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Immer wieder eine Herausforderung für Regisseure: Heinrich von Kleists „Penthesilea“. Das Bild zeigt eine Inszenierung des Staatstheaters Darmstadt aus dem Jahr 2014 von Simone Blattner.

© Foto. JU Ostkreuz

Literaturwissenschaft: Penthesilea präsentieren

Studierende des Masterstudiengangs Neuere Deutsche Literatur der Freien Universität Berlin haben im Rahmen eines Seminars eine Kleist-Ausstellung in Frankfurt (Oder) konzipiert.

Du siehst auf diesen Feldern, / Der Griechen und der Amazonen Heer, / zwei erboste Wölfe sich umkämpfen: / beim Jupiter!“, sagt Odysseus in den ersten Zeilen von Kleists (1777–1811) Drama „Penthesilea“, während er auf das Schlachtfeld bei Troja zeigt. Damit spricht der Protagonist gleich zu Beginn des Stücks an, was vielen Theaterregisseurinnen und -regisseuren seit fast 150 Jahren Kopfzerbrechen bereitet: Wie lässt sich ein ganzes Schlachtfeld im Theater darstellen? Wie der blutige Tod der Hauptfigur Achill inszenieren?

Kleists Trauerspiel, 1808 veröffentlicht und erst 68 Jahre später – weit nach dem Tod des Autors – uraufgeführt, war lange Zeit als bühnenuntauglich verschrien; die szenische Umsetzung gilt bis heute als Herausforderung. Einen Großteil der Handlung um die unglücklich verliebte Amazonen-Königin Penthesilea erfährt das Publikum nämlich nur indirekt, zum Beispiel durch die Theatertechnik der Mauerschau. Dabei beschreibt ein Schauspieler eine Szene, die er angeblich sieht, weil das Ereignis auf der Bühne nicht dargestellt werden kann. „Bei Kleist werden unfassbar viele Hügel beschrieben, auf die die Figuren steigen, um die Geschehnisse zu beobachten“, sagt Masterstudentin Viviane Meierdreeß. „Wir brauchten erst einmal ein paar Seminarsitzungen, um herauszufinden, welche Hügel wo gemeint sind. Diese Theatertechnik vermittelt ein Gefühl großer Dynamik – aber tatsächlich gibt es in der „Penthesilea“ lediglich eine Szene, in der nicht nur berichtet wird, sondern in der Personengruppen auf der Bühne wirklich aufeinandertreffen.“

Im Mittelpunkt steht das Verhältnis von Kleists Text zum Raum

Viviane Meierdreeß hat im vergangenen Semester an einem besonderen Kurs des Masterstudiengangs Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin teilgenommen: Unter der Leitung der Literaturwissenschaftlerin Professorin Anne Fleig und der kuratorischen Beratung von Barbara Gribnitz, Forschungsreferentin des Frankfurter Kleist-Museums und promovierte Germanistin, haben die Studierenden eine Ausstellung konzipiert, die sich mit dem Bühnendilemma beschäftigt: „Penthesilea: SchlachtGänge zwischen Text und Inszenierung“ heißt die Schau, die vom 24. Februar bis 8. April in Frankfurt (Oder) zu sehen ist.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Verhältnis von Kleists Text zum Raum. Zu Beginn des Seminars haben die Studierenden zunächst selbst überlegt, wie der Text für das Theater übersetzt werden könnte. Danach haben sie sich verschiedene Inszenierungen aus den vergangenen 20 Jahren angesehen und sich gefragt, wie der Text auf der Bühne dargestellt wird, sagt Viviane Meierdreeß: „Daraus haben wir die Ausstellungskonzeption entwickelt.“

Kleist mal praktisch: Zum Team gehören Larissa Hesse und Viviane Jasmin Meierdreeß (vo. l. u. r.) sowie David Frühauf, Melanie Baumann und Lukas Nils Regeler (hi. v. l. n. r.)
Kleist mal praktisch: Zum Team gehören Larissa Hesse und Viviane Jasmin Meierdreeß (vo. l. u. r.) sowie David Frühauf, Melanie Baumann und Lukas Nils Regeler (hi. v. l. n. r.)

