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Das ehemalige Reichsluftfahrtmuseum in der Wilhelmsstraße, das den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstand, ist heute Sitz des Finanzministers.

© RBB

ARD-Dokumentation: Görings Ministerium: Zentrale der Macht

Luftfahrtministerium, DDR-Gründungsort, Treuhandanstalt, Finanzministerium. Eine ARD-Doku am Montag über die wechselvolle Geschichte eines gigantischen Berliner Gebäudekomplexes.

Viele Berliner Gebäude haben eine lange und mitunter auch erschreckende Geschichte, dies gilt insbesondere für jene Macht- und Prunkbauten aus der Zeit des Nationalsozialismus. Einige Monumentalbauten wie das Olympiastadion oder der ehemalige Flughafen Tempelhof – einst das größte Gebäude der Welt – stehen heute noch. Andere, wie Hitlers Reichskanzlei, sind so zum Inbegriff des Bösen geworden, dass sie nach Kriegsende dem Erdboden gleichgemacht wurden. Dieses Schicksal ist dem 1935 von Hermann Göring eingeweihten Reichsluftfahrtministerium erspart geblieben. Es überstand selbst den Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges weitgehend unbeschadet und spielte sowohl in der DDR als auch im wiedervereinigten Deutschland eine bedeutende Rolle, wie die Dokumentation „Görings Ministerium – Geschichte einer deutschen Machtzentrale“ am Montagabend im Ersten erzählt.

Nicht schön, sondern einschüchternd

Eine architektonische Schönheit war der Ministerialbau nie, wie nahezu alle Protzbauten des Nationalsozialismus diente es der Einschüchterung. Doch allein seine Dimension rechtfertigt die nähere Betrachtung, die Gabriele Denecke vorgenommen hat. Mit 2000 Räumen und insgesamt sieben Kilometer Fluren ist es das größte Bürogebäude Deutschlands. In nur 18 Monaten Bauzeit entstand der Gebäudekomplex, in den 1000 Einfamilienhäuser passen würden. Hier wurde der Überfall auf Polen mitgeplant und vor hier aus wurde der Luftkrieg gegen England befehligt. Aus Görings Machtzentrale agierte insgeheim auch der Widerstand. Von 1941 bis zu seiner Enttarnung informierte Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen als Mitglied der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ die Sowjetunion über die bevorstehende Invasion, die Stalin zunächst für eine Desinformation hielt, wie der vom RBB für das Erste produzierte Film erinnert.

Comic-Stil-Nazis

Auf das Nachspielen von historischen Ereignissen mit Schauspielern, das so genannte Reenactment, verzichtet die Doku und greift dafür auf Clips mit Zeichnungen im Comic-Stil zurück. Dass dies sogar dann zulässig und aussagekräftig ist, wenn es um die Ausbeutung und Ermordung von Juden durch die Nazis geht, hatte der US-Cartoonist Art Spiegelman gezeigt. Zumeist wird in der Doku aus der Reihe „Geheimnisvolle Orte“ jedoch Archivmaterial über den imposanten Bau an der Wilhelmsstraße verwendet. Daran gibt es keinen Mangel, nicht aus der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch nicht aus der Nachkriegszeit.

Zeichnungen und Zeitzeugen

Soweit möglich kommen zudem Zeitzeugen zu Wort. Sie berichten unter anderem, wie im Oktober 1949 im Großen Festsaal des ehemaligen Nazi-Ministeriums die Gründungsfeier der DDR stattfand. Oder was man als Angestellter im Haus der Ministerien empfand, als die Demonstranten beim Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum Sitz der Staatsführung zogen und sämtliche Scheiben des Gebäudes einschlugen. Seit 1990 ist die DDR Geschichte. Zu ihrem Untergang gehört auch das Kapital Treuhandanstalt, die hier ebenfalls ihren Sitz hatte. 4000 Unternehmen hat sie abgewickelt, an die ehemaligen Beschäftigen wurde dabei oftmals zu wenig gedacht.

Seit 2004 ist Görings ehemaliges Ministerium der Sitz des Finanzministers. Den Schrecken hat das Gebäude damit verloren. Eine Machtzentrale, in der bedeutende Entscheidungen für Deutschland und Europa getroffen werden, ist es jedoch nach wie vor. Kurt Sagatz.

„Görings Ministerium – Geschichte einer deutschen Machtzentrale“, ARD, Montag, 23 Uhr 30

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