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"Ich bin wie ein Küken, das gerade aus dem Nest gefallen ist und sich jetzt durchs Leben kämpfen muss. Es ist zwar noch ein bisschen unbeholfen, noch ganz zart und gerade erst dabei, aufzuwachen, aber die Augen glänzen vor Willenskraft." (Federkleid: Christian Dior)

© Jens Schmidt

Lea van Acken: "Ich bin ein lebensfindendes Etwas"

Lea van Acken war ein Teeniestar. Jetzt will sie ein Superstar werden. Welche Rolle will sie spielen? Eine Suche in Text und Bild.

Ausgebrannte Autos stehen zwischen Panzersperren. Hinter den Baumwipfeln ragen die zerfallenen Kühltürme eines Atomkraftwerks empor, Schilder warnen vor radioaktiver Strahlung. Ein blasser junger Mann in gelber Regenjacke irrt durch die Szene, als sich hinter ihm ein dreckverschmierter Truck ins Bild schiebt. Auf der Ladefläche steht eine Gruppe dunkel gekleideter Kämpfer, in den Händen schwere Waffen. Dann baut sich ein Mädchen vor ihm auf. "Willkommen in der Zukunft", raunt sie - dann hämmert sie dem Jungen den Kolben ihrer Waffe ins Gesicht.

Sie dreht sich um, bleibt stehen und stößt einen hohen, freudig aufgeregten Laut aus: "Ahh, Babyhunde!" Lea van Acken blickt an diesem Samstagmittag hinein in die trübe Weite des selbst für Berliner Verhältnisse herausragend trostlosen Volksparks am Friedrichshain. Auf der regennassen Wiese spielen drei Welpen.

Lea van Acken, die die Erbin von Mad Max im Finale der ersten Staffel der Netflix-Mystery-Serie "Dark" spielt, ist unter den großen Schauspielerinnen in Deutschland selbst noch so etwas wie ein Welpe: großer Drang, unheimlich viel Talent, noch mehr allgemeine Zuneigung. Eine Schauspielerin, die schon alles kann, aber noch herausfindet, welche Rolle sie spielen will. Im Film, aber auch in der Öffentlichkeit.

Van Acken, 18 Jahre alt, spielte Adea und Aladin in "Bibi & Tina", spielte Anne Frank im preisgekrönten Biopic, spielte Samantha im Pferdfilm "Ostwind 3" und Amrei Kaiser in "Fack ju Göhte 3". Mit 14 hatte sie ihre erste Kino-Hauptrolle. Und die keine Minute lange, aber brachiale Szene von "Dark" zeigt, dass van Acken schon heute, trotz ihrer Jugend, trotz ihrer behüteten Kindheit an der Ostsee, trotz ihrer nahbaren Art: ein gottverdammter Star ist.

Noch kein Superstar, klar. Aber wie fangen Superstars an? 2014 trat van Acken das erste Mal bei der Berlinale-Premiere auf den roten Teppich. Dietrich Brüggemanns "Kreuzweg", in dem van Acken die Hauptrolle spielt, gewann dort prompt den Silbernen Bären. Über ihre Darstellung des Mädchens Maria, das sich in einen ultrakatholischen Glaubenswahn hineinsteigert, schrieb das "Hamburger Abendblatt", sie habe "ein Gesicht, das man nicht vergisst". Der Regisseur Hans Steinbichler, mit dem sie in "Das Tagebuch der Anne Frank" arbeitete, nannte sie "eine alte Seele".

Es ist ziemlich klar, dass man in den nächsten Jahren auf Bildschirm und Leinwand nicht an Lea van Acken vorbeikommen wird. Weil sie viel zu gut darin ist, sich zu verwandeln. Weil sie gerne viele ist - und das gleichzeitig und scheinbar mühelos.

Der Star

Ehe van Acken im Volkspark Friedrichshain auf die Welpen zustürzt, sitzt sie in einem Restaurant in der Nähe. Sie trägt Jeans, Boots von Dr. Martens und ein auf ihr Oberteil farblich abgestimmtes seidenes Halstuch. Geschminkt hat sie sich sehr dezent. Bei der von einer langen Nacht gezeichneten Kellnerin bestellt sie einen Ingwertee und zwei Avocadohälften.

Auch Lea van Acken war in der vorigen Nacht aus, bis sieben Uhr morgens. Aber: kein Zeichen von Müdigkeit, was vielleicht auch daran liegt, dass sie kaum trinkt. Sie redet gerne, schnell und viel, und das so gesetzt, dass man ihr gerne zuhört. Dass sie erst 18 Jahre alt ist, vergisst man bald, ebenso wie die Tatsache, dass sie unter der Woche zur Schule geht, in einer Kleinstadt an der Ostseeküste, und in diesem Jahr vor allem anderen erst einmal ihr Abitur bestehen muss. Aber die Schule, die Prüfungen, das ist hier so weit weg wie das Meer.

