zum Hauptinhalt
No Sex in the City. Issa (Issa Rae, rechts) fühlt sich vom Leben permanent überfordert, ihre beste Freundin Molly (Yvonne Orji) spielt Kummerkasten.

© HBO/Sky

HBO-Serie "Insecure": Farbe bekennen

Weiblich, schwarz, ungeschickt: Issa Rae und ihre HBO-Sitcom „Insecure“, die sich für afroamerikanische Alltagsprobleme interessiert

Von Andreas Busche

Farbenblindheit ist in liberalen Kreisen eine verbreitete Krankheit. Der Rassist sieht überall „Farbe“, er denkt die Welt in Gegensätzen. Trübe werden die Gewässer hingegen, wenn der Blick kulturelle Differenzen einebnet und aus falscher Toleranz unempfänglich wird für soziale oder kulturelle Konnotationen im Alltag. „Wie kann unser Logo rassistisch sein, wenn es doch meine Hand ist, die schützend die armen schwarzen Kinder hält?“, fragt ahnungslos die Leiterin eines Sozialprojekts in einer überwiegend von Minderheiten bewohnten Nachbarschaft von Los Angeles. Dass die Geste auch paternalistisch wirken könnte, ignoriert sie – wie auch die Tatsache, dass der Name des Projekts „We got y’all“ einen vermeintlich „schwarzen“ Straßenslang nachäfft.

Issa verzieht keine Miene. Als einzige Afroamerikanerin im Team ist sie gewissermaßen die Rassismusbeauftragte. Aber sie lässt ihre weißen Kolleginnen und Kollegen vorsprechen – und so entspinnt sich einer dieser klugen Dialoge über kulturelle Repräsentation und „Whitesplaining“, für die die HBO-Serie „Insecure“ seit zwei Jahren von der US-Kritik gefeiert wird. Dieses Arbeitsplatz-Szenario gehört zum Repertoire an Alltagserfahrungen der Hauptfigur Issa, die von der Autorin Issa Rae selbst gespielt wird. Rae will „Insecure“, deren dritte Staffel am Montag bei Sky startet, nicht als autobiografische Sitcom verstanden wissen. Sie betont aber, dass es in ihrer Serie um eine sehr spezifische afroamerikanische Erfahrung geht, die die 33-Jährige im Fernsehen zuletzt vermisst hat.

Goldene Ära des schwarzen Fernsehens

Rae wuchs in den neunziger Jahren mit der Will-Smith-Serie „Der Prinz von Bel-Air“ und der College-Sitcom „In Living Color“ auf. Die Neunziger werden heute als „Goldene Ära des schwarzen Fernsehens“ bezeichnet, bis dahin hatte es in den TV-Networks nur Bill Cosby und die Huxtables gegeben. Aber die schwarze Arztfamilie wies nur wenige Überschneidungen mit der afroamerikanischen Lebenswirklichkeit auf. Anfang der nuller Jahre war der Boom wieder abgeebbt, doch seitdem das lineare Fernsehen zunehmend Konkurrenz von Bezahlsendern und Streamingdiensten bekommt, gibt es ist eine Renaissance von schwarzen Comedy-Formaten. „Insecure“ reiht sich ein in den Reigen von kulturell diversen Serien wie Donald Glovers preisgekrönter Show „Atlanta“ und der Familien-Sitcom „Blackish“, Aziz Ansaris „Master of None“, „The Mindy Project“ der Comedienne Mindy Kaling und „Ronny Chieng: International Student“. Aber auch Dramaserien wie „The Chi“ von Lena Waithe oder die Musikindustrie-Soap „Empire“.

Gemein haben die meisten der Sitcom-Formate, dass ihre Autorinnen und Autoren auch die Hauptrollen spielen; die Ursprünge der „Personality Shows“ liegen in der Stand-up-Comedy und im Internet, wo sich die Autoren erste Meriten verdienten. Auch „Insecure“ hat eine virale Vorgeschichte: Issa Rae entwickelte 2011 die Webserie „Awkward Black Girl“ über ihre Erfahrungen als junge schwarze Frau, die ihre Identität ständig mit den Erwartungshaltungen ihrer Umwelt abgleichen muss. Der Autor Larry Wilmore und HBO wurden schnell auf die Show aufmerksam.

Rae gibt women of color eine Stimme

Rae trifft einen Nerv in der sich rasant diversifizierenden Serienlandschaft. Sie gibt women of color eine Stimme, die sich endlich von den Blicken anderer emanzipieren wollen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den jüngsten Diskussionen um die Figur des indischen Supermarktbesitzers Apu bei den „Simpsons“ wieder, in dem Kritiker heute einen rassistischen Stereotypen erkennen. Man ist sensibler dafür geworden, wer welche Geschichten für wen erzählt. Rae sagte dem „Rolling Stone“, dass sie ihre Serie nicht mit einem weißen Publikum im Hinterkopf geschrieben habe. Der Ansatz klingt exklusiv, ist aber nur der Umkehrschluss der Tatsache, dass sich US-Serien über Jahrzehnte auch nicht für afroamerikanische Alltagsprobleme interessiert haben.

Issa ist auch in der dritten Staffel das awkward black girl – unsicher, nerdig, tollpatschig. Gerade hat sie sich endgültig von ihrem langjährigen Freund getrennt, aber in der Datingwelt fühlt sie sich genauso deplatziert wie im schlecht bezahlten Job als Sozialpädagogin. Emotionale Unterstützung bekommt sie wie immer von ihrer Freundin Molly (Yvonne Orji), die als erfolgreiche Anwältin den Spagat zwischen weißer Berufswelt und schwarzer Identität perfektioniert hat. Molly beherrscht auch die unterschiedlichen Idiome zwischen professionell und casual. Solche Details bis in die Sprache – die rasanten Dialoge und pointierten Alltagsbeobachtungen haben die Qualität und den Rhythmus von Hip-Hop-Texten – machen „Insecure“ zu einer raren Sitcom, die mitten im Leben steht.

„Insecure“, ab Montag auf Sky

Zur Startseite