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Wieder mehr Illusion? Die Brigitte will keine Laien-Models mehr auf dem Cover zeigen.

© Promo

Frauenmagazine: Aschenputtels Abgang

Fast drei Jahre lang zeigte die „Brigitte“ Laien-Models. Jetzt sollen wieder Profis ran. Die Leserinnen werden aufatmen.

Nichts weniger als eine Revolution ruft „Brigitte“ im Januar 2010 aus. Ohne Models will das Frauenmagazin aus dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr erscheinen, die Mode nicht mehr von wesenlosen Geschöpfen präsentieren lassen, sondern von Frauen, die neben Gesicht und Körper auch Name, Alter und Beruf haben, gerne auch mal Falten und rundere Hüften. Individualität statt Austauschbarkeit ist das Ziel. Nicht nur für die Models, sondern auch für die „Brigitte“ selbst. Sie will sich von den anderen Frauenzeitschriften abheben, so die Auflage steigern.

Doch dieses Experiment ist gescheitert. Im nächsten Heft sind wieder Profi-Models zu sehen, gaben die Chefredakteure Brigitte Huber, 48, und Stephan Schäfer, 38, am Donnerstag bekannt.

Entscheidend für die Reform der Revolution ist die Frage, wie Frauen andere Frauen sehen wollen. Wie sie Mode inszeniert sehen möchten. An Frauen, die auch ihre Nachbarin sein könnten? Eine Kollegin oder frühere Schulfreundin? An Frauen wie Susanne Liedtke, 42, Social Media Managerin aus Hamburg, Mutter von zwei Kindern, die in der aktuellen „Brigitte“ Business-Kleidung präsentiert? An Joané Boltman, 29, Kosmetikerin, verheiratet mit einem Anwalt und in Namibia lebend, die für eine Beauty-Strecke zum Thema Schlaf posiert?

Offensichtlich nicht, wie die Zahlen zeigen. Zwar bescherte die „Ohne Models“-Kampagne dem Magazin zunächst viel Aufmerksamkeit, doch das erhoffte Auflagenplus blieb aus. Vielmehr folgte eine Radikaldiät. Fast 22 Prozent weniger Abos verkauft die „Brigitte“ heute, 35 Prozent weniger Exemplare am Kiosk und kommt damit im zweiten Quartal 2012 auf insgesamt 602 000 verkaufte Exemplare.

Sicher ist der Auflagenrückgang durch mehrere Faktoren bedingt, aber die „Ohne Models“-Kampagne dürfte einer sein. Die Idee ging gleich aus mehreren Gründen nach hinten los: Frauen wollen sich in Modestrecken verlieren. Sie wollen davon träumen, wie sie in dem neuen Kleid aussehen, bei welcher Party sie den Hut tragen könnten. Um aber überhaupt ins Träumen geraten zu können, darf nichts Alltägliches stören.

Wenn nun aber wie in der „Brigitte“ jedes Model seine eigene Geschichte hat, wenn ein Einblick in ihr Leben gegeben wird, dann wird das Überirdische plötzlich irdisch. Und vergleichbar.

Ein Profi-Model darf, muss perfekt sein. Keine Cellulite, Pickel, Speckröllchen haben, das ist schließlich ihr Beruf, dafür wird sie bezahlt. Kein Problem.

Sieht die Frau, die Nachbarin, Freundin, Kollegin sein könnte, die einen Beruf und Familie hat, plötzlich so perfekt wie ein Model aus, dann setzt das Frauen noch viel mehr unter Druck. Wie kann es sein, dass die mit 52 kaum Falten hat? Nach drei Kindern Kleidergröße 36? Und Haare, so voll und glänzend, als wäre Intensivkur ein Fremdwort für sie? Wieso schafft sie all das und ich nicht?

„Wir wollten der Schönheit ihre Natürlichkeit zurückgeben“, heißt es in der „Brigitte“-Mitteilung über die Kampagne. Aber viel Natürlichkeit blieb am Ende nicht übrig. Die Laien-Models wurden so perfekt geschminkt, gestylt und ausgeleuchtet wie echte Models. Orangenhaut gab es nie zu sehen, übergewichtige Frauen waren die Ausnahme.

Die „Ohne Models“-Idee war wie Bauch-weg-Unterwäsche: eine Mogelpackung.

In ihrem Editorial zitiert die Chefredaktion Briefe von Leserinnen, bei denen die Kampagne Minderwertigkeitskomplexe auslösten und die sich durch die persönlichen Geschichten von der Mode abgelenkt wurden. Hinzu kommt offenbar, das die Produktion für die „Brigitte“ sehr aufwendig war. Viele Frauen hatten – schließlich sind sie ja berufstätig – nur am Wochenende Zeit, brauchten länger für die perfekte Pose, die ein Profimodel wie auf Knopfdruck abrufen kann, und wurden trotzdem wie ein echtes Model honoriert. Zeit und Geld hat die „Brigitte“ damit also nicht gespart, und dann auch noch an Auflage verloren.

Als Stephan Schäfer deshalb im August von Andreas Lebert den Chefredakteursposten übernahm, war die Ansage zur Absage der Revolution deshalb eine seiner ersten Amtshandlungen. Künftig „werden wir immer dann mit professionellen Models arbeiten, wenn wir glauben, dass es für ein Thema oder auch ein Titelbild besser passt“, schreiben die Chefredakteure. Gleich in der kommenden Ausgabe ist ein echtes Model auf dem Cover zu sehen. Weiterhin soll es aber einen Mix geben, also auch Mode an Laien-Models. „Size-Zero-Figuren werden Sie weiterhin nicht zu sehen bekommen“, versprechen Huber und Schäfer.

Dafür aber: mehr Illusion und weniger Desillusionierung.

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