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Interview mit Ken Jebsen: „Ich habe kein Berufsverbot, ich komme zurück“

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat seinen Moderator Ken Jebsen vor die Studiotür gesetzt. Der wehrt sich gegen seinen Rauswurf. Ein Gespräch über alles, was wahr ist, Radio mit Aufklärungswut, Sendepausen und Träume.

Ken Jebsen, geboren 1966, heißt eigentlich gar nicht Ken Jebsen. Sein Künstlername setzt sich aus dem Mädchennamen seiner Mutter und dem Fantasiekürzel Ken zusammen. Jebsen arbeitet als Reporter und Moderator für Hörfunk und Fernsehen, als Produzent und Schauspieler. Was am 28. April 2001 begann, endete am 23. November 2011: „KenFM“ für Radio Fritz. Der RBB beendete die seit 18 Jahren bestehende Zusammenarbeit. Vorwurf: Beiträge Jebsens hätten nicht den journalistichen Standards des RBB entsprochen, er hätte sich wiederholt nicht an verbindliche Vereinbarungen gehalten. Zuvor hatte der Sender Jebsen gegen den Vorwurf verteidigt, er sei Antisemit und Holocaust-Leugner. Jebsen hatte einem Hörer unter anderem geschrieben, „ich weiß, wer den Holocaust als PR erfunden hat.“

Herr Jebsen, Sie klagen gegen den Rundfunk Berlin-Brandenburg. Was wollen Sie erreichen?
Ich möchte meinen guten Ruf in der Öffentlichkeit wiederhergestellt sehen.

Ihre Anwälte sprechen von Kündigung, der Sender spricht von Trennung. Wie kommt das?

Der Sender geht von einer Auftragsproduktion aus, meine Anwälte und ich sprechen von einer Mitarbeiterschaft. Natürlich sind das Worte. Wichtig ist die Sache: Der Sender will auf keinen Fall länger mit mir zusammenarbeiten. Wobei mich nicht allein die Kündigung empört, sondern vielmehr die Art und Weise der Kündigung.

Eine erfolgreiche Klage gegen eine Kündigung bringt mehr Geld als eine erfolgreiche Klage gegen eine Trennung. Richtig?

Ich möchte betonen, dass Geld für mich nicht im Vordergrund meiner Klage steht. Sonst hätte ich nicht bei Radio Fritz gearbeitet. Für jede komplette Vierstundensendung habe ich 1300 Euro bekommen. Ich habe aus Überzeugung beim Sender gearbeitet, ich wollte das Maximum und Perfektion.

Nicht alle werden „KenFM“ zehn Jahre lang Sonntag für Sonntag gehört haben. Mit welchem Überzeugungskern haben Sie produziert und moderiert?

Erst einmal zur Sendung: Wir sind eine Mischung aus dem Film „Good Morning Vietnam“, dem Film „Radio Days“ von Woody Allen, aus „Zimmer frei“ und „Wetten, dass..?“. Es gibt einen Moderator, der ist ein bisschen verrückt, Langeweile geht nicht, es werden keine Standardfragen gestellt. Auch die Bands und das Publikum, wir senden immer live, können verrückt sein. Es geht immer um ein Thema, das mit dem musikalischen Gast nicht kompatibel sein muss. Zur Überzeugungsarbeit: Wir sind ein öffentlich-rechtliches Programm, und das bedeutet Spaß und Bildung. Die Leute schalten das Radio ein wegen der Musik, aber sie bleiben wegen des Worts dran. Ich möchte junge Leute für Themen interessieren, von denen sie sagen, total langweilig, das sind die Themen meiner Eltern. Ich möchte sie für Demokratie begeistern. Also spreche ich mit Judith Holofernes von „Wir sind Helden“ darüber. Das ist dieser Sozialarbeiter-mit-Presseausweis-Trick.

„KenFM“ gab immer vor, eine Radioshow zu sein, und war tatsächlich ein Polittalk.

Falsch. Wir haben fünf bis maximal zehn Prozent der vier Stunden Sendezeit mit politischen Themen bestritten. Wir waren zu 90 Prozent ein Rock ’n’ -Roll-Magazin, aber bei aller Unterhaltung machen wir auch Politik. Unterhaltung mit Haltung.

Da stellen sich Fragen, die sich aus scharf kritisierten Einlassungen in manchen Ihrer Sendungen speisen. Wer also ist für die Anschläge auf das World Trade Center verantwortlich?

Kommt darauf an, wen Sie fragen. Wenn Sie den „Commission Report“ lesen, dann waren das eine Handvoll Attentäter, die das in einer Höhle geplant haben. Für mich ist der Fall nicht abgeschlossen, es waren mehr Leute beteiligt.

Wer hat den Holocaust als PR erfunden?

Niemand, das habe ich auch nie behauptet.

Warum war es Ihnen wichtig, den Hörern 9/11 und Holocaust und Libyen und Uranmunition um die Ohren zu hauen?

