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Überlebenskampf. Im Oktober startet die sechste Staffel von „Walking Dead“ bei Sky. Welchen Sog die Serie entfaltet, zeigt auch der erste Spin-off: „Fear the Walking Dead“.

© picture alliance / dpa

Ich gestehe, ich sehe: "The Walking Dead": Vom Zombie verweht

Wofür? Warum? Wohin? „The Walking Dead“ erzählt von mehr als verfaulter Haut und blökendem Stöhnen. Und ein Ende des Überlebenskampfes ist nicht abzusehen.

Eine Gruppe von Menschen, die nach der Apokalypse als letzte Überlebende in einer Welt bestehen muss, die von Zombies bevölkert wird. Im Mittelpunkt: der Hilfssheriff Rick Grimes, der für sich und seine Mitstreiter eine sichere Zuflucht sucht. Ein Polizist? Ja. Ein Mensch, der für Recht und Ordnung steht? Nicht unbedingt, das ist nicht klar. Das ändert sich ständig, wie vieles im Angesicht der Serie „The Walking Dead“, der Katastrophe, die ständig die Frage nach dem Überleben und den letzten Dingen stellt. Eine Splatterserie, derer man sich nicht schämen muss, dazu später mehr.

Die im Herbst 2010 gestartete US-Serie ist eine Adaption der gleichnamigen Comicbuchreihe von Robert Kirkman. Seit dem TV-Start feiert die Serie nicht nur in ihrem Heimatland Einschaltrekorde. Kirkmann hatte die Zombies aus der Schmuddelecke geholt, in den 1970ern und 80ern galten Zombiefilme eher als Bückware in Videotheken, mal abgesehen von den stilbildenden Schwarz-Weiß-Klassikern George A. Romeros, der mit „Die Nacht der lebenden Toten“ dem Zombie-Genre quasi höhere Weihen verpasst hat.

Auf „The Walking Dead“, gedreht und geschrieben von Frank Darabont („Die Verurteilten“), kann man sich also auch als Liebhaber von feinsinnigeren TV-Serien wie „Six Feet Under“, „Transparent“ oder „Bloodline“ festlegen, ohne gleich als Haudrauf und Dumpfkopf durchzugehen. „Darabont verbindet große amerikanische Traditionen, inklusive des Western, des Dramas getrennter Familienmitglieder und natürlich der postapokalyptischen Geschichte. Er erschafft damit das erste Zombieepos mit ausgedehnten Handlungssträngen, archetypischen Figuren und Bilderwelten, die mit ,Vom Winde verweht‘ wetteifern“, lobt, etwas übertreibend, die „Los Angeles Times“.

Ein Kopf, ein Fuß oder ein Arm..

Eine gewisse Unempfänglichkeit beim Zuschauen braucht es natürlich schon, wenn bei „Walking Dead“wieder einmal ein Kopf, ein Fuß oder ein Arm abgebissen wird oder einer der lieb gewonnenen Protagonisten bei der achten Zombie-Attacke stirbt, nachdem er sieben Angriffe der Untoten noch in letzter Sekunde abwehren konnte.

Für den, der das noch nicht gesehen hat (die Serie wird im Pay-TV bei Sky und bei RTL2 ausgestrahlt), worum geht’s genau in „Walking Dead“? Im Dienst wird Sheriff Rick Grimes (Andrew Lincoln) angeschossen und kämpft um sein Leben. Als er wieder zu Bewusstsein kommt, erkennt er die Welt um sich herum, den Süden der Vereinigten Staaten, nicht mehr. In einem verlassenen Krankenhaus findet er sich wieder und entdeckt nach und nach, dass die Welt in den Wochen seiner Bewusstlosigkeit von wandelnden Leichen überrannt wurde.

Rick gelingt es, sich durchzuschlagen, er findet auf der Suche nach seiner Frau Lori und Sohn Carl eine Gruppe Überlebender. Unter Grimes’ Führung ist die Gruppe auf der Suche nach einer dauerhaften und sicheren Unterkunft. Die Suche nach einem sicheren Ort führt die Überlebenden durch von Zombies überrannte Städte und Wälder, über Highways, zu Militäranlagen und geheimen Forschungseinrichtungen.

