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Vorbereitung auf die journalistische Arbeit mit Großereignissen wie der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vor gut drei Monaten, deren Ausgang hier im Newsroom des Tagesspiegels verfolgt wird. Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz haben angehende Journalisten heute so viele Möglichkeiten wie selten.

© Kai-Uwe Heinrich

Angehende Journalisten: „Die Besessenen lassen sich nicht abschrecken“

Journalistenschulen sehen optimistisch in die Zukunft – und eine „Reporterfabrik“ ebnet den Weg in eine redaktionelle Gesellschaft.

Für eine renommierte Tageszeitung schreiben, Nachrichten online stellen, Neuigkeiten via Twitter und Facebook verbreiten oder gar einen Recherche-Scoop landen – der Beruf des Journalisten hat an Faszination nichts eingebüßt. Er unterliegt allerdings einem ständigem Wandel, gerade auch durch die Etablierung der neuen Medien, Stichwort „Bürgerjournalismus“. Wer im Journalismus Fuß fassen möchten, hat verschiedene Zugangsmöglichkeiten: Studium, Volontariat und Ausbildung an einer Journalistenschule. Ein Überblick.

Die Deutsche Journalistenschule (DJS) in München ist die Journalistenschule in Deutschland. Dort wird zukünftig Henriette Löwisch die Leitung übernehmen. Löwisch, Alumna der 25. Lehrredaktion der DJS und noch bis Juli als Journalistik-Professorin an der Universität von Montana für das dortige Mantelprogramm für Umwelt- und Wissenschaftsjournalismus zuständig, entdeckte bereits in ihrer Zeit als Chefredakteurin von Agence France-Presse Deutschland (AFP) ihre Leidenschaft für den journalistischen Nachwuchs. Sie bereitete junge Journalisten auf Auslandseinsätze vor und vermittelte Redakteuren und Volontären in Workshops journalistische Standards und Techniken.

So viele Möglichkeiten wie selten

Angehende Journalisten auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz haben heute so viele Möglichkeiten wie selten. Das spiegelt sich in der Bandbreite der Angebote, aber auch an den Bewerberzahlen der Journalistenschulen wider. Diese sind noch immer auf einem hohen Niveau, entwickeln sich jedoch seit Jahren bei den meisten Schulen rückläufig. Dabei ist die Zahl der Ausbildungsplätze nahezu konstant geblieben. Fragt man Sylvio Dahl, Geschäftsführer der ems Potsdam, wie sich die Bewerberstruktur verändert hat, bleibt ihm aus früheren Jahrgängen der ems besonders deren hohe Allgemeinbildung und besondere Belastbarkeit positiv in Erinnerung.

Auch die aktuelle Generation trage mit ihren technischen und kommunikativen Fähigkeiten zur überdurchschnittlichen Qualität der Bewerbungen bei. An der RTL Journalistenschule in Köln stellt Geschäftsführer Leonhard Ottinger ebenfalls einen Generationswechsel im Mediengebrauch fest: „Unsere Bewerber werden zwar jünger, gleichzeitig hat sich aber das Erfahrungsspektrum merklich erweitert. Während vor einigen Jahren noch Praktika und Tätigkeiten als studentische Hilfskraft zu den Vorkenntnissen zählten, sind viele heute auch mit eigenen Youtube-Kanälen unterwegs und probieren mehr im Digitalen aus.“

Neben dem klassischen Handwerkszeug in Print und Fernsehen nimmt in der Ausbildung besonders der Cross-Media- und Online-Bereich einen wichtigen Stellenwert ein. Jüngstes Beispiel: die „Reporterfabrik“, die „Spiegel“-Edelfeder Cordt Schnibben gemeinsam mit Correctiv-Macher David Schraven gründen will, eine Art Online-Journalistenschule „für jeden“. Finanzieren soll sich die Web-Akademie aus Spenden und Stiftungsgeldern. Mit dem Start-up soll „durch die Qualifizierung von Nicht-Journalisten und Journalisten“ der Weg in eine „redaktionelle Gesellschaft“ begleitet werden.

„Online is always“, schreibt mittlerweile sogar die DJS, die älteste deutsche Journalistenschule, auf ihrer Website. Unter dem jetzigen Schulleiter Jörg Sadrozinski wurde der Lehrplan auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorbereitet. Von der anfänglich überschwänglichen Begeisterung für den Online-Journalismus ist man zurückgerudert, wie Andreas Wolfers, Leiter der Henri-Nannen-Schule in Hamburg, festgestellt hat: „Wenn ich mit Kollegen aus Online-Redaktionen über neue Formate und Technologien rede, höre ich häufiger als früher: Bloß nicht verzetteln! Das Entscheidende bleibe: ein gutes Themengespür, präzise Recherche und der richtige Umgang mit Sprache.“

Angesichts des hart umkämpften Markts ist unter den Journalistenschulen wenig Konkurrenzdenken zu spüren. Die Schulen stehen im Austausch und organisieren Seminare. Im vergangenen Sommer haben elf von ihnen mit der „Charta der Journalistenschulen“ einen gemeinsamen Schritt in der Qualitätssicherung getan. Anläufe gab es zehn Jahre zuvor, doch die Ausrichtungen der Schulen, die zum Teil an große Medienhäuser wie Axel Springer oder Hubert Burda Media gebunden sind, brachten sie nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Aufgrund der jüngsten Debatten zum Qualitätsjournalismus schien der richtige Zeitpunkt gefunden. „Diese Charta dient als Orientierungshilfe, nicht nur für Nachwuchsjournalisten auf der Suche nach der optimalen Ausbildung, sondern auch für uns“ sagt Andreas Wolfers.

