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Zwei Kandidaten für den Goldenen Bären? Die Kommissare Rubin und Karow (Meret Becker, Mark Waschke) auf Rotem Teppich – ohne Kreischalarm, mit Sondergenehmigung.

© rbb/Reiner Bajo

ARD-Krimi am Sonntag: "Tatort" goes Berlinale

Mit dem "Taxi Driver" durch Berlin: Fünf Gründe, warum es sich lohnt, am Sonntag den experimentellen „Tatort“ zu schauen, der auf der Berlinale gedreht wurde.

Eigentlich sollte es ja weniger Experimente im „Tatort“ geben. Weniger Ermittler à la Ulrich Tukur, die mit ihrem Tumor im Kopf sprechen, weniger Krimi-Folgen im reinen Dialekt à la Ludwigshafen Pah, hat sich der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) gedacht.

Was die anderen können, können wir auch, und seine Ermittler Meret Becker und Mark Waschke einen „Tatort“ auf der Berlinale drehen lassen. Die beiden in einen schwindelerregenden Krimi geschickt, der im Blitzlichtgewitter am echten Roten Teppich beginnt, in den Kinosälen rund um den Potsdamer Platz fortgesetzt wird, Kino-Klassiker wie „Taxi Driver“ zitiert, und eine Verschwörungsgeschichte aus der jüngeren bundesrepublikanischen Geschichte um den geheimen Geheimdienst „Operation Gehlen“ draufpackt. Ganz schön dicke.

Film im Film

Der Krimi spielt zur Zeit der Internationalen Filmfestspiele in Berlin, wo ein Kinothriller Uraufführung feiert, dessen Handlung exakt den Fall erzählt, den die beiden Ermittler gerade untersuchen. Zu Beginn landet ein Päckchen mit einem abgeschnittenen Finger im Präsidium. In einem Lager finden Rubin (Becker) und Karow (Waschke) die Leiche einer Prostituierten.

Das Paket führt sie zu einer Filmproduktion und dem Film „Meta“, der eben auf der Berlinale Premiere feiert. Die Fahnder holen den Regisseur (Isaak Dentler) aus dem Publikum. In seinem Film wird der Mord an einer Prostituierten geschildert, es gibt darin auch zwei Polizisten, wie Rubin und Karow.

Unerhörte Hintergründe

„Tatort“-Fans wissen: Wer so schnell verdächtigt wird (wie dieser Regisseur und dessen dubioser Drehbuchautor), kann nicht Täter sein. Verdächtige kommen aus ungeheuren Ecken. Drehbuchautor Erol Yesilkaya hat sich die Vorgeschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) angeschaut.

Die „Organisation Gehlen“ war ein im Juni 1946 von US-Behörden in der amerikanischen Besatzungszone aus deutschem Personal gebildeter Nachrichtendienst. Er bestand aus ehemaligen Angehörigen der zwölften Abteilung des Generalstabs des Heeres, der Abteilung Fremde Heere Ost. Die „Organisation Gehlen“ war Vorläuferin des späteren BND. In diesem „Tatort“ deutet manches darauf hin, dass es diese „Organisation Gehlen“ immer noch gibt, inklusive Auftragsmorde. Dummerweise auch mit Interesse an Kontakten im Rotlichtmilieu.

Kollegen, bloß keine Kumpel

Existiert diese Organisation wirklich noch? Eine Frage, die das Ermittlerteam – eines der spannendsten im „Tatort“-Kosmos – in seinem siebten Fall zu schaffen macht. Rubin, die alleinerziehend genug mit ihrem Sohn zu tun hat, sieht den Prostituierten-Mord mit Täter aus der Filmproduktion schnell aufgeklärt, Karow verbeißt sich hingegen in die Geheimdienstgeschichte.

Ein hübscher Gegensatz, der in horizontaler Erzählweise weiter entwickelt werden müsste. Hier Rubin mit privaten Problemen, die um Freundschaft mit ihrem Kollegen buhlt, dort der Einzelgänger Karow, der einen auf „Taxi Driver“, einsamer Großstadtwolf, macht und versucht, Prostituierte zu retten.

Das Zwiebel-Prinzip

Der „Tatort“ wurde im Februar 2017 auf der Berlinale mit Sondergenehmigung gedreht. Alles ist anders, sogar Vor- und Abspann des ARD-Krimi-Klassikers. Das Ganze wirkt schon auch ziemlich verkopft, überkonstruiert, ein Spiel mit Fiktion, Meta-Fiktion und Wirklichkeit/Berlinale. Ein Zwiebel-„Tatort“, ein Krimi, der größer sein will als die Wirklichkeit und sich manchmal auch daran verschluckt. Immerhin: Hier gibt es mal keinen Kreischalarm am Roten Teppich, was ganz angenehm ist. Die Schauspieler gehen sehr entspannt in den Filmpalast.

Der wilde Regisseur

Wie gesagt, eigentlich sollte es weniger „Tatort“-Experimente geben. Dass der RBB Regisseur Sebastian Marka ran lässt, Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg, der schon einen wilden Tukur-„Tatort“ gemacht hat, ist ganz im Sinne des Wiesbadener Fahnders: „Wer den Zuschauern ständig Brei vorsetzt, riskiert, dass sie ihre Zähne verlieren. Man muss auch mal kauen! Sonst verreckt das Format an sich selbst.“

„Tatort - Meta“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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