Überall, wo die Gruppe hingelangt, hat die Seuche gewütet und nahezu alle Menschen in Zombies verwandelt. Geheimnisse, knappe Vorräte und die ständige Anspannung durch den Überlebenskampf gegen die immer wieder auftauchenden Zombies – gruppenintern als Beißer oder Streuner bezeichnet – machen das Leben nahezu unerträglich. Für einige der erstaunlich gemischten Gruppe stellt sich die Frage nach dem „Wofür noch Kämpfen?“, andere fragen nach dem „Warum?“, ganz abgesehen davon, dass niemand so recht weiß, „wohin?“.

Da heißt es nur noch: überleben

Wer nicht weiß, wohin er will, erreicht mit jedem Schritt sein Ziel. Dieses arabische Sprichwort drängt sich beim Nachdenken über die Frage auf, warum diese Serie die unterschiedlichsten Menschen auf allen Kontinenten seit fünf Staffeln außer Atem hält. Genauso die Frage nach Freundschaft, Loyalität oder der Wertigkeit von Moralvorstellungen angesichts der haltlosen Apokalypse.

Der Schwerpunkt liegt einerseits auf dem Blick, wie sich die Menschen verändern, wenn ihnen ihr gewohntes Leben weggenommen wird und sie plötzlich um Dinge, die sie für selbstverständlich hielten, kämpfen müssen. Moderne heißt ja, immer Neues zu tun, immer aktiv zu sein, alle Möglichkeiten zu ergreifen, die es gibt. Bei „The Walking Dead“ gibt es nicht viele Möglichkeiten. Da heißt es nur noch: überleben.

Aufgrund ihrer immer hoffnungsloser erscheinenden Situation und der wachsenden Skepsis gegenüber Fremden stellt sich bei einigen Mitgliedern sogar eine emotionale Abstumpfung und wachsende Bereitschaft für hartherzige Entscheidungen zugunsten des eigenen Überlebens oder das ihrer Gruppe ein. Es braucht nicht allzu viel Fantasie, um aus dieser scheinbar eindimensionalen TV-Serie Ableitungen zu den Themen der Zeit zu ziehen. Migration, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Inklusion und Abgrenzung, der Sinn demokratischer Prozesse in Anbetracht der Unübersichtlichkeit in der Postmoderne. Wie sollen wir uns untereinander verhalten? Ohne Unterstützung von Regierung, Gesetzeshütern und politischem Anstand – sind wir da wirklich alle gleich?

Und das alles in Comicbuchästhetik

Ewige Fragen. Und das alles in Comicbuchästhetik. Ein Ende dieser Geschichten ist nicht abzusehen. Selbst den besten Fernsehserien wird ja empfohlen, nach der fünften Staffel aufzuhören. „The Walking Dead“ machen einfach weiter. In der nächsten Staffel kämpft die immer kleine gewordene Gruppe Menschen um Rick Grimes weiter ums nackte Überleben, nach ihrer Auseinandersetzung mit dem Governor (gespielt von David Morissey; es hat in Serien selten einen fieseren Antagonisten gegeben, man sehe sich nur die Ermordung der Hauptfigur Andrea an, die der Governor in einer Folterkammer mit einem Zombie einsperrt) sowie den Problemen in der neuen, seltsam beruhigten Zufluchtsidylle Alexandria. Wenn der Splatterfaktor bei der Serie in den vergangenen Jahren auch etwas zurückgegangen ist, um Grimes & Co. herum treiben die Zombies weiterhin zu Tausenden ihr Unwesen.

Im Oktober startet in den USA die sechste Staffel, zeitgleich in Deutschland beim Pay-TV-Sender Sky. Welchen Sog diese Serie entfaltet, beweist auch der erste Spin-off. Die neue Serie „Fear the Walking Dead“, die die Vorgeschichte von „The Walking Dead“ erzählt, schauten sich 10,13 Millionen Amerikaner an. Keine andere Serie im Kabelfernsehen erwischte zum Start jemals eine höhere Zuschauerzahl. Auch das Original war einst vor „nur“ 5,35 Millionen Fans gestartet. Wer weiß, wo diese Serie noch hinführt. Sicherheit für Rick Grimes und seine Gruppe? Nirgendwo, nirgends.

Bisher erschienen in der Serie: „Golden Girls“ (14. August), „The Big Bang Theory“ (23. August).

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