazin, das linke Projekt soll nicht weiter beschädigt werden. Mit diesem hätte Augstein eigentlich allen Grund zur Freude. Der „Freitag“, gestartet 1990, hat sich seit 2008 mit einer 20 000er-Auflage etabliert. „Unsere Zukunft besteht darin, zu überleben“, sagt Augstein. „Das haben wir offensichtlich geschafft, wir sind aus der Verlustzone raus, ohne darum Gewinne zu machen. Für mich ist das ein großes Glück.“ Ein Glück, das wohl stets mit Widerspruch und Ärger verbunden ist.

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