© Privat

Aus den Seminardiskussionen heraus konzipierten die Studierenden aus Textstellen, die eine besondere Bedeutung haben, sechs Stationen. Den Gedanken der Räumlichkeit haben sie für den Ausstellungsaufbau aufgegriffen: Die Besucherinnen und Besucher lernen „Penthesilea“ kennen, indem sie entlang der Stationen durch den Ausstellungsraum laufen. „Die Ausstellung ist ein Gang durch den Text, aber auch durch verschiedene Inszenierungen, von denen Bilder an den einzelnen Stationen gezeigt werden. Deshalb haben wir den Titel ,Penthesilea: SchlachtGänge zwischen Text und Inszenierung’ gewählt“, erklärt Studentin Melanie Baumann.

Gerade die Seminardiskussionen seien bereichernd gewesen, sagen die Studentinnen: „Es war sehr lebhaft, alle wollten sich beteiligen. Und alle hatten gute Ideen. Aber irgendwann muss man zu einem Konsens kommen. Sich zu einigen, war sicher eine der größten Herausforderungen des Projekts.“ Die Studierenden erarbeiteten nicht nur das Ausstellungskonzept, sondern kümmerten sich auch um alle anderen Aufgaben: um Finanzpläne, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und den Ausstellungsaufbau.

"Eine tolle Möglichkeit, unser theoretisches Wissen praktisch anzuwenden"

Beratend zur Seite standen ihnen dabei die Seminarleiterinnen. „Anne Fleig und Barbara Gribnitz und der Gestalter des Museums, Frank Käubler, haben uns sehr intensiv und gut beraten: Was ist in einer Ausstellung machbar, was funktioniert nicht? Wir hatten manchmal schon etwas unrealistische Vorstellungen“, sagen die Studentinnen. Auch Anne Fleig betont die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Museum: „Allein hätten wir das so nicht machen können; für solche Praxisprojekte braucht man einen Partner wie das Kleist-Museum – das noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient als bisher.“

Heinrich von Kleist. Die Kreidezeichnung stammt vermutlich von Wilhelmine von Zenge (1831).
Heinrich von Kleist. Die Kreidezeichnung stammt vermutlich von Wilhelmine von Zenge (1831).

© Kleist-Museum

Der praktische Zugang zu einem literarischen Text und dessen Umsetzung in eine Ausstellung war auch für die Wissenschaftlerin ungewohnt – und lohnenswert: „Barbara Gribnitz hat die kuratorische Erfahrung. Von ihr haben wir gelernt, wie man eine Ausstellung konzipiert, wie man die Vorbereitungszeit realistisch plant – das war auch für mich spannend.“ Damit die Schau pünklich am 23. Februar öffnen kann, haben die Studierenden stark engagiert und viel Zeit investiert: So gab es außerplanmäßige Treffen und immer wieder den weiten Weg für die Seminarblöcke nach Frankfurt.

Viviane Meierdreeß zieht ein positives Fazit des Projektseminars: „Ich finde das Konzept großartig. Wir studieren ja in einem sehr theoretischen Studiengang, da war es eine tolle Möglichkeit, unser theoretisches Wissen praktisch anwenden zu können.“ Für die Ausstellung erhoffen sich die Studierenden besonders auch das Interesse ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen – denn viele wünschten sich oft mehr Praxisbezug im Studium. „Der Weg nach Frankfurt lohnt sich“, verspricht Melanie Baumann. Nicht zuletzt, um zu entdecken, wie unterschiedlich sich Kleists komplexe Anordnung von Hügeln inszenieren lässt.

Die Ausstellung läuft vom 24. Februar bis 8. April 2018, Vernissage mit Lesung am 23. Februar, 17 Uhr, Kleist-Museum, Faberstraße 6–7, 15230 Frankfurt (Oder); www.kleist-museum.de

Anne-Sophie Schmidt

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