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Ziel der Expedition: Die Goldene Pyramide.

© Maschinen-Mensch

"The Curious Expedition": In den Fußstapfen der großen Entdecker

In der Welt des PC-Abenteuers "The Curious Expedition" geht es um Schätze und Ruhm. Wie man bei der Entdeckungsreise vorgeht, stellt einem das Spiel allerdings frei.

Am 52. Tag der Expedition stehen die Dinge nicht gut. Das kleine Häuflein Wagemutiger steckt mitten im tiefsten Dschungel fest. Die Goldene Pyramide, Ziel der Tour, muss irgendwo im Osten liegen – nur wo genau, weiß keiner. Abstecher zu Tempeln und Schatzhöhlen haben die Gruppe ausgelaugt: Ein mitreisender Maler rannte fort, ein britischer Soldat wurde vom Tiger gefressen, das einzig verbliebene Maultier bricht unter der Last der Beutestücke fast zusammen. Am Abend des 52. Tages versammeln sich die Abenteurer mit vor Hunger irren Augen ums Lagerfeuer. Einer von ihnen wird die Nacht nicht überleben.

Dramatische Situationen wie diese gibt es in "The Curious Expedition" zuhauf. Das Indie-Game versetzt Spieler zurück ins 19. Jahrhundert, in die Zeit der großen Forschungsreisen. Damals brachen Wissenschaftler und Entdecker nach Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika auf, um den Kontinenten ihre Geheimnisse abzuringen. "The Curious Expedition" ist ein rundenbasiertes Strategiespiel. Man stellt sich ein kleines Team zusammen und erkundet zufallsgenerierte Karten mit Wüste, Dschungel, Sümpfen oder Bergland, die Pixelgrafik erinnert an alte LucasArts-Klassiker.

Momentan befindet sich das Spiel noch in der Entwicklung. Doch die vorläufige Fassung macht schon sehr viel Spaß, sie ist im Browser und auf Steam Early Access spielbar. "The Curious Expedition" ist hochgradig spannend, weil es die Neugier der Spieler permanent kitzelt, zugleich aber das Vordringen in unbekanntes Gebiet mit hohen Risiken verbindet: Die Ressourcen sind knapp, die Team-Mitglieder keineswegs zuverlässig und die Wildnis voller Gefahren. Mit jedem Expeditionstag wächst das Risiko, den Bogen zu überspannen und den Weg nach Hause nicht wiederzufinden. Am Ende droht der permanent death: Wer scheitert, startet also ganz von vorne.

Spieler entdecken die Welt in der Rolle von Darwin, Burton und Co.

Entwickelt wird "The Curious Expedition" vom Berliner Studio Maschinen-Mensch. Riad Djemili und Johannes Kristmann arbeiteten mehrere Jahre für den AAA-Produzenten Yager ("Spec Ops: The Line"), ehe sie ihre eigene Firma gründeten. AAA-Spiele sind die Blockbuster in der Gaming-Welt. "Die Arbeit als Indie-Entwickler ist abwechslungsreicher als in einem großen Studio", sagt Djemili im Interview. "Wir müssen auch kein Spiel produzieren, das sich millionenfach verkauft – deshalb sind wir unabhängig vom Mainstream-Geschmack und können eine Nische besetzen." "The Curious Expedition" ist von unterschiedlichen Werken beeinflusst: von Joseph Conrads Herz der Finsternis und den Romanen Jules Vernes, den Erzählungen H.P. Lovecrafts und auch Point-and-Click-Adventures wie Indiana Jones oder Zak McKracken. Das Spiel steckt voller Ironie und popkultureller Querverweise, behandelt aber auch ernste Themen wie Ausbeutung und Rassismus.

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Die Expeditionen inszeniert das Spiel als Wettlauf um Ruhm und Ehre. Fünf Mitglieder eines piekfeinen Entdeckerclubs treten gegeneinander an, vier davon sind computergesteuert, eines vom Spieler wählbar. Zur Auswahl stehen nicht nur Forscher wie Charles Darwin oder Richard Francis Burton, die tatsächlich Expeditionen leiteten – sondern zum Beispiel auch der Erfinder Nikola Tesla, die Menschenrechtlerin Harriet Tubman und die Reiseschriftstellerin Alexandra David-Néel. Jede dieser Figuren hat spezielle Fähigkeiten, Burton etwa spricht viele Sprachen und kann deshalb besonders gut mit indigenen Völkern kommunizieren. Die fünf Kontrahenten begeben sich nun auf die erste von maximal sechs Expeditionen, die auf einer Weltkarte frei wählbar sind. Wer alle sechs Abenteuer überlebt und dabei die meisten Ruhm-Punkte scheffelt, steht am Ende auf dem Siegertreppchen.

Das Ziel: So viel Ruhm wie nur möglich

Jede Expedition will gut vorbereitet sein. Ausrüstungsgegenstände wie Fackeln, Kletterseile und Whisky sind ein Muss, auch Schokolade und Sprengstoff gehören ins Gepäck. Genauso wichtig ist die Wahl der richtigen Team-Mitglieder: Geistliche heben die Moral, Soldaten steigern die Kampfkraft, während Maler Entdeckungen für das heimische Publikum dokumentieren. Allerdings hat jedes Teammitglied auch seine Macken – zum Beispiel Klaustrophobie, Alkoholsucht oder Aggressivität. Diese Eigenheiten können im Verlauf der Reise zur ernsten Bedrohung werden.

