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Drei Stunden "Grzimek": In der ARD läuft an Karfreitag ein großes TV-Porträt des Natur- und Tierschützers Bernhard Grzimek mit Ulrich Tukur in der Titelrolle.

© ARD Degeto

Bernhard Grzimek im Biopic: Viel Platz für Tiere und wildes Privatleben

Der dreistündige ARD-Film „Grzimek“ an Karfreitag zeigt neben dem Naturschützer Bernhard Grzimek auch das überaus komplizierte Privatleben der TV-Legende.

Warum erst jetzt, 28 Jahre nach seinem Tod? Warum wurde das Leben von Bernhard Grzimek, Deutschlands bekanntestem Tierexperten der Nachkriegszeit, erst jetzt verfilmt? Diese Frage werden sich die Zuschauer unweigerlich stellen, wenn sie am Karfreitag im Ersten den Fernsehfilm „Grzimek“ sehen. Eine andere Frage hingegen werden sie dann mit Leichtigkeit beantworten können: Sind fast drei Stunden für einen solchen Film mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle und weiteren exzellenten Schauspielern wie Barbara Auer als Grzimeks erste Ehefrau Hildegard und Katharina Schüttler als Schwiegertochter Erika und zweite Ehefrau noch angemessen?

Grzimeks Leben bietet mehr Stoff, als der Film verarbeiten kann

„Grzimek“ ist ein langer Film über ein großes Leben. Aus Anlass des hundertsten Geburtstag im Jahr 2009 zeigte das Erste ein eher nüchtern gehaltenes Porträt über den Mann, der den Deutschen mehr als 25 Jahre lang in der Sendung „Ein Platz für Tiere“ verdeutlichte, dass die Menschen nicht allein auf dem Planeten Erde leben. Gezielt nutzte Bernhard Grzimek seine Popularität dafür, um über das Fernsehen Spenden für die bedrohte Tierwelt zu sammeln. Das Leben des 1909 in Oberschlesien geborenen Grzimek bietet mehr Stoff, als Autor Marco Rossi verwerten und Regisseur Roland Suso Richter für den Fernsehfilm umsetzen konnte: Grzimek war Tierarzt, Verhaltensforscher, Zoodirektor. Aber vor allem war er Tier- und Naturschützer, lange bevor diese Begriffe zum Mainstream wurden. Er gehörte zu den Mitgründern des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland.

Durch seine Sendung "Ein Platz für Tiere" wurde Zoodirektor Bernhard Grzimek in den 1960er und 1970er Jahren zur TV-Legende.
Durch seine Sendung "Ein Platz für Tiere" wurde Zoodirektor Bernhard Grzimek in den 1960er und 1970er Jahren zur TV-Legende.

© HR/Kurt Bethke

Grzimek hat sich für wilde Tiere ebenso eingesetzt wie für die Erhaltung der letzten großen Naturgebiete in Afrika. Später kämpfte er öffentlichkeitswirksam gegen das brutale Abschlachten von Robben oder die unwürdige Haltung von Hühnern. Grzimek war ein Workaholic, das sich selbst nicht geschont hat. Und er scheute nicht vor ungewöhnlichen Mitteln zurück: Für den Wiederaufbau des Frankfurter Zoos nach dem Krieg veranstaltete er Filmvorführungen und Modeschauen auf dem Zoogelände. Er schrieb zahlreiche Bücher, später, unter Willy Brandt, folgte sogar ein Ausflug in die Politik. Für den Tierfilm „Serengeti darf nicht sterben“ erhielt er einen Oscar, den ersten, der nach dem Krieg an einen Deutschen ging. Allerdings verunglückte sein Sohn Michael bei den Dreharbeiten mit seinem Flugzeug tödlich.
Bernhard Grzimek hat öffentlich nicht viel Aufhebens um sein Privatleben gemacht. In einer Talkshow bei Alfred Biolek bezeichnete er privaten Tratsch einmal als „unverantwortliche Zeitverschwendung“. Dabei hatte Grzimek nicht nur ein Herz für Tiere. Zwei eigene Kinder, einen Adoptivsohn, zwei uneheliche Kinder, diverse Affären. Fünf Jahre nach dem Tod seines Sohnes heiratet er seine Schwiegertochter Erika.

Der von Roland Suso Richter für Ufa Fiction in Szene gesetzte Film setzt Bernhard Grzimek ein Denkmal, ohne die andere, die selbstbezogene, egoistische Seite zu verschweigen. „Grzimek“ ist ein überaus bewegender Film in seiner Zusammenstellung des öffentlichen und privaten Lebens des Tierschützers. Aber es ist auch ein Degeto-Film der großen Gefühle, in dessen Zentrum Bernhard Grzimek, sein Sohn Michael sowie seine beiden Ehefrauen stehen. Grzimek musste nicht nur den Unfalltod von Sohn Michael verkraften, auch Adoptivsohn Thomas stirbt vorzeitig, er beging Selbstmord. Dass es mit Rochus noch einen weiteren Sohn gegeben hat, erfährt der Zuschauer hingegen nicht. Das wird der anschließenden Dokumentation überlassen. Nach Grzimeks Tod stritten sich die Hinterbliebenen über ein Jahrzehnt um sein Vermögen. Was es mit Grzimeks Mitgliedschaft in der NSDAP und seiner Zugehörigkeit zur SA auf sich hat, die er nach dem Krieg vehement bestritt, wird ebenfalls nicht näher thematisiert.

Ulrich Tukur ist für die Rolle beinahe zu dominant

Ulrich Tukur ist ein überaus erfolgreicher Schauspieler. Seine „Tatort“-Folge „Im Schmerz geboren“, in der er zusammen mit Ulrich Matthes zu sehen ist, erhielt gerade erst einen Grimme-Preis. Eines seiner Markenzeichen ist das licht süffisante Lächeln. Es ist somit leicht nachvollziehbar, warum die Rolle des Frauenlieblings Grzimek gerade mit ihm besetzt wurde. Doch das Engagement hat eine Schattenseite: Vor lauter Tukur bleibt die Hauptfigur des Films nur verschwommen. Wer an Bernhard Grzimek denkt, hört beinahe automatisch seine näselnde Aussprache, die fest mit der professoralen Aura des Tierforschers verbunden ist. Im Film wird hingegen darauf verzichtet, diesen Grzimek-Sound zu imitieren. Die leicht trockene Art der TV-Legende Grzimek wird durch Tukurs warmherzige Ausstrahlung ersetzt. Aber vielleicht musste man das fast dreißig Jahre nach dem Tod von Grzimek auch genau so spielen.

„Grzimek“, Karfreitag, 20 Uhr 15, ARD. Im Anschluss um 23 Uhr folgt eine gleichnamige halbstündige Dokumentation.

P.S. Ein lesenswertes Buch zum Thema von Franziska Torma: Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer - Bernhard Grzimeks Afrikafilme in den Medien der 50er Jahre. Lang, Peter Frankfurt, 2004.

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