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Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bei "Anne Will"

© dpa/NDR/Wolfgang Borrs

ARD-Talk "Anne Will" zur CDU-Chefin: Das Schulmeisterliche muss Kramp-Karrenbauer noch ablegen

Bei Anne Will diskutierte die neue CDU-Chefin mit weiteren Gästen über den Kurs ihrer Partei. Ganz klar wurde nicht, wohin es geht.

„CDU mit neuer Chefin – reicht das für einen Neustart?“ Unter diesen Titel hatte Anne Will am Sonntagabend ihre Sendung gestellt, und es war die richtige Frage, denn keine andere wird seit dem Ende des Hamburger Parteitages des CDU hitziger und kontroverser diskutiert. Inzwischen nämlich haben die Journalisten und die Spin-Doctoren, die politischen Influencer und die Kulissenflüsterer sich des Themas angenommen, die Ergebnisse gewertet und die Debatte auf zwei Extrempositionen verkürzt:

Entweder hat mit der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur neuen CDU-Parteivorsitzenden der Kurs der Mäßigung und der Rationalität Bestätigung erfahren, und AKK’s Kunst wird darin bestehen, dem konservativen und wirtschaftsliberalen Flügel angemessenen Einfluss zu verschaffen, um eine Spaltung der Partei zu verhindern.

Oder der schmale Sieg Kramp-Karrenbauers ist, mit Distanz betrachtet, eine Niederlage, denn die Anhänger Friedrichs Merz’s und Jens Spahns werden nun alles daran setzen, den Kurs der CDU ins Marktliberale und Wertkonservative zu wenden und  die Stellung der Kanzlerin auf Abruf, also Angela Merkels, so zu untergraben, dass die eher schneller als von ihr selbst erhofft zurücktritt und das Feld freimacht – wem?

Anne Will hat neben AKK, die gerade noch verkündet hatte, sie werde der Kanzlerin schon Paroli bieten, wenn das im Interesse der Partei sei, Martin Schulz platziert, den Kurzzeit-Hoffnungsträger der SPD, der als Kanzlerkandidat gescheitert war und sich in einem letzten Akt der Verzweiflung ins Auswärtige Amt retten wollte – was ihm seine Partei zu recht verwehrte.

Dann war da noch Wolfgang Kubicki, der stellvertretende FDP-Vorsitzende aus Schleswig-Holstein, wo eine Jamaika-Koalition reibungslos, weil ohne Windmacher arbeitet. Und zwei Journalisten: Christiane Hoffmann vom "Spiegel", nüchterne Realistin, und Gabor Steingart, der in seinem „Morning briefing“ von seiner glühenden Begeisterung für Friedrich Merz in schöner Offenheit keinen Sendetag ein Hehl gemacht hatte.

Warnung vor Dolchstoßlegenden

Nun wissen wir, warum AKK das Potential hat, eine Führungsfigur von morgen zu sein, und warum die große Zeit des Politikers Martin Schulz vorbei ist, denn die tiefe Resignation über seine Wahlniederlage, und alles, was danach kam,  prägt den einstigen sozialdemokratischen Hoffnungsträger erkennbar bis heute. Er, der mit 100 Prozent von seiner Partei auf den Schild gehoben worden war, wünscht nun Kramp-Karrenbauer die Loyalität all derer, die sie nicht gewählt haben. Dabei kann die Christdemokratin, selbst wenn alle Merz- und Spahn-Anhänger gegen sie die Messer wetzen würden, nicht so tief fallen, wie der einstige Hoffnungsträger der SPD nach der Wahlniederlage. Im Verschleißen von Führungspotential ist keine Partei gnadenloser als die SPD.

Wolfgang Kubicki, der stellvertretende FDP-Vorsitzende, gab an diesem Abend die Rolle des alten Löwen, der nicht weiß, ob es der richtige Ort zum Kampf ist, oder ob er sich nicht besser seiner Müdigkeit hingeben sollte. AKK jedenfalls war sehr wach, etwa, als sie leidenschaftlich und dennoch glasklar Gabor Steingart, dem ausgewiesenen Merz-Parteigänger, wie aus dem Lehrbuch erzählte, was es bedeutet, ein Kohle- und Stahlland wie die Saar aus einer tiefen Konjunkturkrise  heraus zu führen.

Ganz wach war auch die Spiegel-Redakteurin  Christiane Hoffmann, die der neuen CDU-Chefin die Warnung auf den Weg gab, sie möge auf die Unterlegenen vom CDU-Parteitag achten, weil die nämlich schon Dolchstoßlegenden vorbereiteten – wo doch tatsächlich Merz an einer schlechten Rede gescheiterte sei, während AKK von einer sehr guten profitiert habe.

Wo es für Annegret Kramp-Karrenbauer kritisch werden könnte, wurde auch deutlich, obwohl es auf den ersten Blick nur ein Randthema war. Das ist der  Umgang mit dem Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches und der Frage, ob es Ärzten und Ärztinnen verboten ist, darauf hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. AKK drückte sich hier erkennbar um eine Formulierung, aus der man hätte entnehmen könne, dass sie sich der Relevanz der Auseinandersetzung bewusst ist.  Sie wird begreifen müssen, dass dies zum möglichen Bruchpunkt der derzeitigen Koalition werde könnte.

Insgesamt: AKK muss das Schulmeisterliche in den Griff bekommen, und sich selbst überlegen, wohin sie die Union eigentlich führen will. So ganz klar wurde das am Sonntagabend nicht. Dass sie führen will, aber schon. Wie das mit dem „kann“ klappt, werden wir sehen.

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