Der bunt zusammengewürfelte Haufen wird sodann in einer zufallsgenerierten Landschaft abgesetzt, deren Topografie erst mit der Zeit sichtbar wird. Das Hauptziel der Expedition ist stets die Goldene Pyramide: Je mehr Gelände man erkundet, desto genauer zeigt der Kompass ihre Position. Wer ordentlich Ruhm einsacken will, muss auf der Expedition aber noch deutlich mehr leisten. Und genau da beginnt der Drahtseilakt zwischen Gier und Vorsicht.

Im piekfeinen "Entdecker-Club".
Im piekfeinen "Entdecker-Club".

© Maschinen-Mensch

Das Risiko erhöht "The Curious Expedition" mit einem Kunstgriff: Jeder Zug über die sechseckigen Felder kostet das Team "sanity" (geistige Gesundheit), treibt es also immer weiter in den Wahnsinn. Die sanity-Kosten hängen von der Unwirtlichkeit des Geländes ab, dichter Regenwald oder Sumpf strapazieren die Nerven deutlich mehr als offenes Grasland. Wer in der Ferne eine uralte Kultstätte oder einen geheimnisvollen Höhleneingang entdeckt, muss sich gut überlegen, ob er den Marsch dorthin in Kauf nimmt – vor allem dann, wenn wilde Tiere die Gegend unsicher machen. Ist die sanity erst einmal auf dem Nullpunkt, beginnt der eigentliche Alptraum: Vormals harmlose Mitreisende werden zu Kannibalen, und Maultiere fangen plötzlich an zu sprechen. Die bizarren Episoden erzählt das Spiel in Textform vor stimmungsvollen Pixelkulissen, aufwendige Animationen braucht es dafür nicht.

Der Faktor sanity hat gleich zwei Vorteile: Er öffnet die Handlung für surreale Episoden und verschlankt zudem die Spielmechanik. Den wachsenden Wahnsinn bekämpfen die tapferen Abenteurer ganz zünftig mit Whisky und Schokolade. Zu geistigen Kräften kommen sie auch, wenn sie an einem Wasserfall zelten oder in einem indigenen Stammesdorf übernachten. Allerdings kann es passieren, dass die Reisenden hier sehr unfreundlich empfangen werden – besonders dann, wenn sie zuvor die örtlichen Heiligtümer geplündert haben.

Statuen und Elfenbein – gut ist, was im Entdeckerclub für Furore sorgt

"The Curious Expedition" stellt Spielern grundsätzlich frei, ob sie als rücksichtslose Ausbeuter oder taktvolle Gäste auftreten. Allerdings ist die Verlockung groß, wie in vielen anderen Spielen, alles an sich zu reißen, was nicht niet- und nagelfest ist. Immerhin sind es genau diese Kunstgegenstände und Ressourcen (Statuen, Felle, Elfenbein), die im heimischen Entdeckerclub für Furore sorgen. Sie lassen sich wahlweise ausstellen oder verkaufen, um die nächste Expedition zu finanzieren. Und dienen damit letztlich dem Ziel, der ruhmreichste aller Entdecker zu werden.

Dschungel, Berge, Seen: die Landschaft des Spiels ist zufallsgeneriert.
Dschungel, Berge, Seen: die Landschaft des Spiels ist zufallsgeneriert.

© Maschinen-Mensch

Wer derart rücksichtslos auftritt, muss allerdings mit Konsequenzen rechnen. Mit jedem Raubzug sinkt das Ansehen bei der indigenen Bevölkerung, bis diese schließlich zu den Waffen greift. Wer Tempel ausraubt, beschwört auch den Zorn der Götter: Ganze Landstriche verwandeln sich in gähnende Abgründe, was das Fortkommen nahezu unmöglich macht. Manch nützlicher Expeditionsteilnehmer entpuppt sich im Reiseverlauf als rassistischer Hetzer, dessen Verbannung aus der Gruppe bleibt jedem Spieler selbst überlassen.

Spieler können auch friedlich an Ruhm gelangen

"Ein solches Spielkonzept ist ein schmaler Grat", sagt Riad Djemili. "Einerseits wollen wir die negativen Seiten der Expeditionen darstellen, zum Beispiel die Ausbeutung indigener Völker. Andererseits müssen wir vorsichtig sein, uns nicht selbst den Vorwurf des Rassismus einzuhandeln." Ziel sei, kontroverse Elemente ins Spiel einzubauen, diese aber nicht von vorneherein als solche zu kennzeichnen, sagt Djemili: "Die Spieler sollen ihre eigenen Schlüsse ziehen." Dass es zu Missverständnissen kommen könne, müsse man in Kauf nehmen. Und auch, dass Spieler in bester Indiana-Jones-Manier vorgehen.

Reisevorbereitungen: das Expeditionsschiff kurz vor der Abfahrt.
Reisevorbereitungen: das Expeditionsschiff kurz vor der Abfahrt.

© Maschinen-Mensch

"The Curious Expedition" bedient sich Abenteuerklischees, um diese zu hinterfragen. Doch wie sieht es mit der alles beherrschen Logik des Spiels aus? "Das Anhäufen von Ruhm bleibt das Hauptziel", sagt Djemili. "Man kann ihn aber auch durch das friedliche Erforschen von indigenen Völkern oder das Entdecken neuer Tierarten sammeln, bei denen die Umwelt nicht im gleichen Maße zerstört wird, wie wenn man einfach Artefakte aus heiligen Grabstätten klaut." Noch dreht man bei Maschinen-Mensch an den Stellschrauben, um "The Curious Expedition" möglichst offen zu gestalten. Die fertige Version des Spiels wird voraussichtlich im August erscheinen. Schon jetzt erlaubt es Spielern, ihre ganz eigenen, unvergesslichen Abenteuer zu erleben.

Mit freundlicher Unterstützung von Zeit Online.

Interview mit Maschinen-Mensch.

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