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Soldaten am Handy. Das Verteidigungsministerium musste für diese Art von Big-Brother-Container in der Technikschule der Marine in Parow zunächst viel Spott einstecken.

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Bundeswehr als You-Tube-Phänomen: Rekruten in Serie

Erfolgreich im Web: Nun soll der Bundeswehr-Hit "Die Rekruten" auch ins Fernsehen kommen. Die Sender müssten eigentlich Schlange stehen.

Es ist ein bemerkenswerter Erfolg auf Youtube: die Frage, wie es mit einigen Rekruten der Bundeswehr nach der Grundausbildung weitergeht. „Aus Rekruten sind Soldatinnen und Soldaten geworden – freut euch auf ein Wiedersehen mit Jerome, Marvin, Lukas & Co.!“ – mit diesen und ähnlichen Ankündigungen haben einzelne Folgen der Webserie „Die Rekruten“ auf Youtube bis zu einer Million Aufrufe. „Die Rekruten“ zeichnet in 90 Folgen von jeweils fünf Minuten die Entwicklung von zwölf jungen Frauen und Männern in der zwölfwöchigen Grundausbildung nach. Offizielle Zielgruppe sind „die 17- bis 25-Jährigen in Deutschland, die sich über ihre Berufswahl Gedanken machen“ – ideale Zielgruppe auch für Realityshows mit entsprechendem Werbeumfeld im Fernsehen.

Wegen der hohen Kosten für die Serie, die im Herbst 2016 startete, stand die Bundeswehr anfangs stark in der Kritik. Das Bundesverteidigungsministerium hatte als Auftraggeber 1,7 Millionen Euro in die Produktion investiert, hinzu kamen 6,2 Millionen Euro für Werbung. Das Verteidigungsministerium musste für diese Art von Big-Brother-Container in der Technikschule der Marine in Parow – Rekruten werden begleitet, drehen selbst mit dem Handy – auch inhaltlich viel Spott einstecken. Die Serie war und ist Teil der Attraktivitätsoffensive, die Ministerin Ursula von der Leyen nach ihrem Amtsantritt Ende 2013 gestartet hatte.

Allerdings brachte die Webserie der Bundeswehr viel Aufmerksamkeit. Die Serie verzeichnete online bislang insgesamt mehr als 44 Millionen Abrufe. Im Ausstrahlungszeitraum konnte eine Erhöhung der Bewerbungen für die Mannschafts- und Unteroffizierslaufbahn von 20 Prozent festgestellt werden, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums dem Tagesspiegel. „Zudem konnten wir 40 Prozent mehr Abrufe auf der Karriereseite der Bundeswehr verzeichnen und 25 Prozent mehr interessierte Anrufer auf unserer Karrierehotline.“ Die „Rekruten“ hätten zum einen vielen Menschen einzigartige Einblicke in die Welt der Bundeswehr vermittelt, zum anderen das Interesse am Arbeitgeber Bundeswehr nachweislich verstärkt.

Der Marine–Standort Parow ist Geschichte, zumindest televisionär

Seltsam nur, dass es dieses zumindest in den sozialen Medien erfolgreiche Format noch nicht ins Fernsehen geschafft hat. Zunächst war geplant, dass der Privatsender RTL II den Bundeswehr-Youtube-Hit ausstrahlt. Dann gab es in der vergangenen Woche einen Rückzieher. „Wir werden die Serie nicht zeigen“, sagte Sendersprecher Martin Blickhan. „Die Rekruten“ sollte laut epd redaktionell bearbeitet und als dreistündige Fernseh-Doku bei RTL II laufen. Das hatte der Sender bereits im Mai bekannt gegeben.

Die Entscheidung gegen das Format, das ursprünglich der Nachwuchsgewinnung bei der Bundeswehr dienen sollte, habe nun rein formale Gründe, betonte RTL-II-Sprecher Blickhan. Das Bundesverteidigungsministerium habe auf einer zeitnahen Ausstrahlung bestanden, die der Sender allerdings nicht einhalten könne.

Das Ministerium bestätigte formale Gründe: Es konnte, so die Sprecherin des Verteidigungsministeriums, kein attraktiver Sendeplatz identifiziert werden. Nach wie vor bestehe aber ein hohes Interesse anderer Sender an der Ausstrahlung des von Spin TV produzierten Weberfolges. „Hierzu stehen wir derzeit in Verhandlungen.“ Für die Fernsehsender wäre die Bundeswehr-Show wegen des großen Werbepotenzials sehr interessant.

Um die kaufkräftige Gruppe der 17- bis 25-jährigen Zuschauer kämpfen alle TV-Stationen, da sie der Werbewirtschaft entsprechende Slots innerhalb der Sendeplätze besonders teuer verkaufen können. Mediavermarkter der Stationen sind nach dem Start der Webserie sehr schnell auf dieses Youtube-Phänomen aufmerksam geworden, scheinen jetzt aber nicht zu wissen, wie und wo das zur TV-Ausstrahlung zu bringen ist.

Sicher ist: Der Marine–Standort Parow ist Geschichte, zumindest televisionär. Im Herbst wird es seitens der Bundeswehr eine weitere Web-TV-Geschichte zur Nachwuchsgewinnung geben, kündigte die Sprecherin an. Es handele sich um ein komplett neues inhaltliches Format. Die Attraktivitätsoffensive geht weiter, auch ohne „Die Rekruten“.

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