Die Berliner Journalisten-Schule (BJS) gehört nicht zu den Unterzeichnerinnen der Charta. Geschäftsführer Joachim Widmann sieht diese Vereinbarung kritisch: „Aus unserer Sicht sind in der Charta Selbstverständlichkeiten festgeschrieben worden.“ Seiner Einschätzung nach bieten die ethischen Grundsätze des Presserats und die klassischen Qualitätskriterien des Journalismus genügend Orientierung für die Arbeit der Schulen. Die Charta soll nach dem Willen der Unterzeichnenden kontinuierlich weiterentwickelt werden, denkbar sind verbindlichere Standards für Einrichtungen der journalistischen Weiterbildung.

Ein Wandel ist auch an anderer Stelle absehbar: Die Unterscheidung zwischen Print und Digital soll in Zukunft der Textjournalismus ersetzen, statt vom klassischen Fernsehen spricht man in Köln lieber vom Bewegtbild. An der DJS setzt man mit der neuen Leitung auf den Blick über den Tellerrand: „Henriette Löwisch ist eine sehr qualifizierte Journalistin und sie besitzt große Erfahrung in der Journalistenausbildung. Diese Doppelqualifikation prädestiniert sie für die Leitung einer der Top-Ausbildungsstätten für Journalisten“, sagt Volker Herres, ARD-Programmchef und Vorstandsvorsitzender der DJS. Für Nikolaus von der Decken, Leiter der Burda Journalistenschule spielen auch Social Media, nachhaltige Erlösmodelle sowie Nutzerverhalten und Erfolgsmessung eine immer größere Rolle.

Journalistisches Selbstverständnis als Ausbildungsfach

Neben den strukturellen Herausforderungen wird von den Journalistenschulen verlangt, den Stellenwert des Journalismus für die Gesellschaft zu reflektieren. Im Ranking der Journalisten-Vereinigung „Reporter ohne Grenzen“ zum weltweiten Stand der Pressefreiheit liegt Deutschland auf Platz 16. Übergriffe auf Journalisten und Anfeindungen im Netz beschäftigen die journalistische Ausbildung. „Klassische Themen wie Berufsethik und Qualitätsmerkmale der journalistischen Arbeit sind bereits länger Inhalte unserer Seminare, aber das Reportertraining und ein selbstschützender Umgang vor Ort werden in Zukunft sicher noch einen größeren Stellenwert einnehmen“, sagt Leonhard Ottinger von der RTL-Schule.

Für den Hamburger Schulleiter Wolfers liegt das dringlichere Problem in der Vertrauensbildung: „Wie gelingt es Redaktionen, gute journalistische Arbeit zu machen und ihre Leser zu halten? Wie begegnen wir generellem Misstrauen gegenüber Journalisten? Darüber müssen wir mit Schülern sprechen.“ Vor allem: Zeigen, wie notwendig unabhängiger Journalismus gerade in diesen Zeiten ist, stellt Nikolaus von der Decken fest. Unabhängiger Journalismus, das heißt auch, genau zu recherchieren, wo jede Behauptung mit wenigen Klicks überprüft werden kann, und dem Leser die Chance zu geben, sich eine eigene Meinung zu bilden. Unabhängiger Journalismus bedeutet auch Neugier und Weltoffenheit. Die designierte Schulleiterin Henriette Löwisch hat für ihre neue Aufgabe an der DJS eine klare Vorstellung: „Journalisten müssen Aussagen von Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmern verifizieren und hinterfragen, sie müssen die Sprache beherrschen und Inhalte auf unterschiedlichsten Kanälen spannend erzählen.“

Die Schulen sehen sich trotz Print- und Vertrauenskrise gut aufgestellt, um ihrem Nachwuchs Perspektiven zu bieten. Bei Hubert Burda Media erhalten bis zu 90 Prozent der Volontäre der Journalistenschule ein Übernahmeangebot. Für die Absolventen der ems in Potsdam ist der RBB ein wichtiger Arbeitgeber. Nannen-Schulleiter Wolfers vertraut auf das Gespür der Schulen in den Auswahlverfahren und die sorgfältige Vorbereitung der Zöglinge: „Ich glaube, wer Informationen in handwerklich solide Textform bringen kann, wird immer eine Chance haben. Das ist das Gute in Zeiten, in denen sich viele überlegen, ob der Journalismus etwas für sie ist: Die Besessenen lassen sich nicht so einfach abschrecken.“

Rosa Feigs

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