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Schick gemacht. Musikerin Inga Humpe (.) und Autorin Helene Hegemann ziehe für Arte durch die Berliner Nacht.

© ZDF

Durch die Nacht mit...: „Schau mal, Westbam!“

Für die legendäre Arte-Reihe "Durch die Nacht mit..." gehen Inga Humpe und Helene Hegemann zusammen in Berlin aus – und amüsieren sich dabei gar nicht so prächtig.

Das hat was von einem Versprechen, wenn sich in der Filmreihe „Durch die Nacht mit“ gewissermaßen zwei Szene-Gigantinnen aus Berlin durch die Nacht treiben lassen, die Berliner Nacht, versteht sich: die Musikerin Inga Humpe, die schon lange vor dem Mauerfall in die Stadt kam und zunächst in Punk-und-Neue-Deutsche-Welle-Kreisen auf sich aufmerksam machte. Und die Schriftstellerin und Regisseurin Helene Hegemann, die 2011 mit ihrem Roman „Axolotl Roadkill“ den Literaturbetrieb in Aufruhr versetzte, weil sie sich beim Schreiben groß- und freizügig bei einem anderen Autor bedient hatte.

Sie haben sich überraschend wenig zu sagen

Leider können die beiden Künstlerinnen das Versprechen nicht wirklich halten. Sie haben sich im Verlauf der Nacht überraschend wenig zu sagen, trotz einiger Gläser Wein und Prosecco: nicht in der Paris-Bar, nicht in dem großen alten schwarzen Benz, in dem sie unterwegs sind, nicht in der Volksbühne, wo sie Birgit Minichmayr und Martin Wuttke treffen, nicht in dem Restaurant in der Torstraße in Mitte. Das mag auch dem Altersunterschied geschuldet sein: Inga Humpe ist 58 Jahre alt, Helene Hegemann 22. Humpe wirkt gelassen, ein wenig maskenhaft, Hegemann dagegen scheint nervös zu sein. Sie sieht aus, als wolle sie dauernd mit ihren Fingern im Gesicht herumstreichen, als Ersatz dient ihr das permanente Rauchen von Zigaretten.

"Hier war der Darkroom"

Häufig schiebt Hegemann ihren Sätzen ein „Weißt du!“ oder „Verstehst du!“ hinterher – und Humpe macht häufig den Eindruck, als würde sie nicht so viel wissen und nicht so viel verstehen von dem, was Hegemann ihr erzählt. Zu sehr scheint sie in ihrer eigenen Welt unterwegs zu sein (Künstlerin! Diva!), zu weit von Hegemanns Generation entfernt, auch wenn sie sich vorstellt, „ganz zufrieden zu sein“ mit Hegemann, wäre diese ihre Tochter. „Warst du da eigentlich schon geboren?“ fragt sie, als sie sich Christian Boros’ Privatsammlung im Bunker in Mitte anschauen, einem ehemaligen Techno-Club. „Hier war der Darkroom, hier gab es auch Snax-Parties“ weiß Humpe, also schwule Fetisch-Parties mit Pinkeleinlagen. Aber was soll Hegemann dazu auch sagen, außer dass sie zu der Zeit noch im Kindergarten war?

Hegemann bemüht sich. Aber interessanter ist, wenn Humpe von früher erzählt. Wie sie nach Berlin kam und ein „Weltstar“ werden wollte, aber Madonnas „Material Girl“ sie all ihrer Illusionen beraubte, weil das so verdammt gut war. Auch im Laden der Modemacherin Claudia Skoda geht es tief in die Vergangenheit. Die drei Damen blättern sich durch ein Nachtleben-Bilderbuch von 1974 bis heute. „Ach, die Gudrun“, entfährt es Humpe und meint Gudrun Gut, mit der seinerzeit nicht immer gut Kirschen essen gewesen sei. Der Westbam, „schau mal!“, das Exil, überhaupt die alten Zeiten! Hegemann kann dazu naturgemäß wenig sagen. Sie gesteht lieber, dass sie sich nicht so gut streiten könne und meist in so „ein passiv-aggressives Verhalten“ falle. Was Humpe mit dem denkwürdigen Satz kommentiert: „Beziehungen sind schön und wichtig, weil man dabei nicht die ganze Zeit über sich selbst nachdenken muss.“

Am Ende sind sie auf dem Land

Als auch Hegemann einmal was Denkwürdiges erzählt, nämlich dass sie Sätze aus „Germany’s Next Topmodel“ für ihren Roman „Axolotl Roadkill“ verwandt habe, ist Humpe wieder ganz woanders. Zumindest macht sie den Eindruck, als hätte sie Heidi Klum und besagte Show noch nie gesehen. Am Ende, da sind sie auf dem Land, bei Freunden von Humpe, singen alle noch „Hotel California“ von den Eagles. Es scheint, als würden zumindest in diesem Augenblick, bei diesem Stück aus den siebziger Jahren, jung und alt problemlos zusammenkommen. Gerrit Bartels

Durch die Nacht mit Helene Hegemann und Inga Humpe, Sonntag, Arte, 23 Uhr 15

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