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Für seinen couragierten Einsatz wird Ali Anouzla, 51, am Freitag in Berlin mit dem Raif-Badawi-Award von der International Media Alliance ausgezeichnet. Der Preis wird unterstützt von der Friedrich-Naumann-Stiftung.

© REUTERS

Interview mit Journalist Ali Anouzla: „Ich kämpfe weiter“

Der Journalist Ali Anouzla über den Kampf um Presse- und Meinungsfreiheit in Marokko, seine Inhaftierung und den Raif-Badawi-Award.

Herr Anouzla, während Sie am Freitag in Berlin mit dem Raif-Badawi-Award für couragierten Journalismus ausgezeichnet werden, drohen Ihnen in Ihrer Heimat Marokko bis zu 20 Jahre Haft aufgrund Ihrer kritischen Recherchen. Können Sie dort noch angstfrei als Journalist arbeiten?

Ja, ich lasse mich von solchen Drohungen nicht einschüchtern. Aber es ist ein täglicher Kampf, professionellen und unabhängigen Journalismus in Marokko zu machen.

Wie sieht dieser Kampf aus?
Ich war Chefredakteur einer Tages- und einer Wochenzeitung, die beide quasi erstickt worden sind vonseiten der Regierung. Es gibt in Marokko kein Wirtschaftsmodell, das unabhängigen Journalismus erlaubt, da der Staat über die werbetreibende Wirtschaft wacht. Wir haben keine Anzeigen mehr bekommen und konnten die Zeitungen nicht mehr finanzieren. Deshalb bin ich ins Netz geflüchtet.

Sind die Freiheiten im Internet größer für Journalisten in Marokko?
Erst einmal kostet Online-Journalismus weniger Geld, weil die Druck- und Vertriebskosten wegfallen. Und tatsächlich sind die Freiräume im Netz etwas größer, allerdings ist mein Nachrichtenportal Lakome.com seit September 2013 blockiert von den marokkanischen Behörden, nachdem ich wegen angeblicher Apologie und materieller Unterstützung des Terrorismus fünf Wochen inhaftiert worden war.

Der Fall löste weltweit Empörung aus, nach Protesten von Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, Amnesty International und Human Rights Watch wurden Sie vorläufig freigelassen und haben nun die Seite Lakome2.com gestartet.
Mit dem Namen will ich deutlich machen, dass ich meine Arbeit wie bisher fortsetze. In einem Land wie Marokko, in dem es keine Demokratie gibt, ist es eine Pflicht, unabhängigen Journalismus auszuüben, um demokratische und liberale Ideen weiterzuverbreiten. Leider sind viele Kollegen inzwischen ins Ausland gegangen oder haben den Job gewechselt. Ich will die Meinungsfreiheit aber verteidigen, denn wenn Journalisten diesen Kampf nicht führen, macht es keiner.

Wie aber finanzieren Sie ihre Arbeit?
Wir arbeiten mit einem sehr kleinen Team von fünf Redaktionsmitgliedern. Dazu hoffe ich, dass wir im kommenden Jahr mehr Anzeigenkunden gewinnen können. An den Reaktionen unser Leser sehe ich, dass sie großes Interesse an unserer Arbeit habe.

Wie viele Leser haben Sie?
Als wir mit Lakome2.com am 10. August online gegangen sind, hatten wir rund 100 000 Einzelbesucher auf unserer Seite, jetzt sind es etwa rund 95 000 pro Tag, je nach Nachrichtenlage.

Welche Themen recherchieren Sie gerade?
Eines der großen Themen ist die Verquickung zwischen Wirtschaft und Politik, wir schauen derzeit insbesondere auf die Aktion „Grünes Marokko“ zur Entwicklung des ländlichen Raums, in die auch viel Geld von der EU geflossen ist. Doch davon ist bisher wenig zu sehen. Wir wollen wissen, wo das Geld geblieben ist.

Was kann der Raif-Badawi-Award für Ihre Arbeit bewirken?
In Marokko gibt es viele junge Menschen, die gerne unabhängigen Journalismus machen würden – nur gibt es dafür eben wenige Medien. Der Preis ist deshalb auch ein Zeichen dafür, dass der Kampf für die Presse- und Meinungsfreiheit trotz aller Schwierigkeiten der richtige Weg ist.

Das Gespräch führte Sonja Álvarez.

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