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Der Schlüssel zu guten Journalismus: Recherche

© Astrakan Images

Berliner Journalistenpreis: Recherche, die sich auszahlt

Kompetenz, Hartnäckigkeit, Gründlichkeit. "Der lange Atem" ist der renommierteste Journalistenpreis in der Region. Wer ihn gewinnen will, braucht Ausdauer.

Ausgerechnet ein Bayer aus der Oberpfalz! Als Heribert Prantl, langjähriger Chef des Inlandressorts bei der „Süddeutschen Zeitung“, 2007 bei einer Preisverleihung in seiner Laudatio beiläufig vom „langen Atem für Journalisten“ sprach, da wusste Michael Rediske, dass er einen Namen gefunden hat. „Der lange Atem“.

An Ironie ist es zwar kaum zu überbieten, dass der renommierteste Berliner Journalistenpreis auf einen Bayer zurückgeht, aber es passt ja irgendwie auch zu einer Stadt, in der ein mehrwöchiges Oktoberfest auf dem zentralsten Platz stattfindet, in der jeder Spätkauf Augustiner und Paulaner verkauft und in der es nicht nur eine Bayerische Straße, sondern sogar ein ganzes Viertel gibt.

3000 Euro und viel Anerkennung

„Viele beneiden uns für den schönen Namen“, sagt Rediske und ergänzt: „Den haben wir uns vorsorglich sichern lassen.“ Rediske ist Geschäftsführer des Journalistenverbands Berlin-Brandenburg (JVBB), der seit 2007 den „Langen Atem“ an Journalisten und Journalistinnen vergibt, die in Berlin oder Brandenburg leben und arbeiten. Mit 3000 Euro ist der Hauptpreis dotiert, viel wichtiger ist jedoch die Anerkennung, die hinter dem Preis steht. Denn „Der lange Atem“ ehrt Journalisten, die über Jahre zu einem gesellschaftlich relevanten Thema recherchiert und geschrieben haben. Wer den „langen Atem“ gewinnt, hat sich um den Journalismus verdient gemacht.

„Wer eine lebendige Demokratie will, der braucht mehr als nur Verkündungsjournalismus und Emotionslieferanten“, hatte der Ehrengast der vergangenen Preisverleihung, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), in seiner Rede gesagt. Es brauche Journalisten, die mit handfesten Fakten Gerüchte widerlegten.

Über 500 Journalistenpreise gibt es in Deutschland

Genau die will der JVBB ehren. Zwar unken inzwischen nicht wenige, dass es Journalistenpreise wie Sand am Meer gebe (nach Angaben des Informationsdienstes Wissenschaft sind es in Deutschland mehr als 500 Journalistenpreise), aber „Der lange Atem“ unterscheide sich von den vielen, oft nach Männern benannten – wie Theodor Wolff, Henri Nannen, Karl Renner, Otto Brenner, Helmut Schmidt und andere. „Das sind alles nationale Preise, in der Region gibt es sonst keinen spezifischen Preis für Qualitätsjournalismus“, sagt Christian Walther, Vorsitzender des Journalistenverbandes.

Ehrengast im letzten Jahr: Justizminister Heiko Maas.
Ehrengast im letzten Jahr: Justizminister Heiko Maas.

© Sabine Gudath

Gleichzeitig solle der Preis auch Ansporn für die Redaktionen sein. „Wir wollen, dass dort das stattfinden kann, was von Journalismus erwartet wird: Fachkompetenz, Gründlichkeit und Sachlichkeit.“

Inhaltlich sind die Arbeiten dagegen nicht an Berlin gebunden. So gewannen die „taz“-Redakteure Dominic Johnson und Simone Schlindwein den Preis im vorigen Jahr für ihre langjährigen Recherchen über die Hintermänner von Kriegsverbrechen im Kongo. 2015 war der rechtspolitische Korrespondent des Tagesspiegels, Jost Müller-Neuhof, für seinen langen „Kampf um Akteneinsicht beim Staat“ geehrt worden. Ein Kampf, der noch nicht vorbei ist – aktuell fordert Müller-Neuhof das Kanzleramt gerichtlich auf, Hintergrundrunden der Kanzlerin öffentlich zu machen. Der lange Atem ist ihm durch die Preisverleihung nicht abhanden gekommen.

"Wir wussten nicht, ob der Preis die ersten drei Jahre übersteht"

Auch die Organisatoren des Preises haben Ausdauer bewiesen. „Wenn man so ein Projekt startet, dann weiß man nie, ob es die ersten drei Jahre übersteht“, sagt Rediske. Doch der Start gelang. Zur ersten Preisverleihung 2007 im Tempodrom erschien der damals Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und gab dem Preis damit die nötige Aufmerksamkeit. Im Jahr darauf wechselte die Veranstaltung ins Radialsystem direkt an der Spree. „Wir dachten, besser geht’s nicht – da haben wir uns aber getäuscht“, sagt Rediske. Seit ein paar Jahren wird in der Akademie der Künste mit Blick aufs Brandenburger Tor gefeiert. Einen besseren Ort für einen regionalen Preis als im Herzen Berlins gebe es wirklich nicht mehr, sagt Rediske.

Seit einigen Jahren wird der Preis in der Akademie der Künste verliehen.
Seit einigen Jahren wird der Preis in der Akademie der Künste verliehen.

© Sabine Gudath

Auch Sponsoren sind von Anfang an dabei. „Unternehmer von hier haben ein Interesse an Qualitätsjournalismus, schließlich wollen sie in den Medien auch richtig dargestellt werden“, sagt Rediske. Die diesjährige Trophäe (siehe unten) hat die Berliner Stadtreinigung (BSR) aus recycelten Jalousieresten hergestellt. Eine nachhaltige Trophäe für einen Preis, der nachhaltige Arbeiten auszeichnet.

"Die Wächter-Funktion ist einzigartig"

„Richtig viel Arbeit“ mache auch die Wahl des Gewinners, sagt Dagmar Engel. Die Chefredakteurin der Deutschen Welle hat seit Jahren den Juryvorsitz inne. Zusammen mit sieben erfahrenen Journalisten, darunter Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff, hat sie in den vergangenen Wochen die Beiträge der Nominierten gesichtet. Teilweise mehrere Ordner pro Bewerber. „Die Kolleginnen und Kollegen haben es verdient, dass wir uns intensiv mit ihren Recherchen auseinandersetzen“, sagt Engel und betont: Nicht die Dauer der Recherche sei ausschlaggebend für die Entscheidung . „Die Qualität ist entscheidend.“ Diese sei in den vergangenen Jahren konstant hoch geblieben. „Es war dieses Jahr eine schwierige Entscheidung“, sagt Engel. Verdient hätten den Preis alle Nominierten, da sie mit ihrer Arbeit das Besondere des „langen Atems“ verkörperten. „Hier wird die Wächter-Funktion des Journalismus – im ursprünglichen Sinne von dauerhaft wachen, aufpassen – gewürdigt. Das ist einzigartig.“

ALEX Berlin wird die Preisverleihung auch live im TV und im Stream ab 19.35 Uhr übertragen. Den Stream finden Sie hier.

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