zum Hauptinhalt
Der Autor Sascha Lobo spricht auf der Internetkonferenz re:publica im labore:

© Britta Pedersen/dpa

Digitalkonferenz in Berlin: Selbstexperiment im braunen Sumpf

Auf der re:publica berichtet Internet-Guru Sascha Lobo von seiner Recherche am rechten Rand der Gesellschaft zur Diskurskultur im Internet. Er hat ein paar Vorschläge, wie man sie verbessern könnte.

Sascha Lobo beginnt seine Präsentation mit einem einzigen Wort: #freedeniz. Großer Applaus. Der Begriff, in dem auf die Freilassung des deutsch-türkischen "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel gedrungen wird, umreißt ein bisschen das unsichtbare Motto seines Vortrags: Freiheit.

Dazu passt auch, dass der 8. Mai der Tag der Befreiung und Ende des 2. Weltkriegs ist. Außerdem ist für den 41-Jährigen noch aus einem anderen Grund ein besonderer Tag, erzählt er: Er ist heute genau 10 Jahren auf Twitter. Tusch!

Dann zählt Lobo die politischen Erschütterungen der letzten Monate auf: Das Aufkommen von Pegida und der AFD, die Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten, die fast ein Rechter gewonnen hätte, Brexit, Trump, Erdogan. In Frankreich sind die Wahlen überraschenderweise deutlich gegen Rechts ausgefallen. Die New York Times vermutet, weil es dort kein Fox News gibt.

Der Hass in den Sozialen Medien wächst

Diese Erschütterungen, erklärt Lobo, haben auch etwas mit ihm gemacht. Er bemerkt, dass die Leute in den sozialen Medien immer mehr vom Trollen zum Hass tendieren. Und merkt, dass die Erschütterung auch etwas über ihn selbst sagt.

Deshalb hat er im Rahmen seines Selbstexperiments ein Jahr auf Facebook, in Blogs und Chats mit rund 100 Personen diskutiert, die von ihm als rechts oder rechtsextrem empfunden werden sowie mit rund 20 Leuten aus dem weiteren Bekanntenkreis, die "irgendwie an der liberalen Demokratie zweifeln". Seine "Gesprächspartner" hat er kategorisiert, und zwar in Rechte und Rechtsextreme, sogenannte Rechtsoffene, die einfach nur "ein fehlendes oder lädiertes Immunsystem gegen Rechts haben", Trolle und Ärsche, sehr Wütende und sehr, sehr Wütende, Ängstliche und Besorgte mit den falschen Freunden, ganz normale Konservative, die sich manchmal nur missverständlich ausdrücken, Irritierte und Verstörte und dann noch einige, von denen er nicht weiß, wie die drauf sind.

Insel mit Palme, drumherum braunes Nass

Unter dem Schlagwort "Lösung" erklärt er dann "die Insel der liberalen Demokratie, auf der wir mit unseren Haltungen und Meinungen stehen, und diese Insel schwimmt in einer bräunlichen Brühe, dem Meer des Autoritären". Seine Ausführungen visualisiert er mit einer einfachen Skizze: Insel mit Palme, drumherum braunes Nass. Im Moment, erzählt Lobo, steigt die braune Brühe an, weshalb der Raum auf der Insel immer enger wird. Man rückt zusammen. Auch rechts und links, wo sie mit den Füßen bald in der braunen Brühe stehen. Ehe nun alle in der braunen Brühe versinken, sollen wir "um die Insel kämpfen". Das müsse vor allem an den Rändern passieren, dort, wo die Unentschlossenen, die nicht ganz so Meinungsfesten, Verängstigten und Verwirrten stehen.

Lobo vergisst auch nicht, auf seine TV-Dokumentation "Manipuliert" hinzuweisen, die am 18. Mai um 23.00 Uhr auf ZDFNeo gezeigt wird. Er zeigt einen Ausschnitt, in dem er auf einer Pegida/AFD-Demo mitten zwischen ihn wütend beschimpfenden Demonstranten steht. Zum Schluss stellt er seinem Publikum noch eine Aufgabe: Sie sollen "Weltverbesserung vom Sofa aus" machen. Oder: "Politik machen ohne Hose (optional)". Reden mit Rechts gegen Rechts. Das böte die Chance, sich gegenseitig als Menschen zu sehen und anzufangen, anders miteinander zu reden. Menschen von einer hasserfüllten Meinung zu einer "vielleicht immer noch doofen, aber nicht mehr ganz so rechten Meinung" auf die Insel zurückzuholen. Dass Dunja Hayali mit der jungen Freiheit geredet hat, findet er trotzdem falsch. Mit Funktionären zu reden, führe zu einer "Falle der Normalisierung" und adele die Gegenseite.

Klare Kante und Diskussion

Stattdessen empfiehlt er: "Klare Kante UND Diskussion. Empathie schüren und Zweifel wecken." Das funktioniere wie beim Impfen: Indem man abgeschwächte falsche Fakten verbreitet inklusive der Erklärung, warum sie falsch sind. "Wenn wir etwas gelernt haben" gibt er seinen Jüngern am Schluss mit auf den Heimweg, "dann, dass die Macht des Wortes noch immer Bestand hat. Dass Worte Wirkung haben und Debatten Macht. Also geht raus, um die Insel der Demokratie wieder so groß zu machen, dass die Mehrheit der Leute darauf trockenen Fußes stehen kann." Begeisterter Applaus.

Zur Startseite