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Die Freiländer Max (Ben Münchow, Mitte), Uli (Phil Arnold, 2. von rechts) und Luis (Sebastian Griegel, rechts) provozieren Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links). Sein Kollege Ivo Batic (Miroslav Nemec, 2. von links) hofft, dass die Situation nicht eskaliert.

© BR;Claussen+Putz Filmproduktion

BR-"Tatort" über Reichsbürger: Die Cops der BRD GmbH

Im Münchner „Tatort“ wird das Innenleben der Reichsbürgerszene erkundet. Sind das durchweg gefährliche Wirrköpfe? Wohl eher nicht.

Wie ist das eigentlich, wenn man die Existenz der Bundesrepublik Deutschland schlichtweg nicht anerkennt? Warum bezahlen Menschen Geld, um Deutschland hinter sich zu lassen und als Bürger in einer Art alternativem Staat aufgenommen zu werden? Und glauben sie wirklich, dass der Personalausweis ein Beleg dafür ist, dass wir in einer Deutschland GmbH wohnen, in der der Bürger für „die da oben“ eben nur – „Personal“ ist? Ein System, das man ablehnen muss?

Abzulehnen sind dann schon mal die Ermittler Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec). Die „Tatort“-Kommissare landen in einer dieser sogenannten Reichsbürger-Welten, in der eigene Gesetze gelten. Der Franz und der Ivo, einer abgeklärter als der andere, haben vieles gesehen in ihren 27 Jahren gemeinsamer Dienstzeit. Leute, die ihre Polizeimarke nicht akzeptieren, sind neu. Es ist spannend zu beobachten, wie die beiden reagieren, wenn sie mit den absurden Theorien der „Freiländer“ konfrontiert werden.

Die Menschen, die nahe der tschechischen Grenze leben, haben sich von der Bundesrepublik losgesagt, sie sei doch nur ein Unternehmen, eine GmbH. Kommunenartig leben sie in einem Geflecht aus Verbindlichkeiten, Abhängigkeiten, persönlichen Beziehungen. So wie Florian, der die Buchhaltung geführt hat. Nach einem Streit mit dem Anführer der „Freiländer“ Ludwig (Andreas Döhler) war jener zu seiner Mutter nach München gefahren und wurde dort tot in der Badewanne gefunden.

„Wer einen Mist glaubt, glaubt jeden Mist“

Ein Rache-Krimi mit überschaubarem Spannungspotenzial und den üblichen Frotzeleien zwischen den bajuwarischen Kommissaren. Es geht um mehr. „Freies Land“ ist schon auch eine Art Aufklärungsfilm über die Reichsbürgerszene. Deutsche Gesetze, Behörden und Cops gelten dort nicht. Reichsbürger setzen sich mit allen Mitteln zur Wehr, auch mit Waffen. Laut Verfassungsschutz soll es bundesweit rund 18.000 Reichsbürger geben. Durchweg gefährliche Wirrköpfe? Wohl nicht.

Drehbuchautor Holger Joost und Regisseur Andreas Kleinert erzählen von einer Gruppe, die aus der Gesellschaft gefallen ist, verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Der Krimi „Freies Land“ fragt auch, ob die Reichsbürger das Problem sind oder nicht vielmehr nur ein Symptom einer sich immer weiter zersplitternden Gesellschaft, in der sich immer mehr Menschen abgehängt fühlen.

Dagegen gibt es in diesem „Tatort“ einen seltenen Moment der Verbundenheit und Entschleunigung. Leitmayr sagt zum Dorfältesten Alois am See, mit Bierflasche in der Hand, die Füße im Wasser: „Irgendjemand hat mal gesagt, wer einen Mist glaubt, glaubt jeden Mist.“ Entspanntes Reden über Wahrheit und Verschwörungstheorien. Über die Frage, ob der Eiffelturm wirklich in Paris steht, wenn man ihn nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Dann Schweigen. Der See, die Sonne, der Himmel, Geruch der Holzplanken, Summen der Insekten. Auch das ein Fakt. Der richtige Krimi zur richtigen Zeit.

„Tatort – Freies Land“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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