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Dr. Marek Prawda, Neue EU-Vertreter in Polen.

© Kai-Uwe Heinrich

Marek Prawda wird Europas Botschafter in Polen: Wie sich die EU bei Polen revanchiert

Konstruktiver Seitenwechsel: Polens konservative Regierung hatte ihren EU-Botschafter abberufen. Nun geht er als Vertreter der EU nach Warschau. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

An Sprachschwierigkeiten kann es nicht liegen, wenn die EU und Polen konservative Regierung weiterhin Verständnisschwierigkeiten haben und sich schwer tun, einen gemeinsamen Kurs zu finden. Für den Mann, der ab dem 1. April die Interessen der EU-Kommission in Polen vertritt, ist Polnisch die Muttersprache. Sein Handwerk ist die Diplomatie. Und in den Themen, um die die Mächtigen in Brüssel und Warschau ringen, kennt er sich bestens aus. In den vergangenen dreieinhalb Jahren war Marek Prawda Polens Botschafter bei der EU.

Enges Verhältnis zu Ex-Premier Tusk

Seine neue Aufgabe ist also die alte: Verständnis zwischen Polen und der EU zu vermitteln. Nur der Dienstherr hat gewechselt. Ein Schelm, wer sich zu viel Böses dabei denkt. Einen gewissen Charme hat der Seitenwechsel freilich schon. Oder soll man den Vorgang eine Retourkutsche nennen? Für den Geschmack der neuen PiS-Regierung ist der 59-Jährige womöglich zu europäisch, zu international. Und zudem zu eng mit der Vorgängerregierung verbunden, von der sich die PiS doch distanzieren möchte. Polens früherer Regierungschef Donald Tusk hatte Prawda 2012 nach Brüssel geschickt. Seit dem 1. Dezember 2014 ist Tusk Präsident des Europäischen Rats, also der Vertreter der nationalen Regierungen der EU-Staaten. Auch in Brüssel hielten Prawda und Tusk engen Kontakt. Im Januar hatte Polens konservative Regierung Prawda vom Posten des EU-Botschafter Prawda in Brüssel abberufen und nach Warschau zurückbeordert.

Kaczynski schickte ihn als Botschafter nach Berlin

Freilich hatte Prawda auch das Vertrauen der ersten PiS-Regierung, die von 2005 bis 2007 amtierte. Die Kaczynski-Zwillinge - der beim Flugzeugabsturz in Smolensk verstorbene Lech war damals Staatspräsident, sein Bruder Jaroslaw Premierminister - sandten ihn als Botschafter nach Deutschland. Es waren schwierige Zeiten im bilateralen Verhältnis. Doch Prawda gelang es, die Beziehungen auch unter den erschwerten Bedingungen zu pflegen. Deutsche Politiker, Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank Walter Steinmeier eingeschlossen, sprechen mit hoher Achtung über ihn. Er spricht fließend Deutsch, hat in Leipzig, noch zu DDR-Zeiten, studiert und war in Polen in der Solidarnosc aktiv, die das kommunistische System zu Fall brachte.

Juncker hat Warschau nicht um Erlaubnis gebeten

Insgeheim hoffen wohl alle Beteiligten, dass Prawdas Ernennung trotz der ungewöhnlichen Vorgeschichte konstruktive Folgen hat. Um Zustimmung musste EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die polnische Regierung nicht fragen - bei der Ernennung nationaler Botschafter ist das anders, da wird das "Agréement" des Gastlandes eingeholt. Aber er hat Ministerpräsidentin Beata Szydlo beim Europäischen Rat über die Absicht informiert, Prawda als Vertreter der EU-Kommission nach Warschau zu entsenden. Juncker wünscht sich genau solche Persönlichkeiten als EU-Vertreter: diplomatische Profis, die zugleich "Political Animals" sind. Menschen, die sowohl Europas Belange als auch die nationalen Interessen ihres Gastlandes verstehen und respektieren. Und die ihr eigenes politisches Gewicht mitbringen.

Kritik des Europarats an Polens Reformen

Eingewöhnungszeit braucht Prawda nicht, er hat sie auch nicht. Die EU hat kürzlich einen offiziellen Überprüfungsmechanismus eingeleitet, ob Polen mit seinen umstrittenen neuen Vorschriften für das Verfassungstribunal und die Medienaufsicht europäische Grundregeln verletzt. Die Venedig-Kommission des Europarats hat in ihrem Bericht ernste Kritikpunkte aufgelistet. Am Montag ist eine Delegation des Europarats zu Gast in Warschau, am Dienstag der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans.

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