Es geht nicht um die Themen, es geht um die Mechanik dahinter. Und diese Mechanik ist immer ähnlich: Wenn man heute über den 11. September spricht, spricht man auch über den Krieg gegen den Terror. Der ist ja nicht vom Tisch, der hat ja Konsequenzen in allen Bereichen – Finanzen, Einreise in die USA, Pressefreiheit. Es geht um grundsätzliche Fragen, um grundsätzliche Mechanismen. Dafür gilt es ein Bewusstsein zu schaffen.

Heute ist Sonntag, früher gingen Sie da auf Sendung. Was wäre die Agenda für „KenFM“ am 15. Januar 2012?

Mit Sicherheit ginge es um den Bundespräsidenten, um Pressefreiheit. Es ginge spielerisch um „Einflussnahme“. Wir waren ja auch ein Aktionsradio, könnte sein, dass wir versuchen würden, mit zwei Wassertransportern vor Schloss Bellevue einen „Einfluss“ zu machen.

Das Internet ist schuld am Ende von KenFM.

„KenFM“ lief zehn Jahre bei Radio Fritz ohne Beanstandung. Was ist dann passiert, dass die RBB-Spitze am 23. November 2011 den Stecker gezogen hat?

Das Internet wurde erfunden.

Ach.

Das Internet ist ja ein riesiger Speicher, ein unendliches Gedächtnis. Nichts geht verloren, alles kann nachgehört werden. Wir haben gesendet, was wir gesendet haben. Fertig. Jetzt konnten Menschen im RBB hören, was sie live nie hören wollten oder konnten. Wieso war das, was ich gesendet habe, als ich es gesendet habe, kein Problem und wurde ein Problem, als es nachgehört werden konnte?

Klingt gemein. Ihnen wird heute zur Last gelegt, was Ihnen in der Vergangenheit niemals zur Last gelegt wurde?

Ich gehe noch einen Schritt weiter. Den RBB hat das, was ich gemacht habe, nie gestört. Es gibt aber Leute, die dem RBB gesagt haben: Das hat euch aber zu stören!

Wer sind diese Leute?

Unterschiedliche Menschen. Der RBB sagte dann sofort: Stimmt, das müssen wir sofort rausnehmen. Die knicken ein, ich bin ja nicht das erste Beispiel. Der blutige Witz dabei ist: Der inkriminierte Beitrag bleibt trotzdem im Netz, den hat längst einer gespiegelt.

Sind wir jetzt im Bereich der Verschwörungstheorien oder der Fakten?

Im Zwischenreich von beidem. RBB-Intendantin Dagmar Reim hat in ihrer Neujahrsansprache wiederholt, Ken Jebsen hätte sich wiederholt nicht an Absprachen gehalten und journalistische Standards nicht eingehalten. Meine Anwälte, ich, der Rundfunkrat und die Öffentlichkeit warten seit Wochen auf den Nachweis dafür. Hier mischen sich Fakten und Verschwörung auf unheilige RBB-Weise.

Ist Ihre öffentlich-rechtliche RBB-Aufgabe zu einem Ende gekommen?

Sie hat Pause. Im RBB kommen und gehen ja Leute.

Welche Prognose stellen Sie Radio Fritz?

Wenn es dumm läuft, spielen sie nur noch Industriemusik. Wenn es anders läuft, haben sie Persönlichkeiten im Programm, an denen sich die Leute reiben können. Wer mich leiden konnte, der hörte 40 Minuten zu. Wer mich nicht leiden konnte, 80 Minuten. Relevanz entscheidet.

Sie sind seit Ende November nicht mehr auf Sendung. Wie groß ist die Gefahr, dass Sie vergessen werden?

Ich mache ja weiter Beiträge im Internet. Die werden ja abgerufen, ich bekomme Feedback. Die Nutzer und Hörer wollen, dass wir weitermachen. Daraufhin haben wir ein Konto eingerichtet, da ist schon eine Menge Geld drauf. Das ist eine ganz andere Art von demokratischem Rundfunk. Da draußen passiert was, an dem ich teilhaben will.

Spreche ich noch mit dem Journalisten Jebsen oder bereits mit Ken, dem Radio-Missionar?

Ich bin Journalist, kein Parteigänger, kein Missionar. Es gibt aber so harte, unschöne Themen, dass man sie in ihrer Härte darstellen muss. Wenn dann ein Sender sagt, mach doch ein bisschen mehr Unterhaltung, sage ich: Ich kann Welthunger nicht unterhaltend darstellen. Ich will das auch nicht.

Welche Kritik lassen Sie an Ihrer Arbeit, an Ihrer Person zu?

Ich bin nicht unfehlbar, ich mache Fehler. Ich finde es jedoch nicht fair, ganz zum Schluss die Garage aufzumachen und zu sagen: Das, das und das machst du falsch. Das muss am Anfang passieren. Verstehen Sie mich bitte richtig: Ich habe kein Berufsverbot, ich komme zurück – dann aber mit Bild. Mir ist dann egal, wer es nicht ausstrahlen möchte. Jeder, der es sehen will, der kann es sehen. Ich erweitere mein Sendegebiet, ich verkleinere es nicht. I have a dream.

Das Interview führte Joachim Huber.

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