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Keine Feinde, nicht einmal politische Gegner: Stephan Lamby hat den Wahlkampf zwischen Angela Merkel und Martin Schulz über längere Zeit verfolgt.

© REUTERS

13 Tage vor der Wahl: Schattenboxen statt Schlagabtausch

In der ARD-Dokumentation „Das Duell – Merkel gegen Schulz“ beleuchtet Stephan Lamby den Politikstil der beiden Kandidaten. Diese Zuspitzung hat Vor- und Nachteile.

Bereits die ersten Bilder haben eine klare Botschaft: In den nächsten 60 Minuten will Dokumentarfilmer Stephan Lamby den Objekten seines Interesses ganz nahe kommen. So direkt wie in „Das Duell – Merkel gegen Schulz“ sieht man selbst Spitzenpolitiker wie die Bundeskanzlerin und ihren SPD-Herausforderer selten in den Fokus gerückt. In Großaufnahme zeigt die Kamera zunächst die Augen von Angela Merkel und Martin Schulz, wechselt dann zu ihren Mündern, die in Wahlkampfzeiten nie Pause zu haben scheinen, bis diese Einstellung dann komplett einfriert – um wenig später irritierenden Bildern von Polizeieinsätzen gegen Flüchtlinge in Idomenie und brennenden Straßen beim G-20-Gipfel in Hamburg zu weichen. So wird der Zuschauer – das Erste zeigt den Bericht zu vorgerückter Stunde um 22 Uhr 45 – zunächst einmal wachgerüttelt werden. Bei einem Wahlkampf, der auf viele Menschen wie eine doppelte Portion Valium wirkt, keine ganz leichte Aufgabe. Doch auch hier gilt: Je näher man hinsieht, desto deutlicher wird, warum Wahlkämpfe auch gerne als Höllenritte bezeichnet werden.

Zudem gibt es durchaus Unterschiede zwischen Merkel und Schulz, zwischen der „kühl kalkulierenden Machtpolitikerin“, die ihre Positionen mitunter den Notwendigkeiten anpasst, und dem „Mann mit Leidenschaft“, dem transparente Politik wichtiger ist als diplomatische Gepflogenheiten. Soweit möglich, kommt Stephan Lamby den beiden Politikern tatsächlich sehr nah. Merkel und Schulz haben sich ebenso wie Sigmar Gabriel und Andrea Nahles von der SPD sowie Wolfgang Schäuble und Horst Seehofer von der CDU beziehungsweise CSU für Interviews zur Verfügung gestellt.

Die AfD bleibt außen vor

Doch das Format hat seine Tücken: Bereits der Titel des Films ist eine Zuspitzung, die so nur zum Teil berechtigt ist. Einerseits macht der Wähler sein Kreuz nicht bei Merkel oder Schulz. Kanzler werden hierzulande vom Parlament gewählt. Andererseits – und das ist das eigentliche Problem – könnte es beim verengten Blick auf die Spitzenkandidaten der beiden Volksparteien in diesem Jahr sein, dass ein großer Teil des Volkes den Protestparteien seine Stimme gibt. Doch auf die AfD und die Frage, wie Merkel und Schulz mit dieser Stimmungslage umgehen, geht Lamby nicht ein. Er beschäftigt sich vielmehr hauptsächlich mit dem Politikstil der beiden Kontrahenten. Und hier kann vor allem die Kanzlerin punkten. Horst Seehofer, ihr ewiger Widersacher aus dem eigenen Lager, beschreibt sie als „die härteste Verhandlungspartnerin, die man sich vorstellen kann“. Tina Hildebrandt von der „Zeit“ sieht es durchaus als Stärke von Angela Merkel im Umgang mit Politikern wie Putin oder Erdogan an, dass sie ihre persönlichen Gefühle bei Bedarf abschalten kann und dadurch Beleidigungen und Kränkungen bei ihr nicht verfangen. Heribert Prantl („Süddeutsche Zeitung“) merkt jedoch an, dass er von der Kanzlerin „kaum einen leidenschaftlichen Satz gehört“ hat – anders als von Martin Schulz, wenn es um Europa geht. Selbst Horst Seehofer lobt den Europa-Politiker Schulz.

Robin Alexander von der „Welt“ bringt es zum Schluss auf die Formel: Das Duell, und damit dürfte nicht nur das im TV gemeint sein, sei keines von Feinden, nicht einmal von politischen Gegnern, sondern eher von Partnern, die gemeinsam Politik machen wollen. Diesen Eindruck hätte man allerdings auch ohne Nahaufnahmen gewinnen können. Kurt Sagatz

„Das Duell – Merkel gegen Schulz“, ARD, Dienstag, 22 Uhr 45

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