zum Hauptinhalt
Viel Abenteuerspielplatz, wenig Auseinandersetzung mit den ernsten Seiten des Dienstes in der Truppe, meinen Kritiker der Imagekampagne auf YouTube.

© Tsp

„Die Rekruten“: Bundeswehr-Imagekampagne auf Youtube

Mit einer Mischung aus Videotagebüchern und Scripted Reality wirbt die Bundeswehr auf Youtube um Nachwuchs. Für die Webserie „Die Rekruten“ muss sie viel Kritik einstecken.

„Ey, Digga, das fängt schon gut an“, sagt Jerome „Der Checker“ Demelius. Der 18-Jährige steht gerade vor einer großen Herausforderung. Er sucht seine Stube, die während der nächsten Wochen seine neue Heimat wird. Jerome „Der Checker“ Demelius ist Bundeswehr-Rekrut und beginnt gerade seine Grundausbildung. Was er erlebt, nimmt er mit seiner Smartphone-Kamera auf. Mit Wissen und Billigung der Bundeswehr, denn sein Videotagebuch ist Teil einer Marketingkampagne, mit dem die Truppe via YouTube ihr Image verbessern will.

Seit der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht wird die Bundeswehr von Nachwuchssorgen geplagt. Mit der Webserie „Die Rekruten“ will sie sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Täglich erscheint ein neues, etwa fünfminütiges Video aus der Grundausbildung. Es ist eine Mischung aus verwackeltem Videoblog und professionell gefilmten Sequenzen. Anreise, Einkleidung, Bettenbau, Sporttest und Alarmübungen – zwölf Wochen lang begleitet die Kamera die Rekruten. Vor allem die Selfies sollen authentisch wirken. Die Clips erreichen mehrere hunderttausend Klicks.

Wirklichkeit oder Satire?

Sascha Stoltenow ist Ex-Soldat und kommentiert in seinem Bendler-Blog.de seit Jahren die Kampagnenarbeit der Bundeswehr: „Für mich ist das zu viel Abenteuerspielplatz und zu wenig ernsthafte Auseinandersetzung mit den ernsten Seiten des soldatischen Dienens.“ Die Bilder erinnern ihn mehr an eine Militärkomödie als an den Einstieg in eine berufliche Karriere. „Nichts gegen Selbstironie“, schreibt Stoltenow, „aber vor allem die Ausbilder machen es dem Betrachter schwer zu entscheiden, ob das Wirklichkeit oder Satire ist.“ Die Clips vom Marinekommando in Parow erinnern an eine „Reality-Doku“.

Die Episoden sind chronologisch aufgebaut und beginnen als Homestory mit der Abreise. Julia Weisshuhn, ebenfalls 18 Jahre alt, kommt aus Kutzleben in Thüringen und wird als „Biker-Queen“ vorgestellt. Ihr Vater steht hinter ihrer Entscheidung: „Ich find’ das gut. War ’ne schöne Entscheidung von dir, dass du bei der Bundeswehr ’nen ordentlichen Beruf lernst.“ Ihre Mutter gönnt ihr den Dienst, denn sie möchte, dass Julia „etwas von der Welt sieht“, Worte über die Gefährdungen des Soldatenberufs verlieren die Rekruten nicht. Ob bei den Eltern ein Bewusstsein vorhanden ist, dass ihr Kind auch als freiwillig Wehrdienstleistender in zwölf bis 18 Monaten zum ersten Auslandseinsatz aufbrechen könnte, wird nicht gezeigt. Auch Bezüge zu aktuellen Themen, die mit dem Arbeitgeber Bundeswehr zu tun haben, fehlen in der Webserie. In die erste Woche der Grundausbildung fällt die Meldung über Probleme bei der Nachbeschaffung von Funkgeräten – einem elementaren Ausrüstungsgegenstand für Soldaten im Auslandseinsatz.

Was gezeigt wird, ist eine makellose Rekruten-Welt. Die Stuben sind auf dem neuesten Stand, nur sechs bis acht Personen teilen sich einen Waschbereich, statt 30 bis 50. Bei dem gezeigten Flachbildfernseher regt sich die Kritik der YouTube-Nutzer. Längst nicht alle Stuben entsprächen dem gezeigten Standard, heißt es unter einem Video. Das SocialMedia-Team von „Die Rekruten“ reagiert prompt. Derzeit sei die Hälfte der 55 000 Stuben mit Fernseher und Kühlschrank ausgestattet. Bis Ende 2018 solle dieser Standard dann für alle erreicht sein.

"Gleich der erste Kopf ab"

Die Ausbilder erscheinen in den ersten Folgen recht zahm. Nichts, was zu sehen ist, würde in den Jahresbericht des Wehrbeauftragten gehören, einmal abgesehen von einer Drohung des Zugführers, dass „gleich der erste Kopf ab“ sei, wenn etwas nicht klappt. In der Dokumentation „Feldtagebuch – Allein unter Männern“ ging es 2001 heftiger zu. Im Blog Augengeradeaus.net schreibt Thomas Wiegold: „Bitte im Hinterkopf behalten: Das ist keine Dokumentarserie im journalistischen Sinn. Sondern ein Produkt der Nachwuchswerbung.“ Sein Fazit: „Jeder andere Arbeitgeber würde auch nicht das in den Vordergrund stellen, was in seinem Laden nicht so funktioniert.“

YouTube-Star LeFloid ärgert, dass die Videos in keinem Verhältnis zu den Produktionskosten stünden. Die Macher hätten entweder ein völlig falsches Bild davon, was auf YouTube angesagt ist, oder es sei „einfach so, wie es aussieht, nämlich hässlich und billig produziert“.

Der Autor war als Offizier der Bundeswehr mehrere Jahre auch als Ausbilder in Grundausbildungseinheiten eingesetzt. Später kamen Auslandseinsätze in Afghanistan hinzu.

Daniel Lücking

Zur Startseite