"Dieser Pullover hält mich, ich versinke in ihm und spiele gleichzeitig mit ihm, habe ihn unter Kontrolle. Ich komme mir vor wie ein junges Mädchen, das mit älteren Typen rumhängt. Ein bisschen verträumt und nach Halt suchend." (Oversize-Pullover: Raf Simons über thestores.com)
"Dieser Pullover hält mich, ich versinke in ihm und spiele gleichzeitig mit ihm, habe ihn unter Kontrolle. Ich komme mir vor wie ein junges Mädchen, das mit älteren Typen rumhängt. Ein bisschen verträumt und nach Halt suchend." (Oversize-Pullover: Raf Simons über thestores.com)

© Jens Schmidt

Lea van Ackens eigentliches Leben spielt sich schon lange im Rampenlicht und vor der Kamera ab. Schon als Zwölfjährige stand sie bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg auf der Bühne. Zwei Jahre später kam der Silberne Bär, 2016 feierte dann "Das Tagebuch der Anne Frank" Berlinale-Premiere, mit van Acken in der Titelrolle. Zur Vorbereitung schrieb sie Briefe an das jüdische Mädchen, um einen emotionalen Bezug aufzubauen. Sie besuchte mit ihren Eltern das Konzentrationslager in Bergen-Belsen, wo Anne Frank im Alter von 15 Jahren starb. Deren Angst, Sorgen, aber auch immer wieder aufflackernde Hoffnung spielt van Acken gnadenlos, schmerzvoll authentisch. Das Feuilleton jubelte, die Bayerische Staatsregierung verlieh ihr einen Filmpreis für die beste Nachwuchsdarstellerin.

Jeden Freitag fährt van Acken mit dem Zug aus ihrer Heimat, einem 80-Einwohner-Weiler in der Nähe von Lübeck, nach Berlin. Um Ballettstunden und Gesangsunterricht zu nehmen, um mithilfe eines Accent-Coaches ihr Englisch zu perfektionieren. Um ein Superstar zu werden.

Wie sie da am Restauranttisch sitzt, könnte man sie für ein normales Mädchen halten. Doch ein Blick aufs Handy, auf ihren Instagram-Account mit knapp 80.000 Abonnenten, zeigt eine Frau, die voll im Geschäft ist: rote Teppiche, Modeshootings. Lea van Acken in elegantem, dezent kariertem Kleid, über eine weitläufige Treppe unter einer Glaskuppel tänzelnd. Oder Lea van Acken, auf hohen Schuhen und in semitransparentem Seidenkleid von Dior, durch eine Hotelsuite stolzierend, hinter ihr ein Flügel, auf dem Boden akkurat platzierte Handtaschen. Die "Bunte" verlieh ihr vergangenes Jahr den "New Faces Award" für ihren Kleidungsstil. Es gibt 14 von Fans bespielte Accounts, die "perfect.lea" oder "lea.van.acken.love" heißen und Bilder der Schauspielerin sammeln, bearbeiten, mit Zitaten und vermeintlichen Fakten beschriften. Wenn die DVD zu "Bibi & Tina" erscheint, erfährt man es hier zuerst. Van Ackens Beziehungsstatus: Dauerthema dieser Fanseiten. Drückt die Verehrte selbst auf "Gefällt mir" unter einem der Bilder, ist das Grund für jugendliche Ekstase: "Omg vielen dank You make me so happy."

Die Schülerin vom Dorf

Van Acken zuckt mit den Achseln. "In der Schule ist das alles kein Thema", sagt sie, als die verkaterte Kellnerin endlich die Avocado serviert hat. "Der Schulschwarm war ich auch nie." Und die Modeshootings und Red-Carpet-Inszenierungen? Die gehören nach Berlin, nach München, in die großen Städte. "Eigentlich bin ein bequemer Mensch, was Klamotten angeht. Wenn ich nicht in Berlin bin, laufe ich rum wie der letzte Penner, in weiten Hosen und Pullis von meinem Papa. Deshalb falle ich gar nicht groß auf." In der Heimat regieren Bescheidenheit und Mimikry.

"Total verdrogt versuche ich, noch irgendwie sexy auszusehen. Es klappt natürlich nicht, ich habe kaum noch Kraft, aber bin trotzdem irgendwie zufrieden. Wenn Mama in meiner Wohnung vorbeikommt, schminke ich mich dezenter als sonst, aber eigentlich kriege ich nichts auf die Reihe." (Overall: Miu Miu über mytheresa.com)
"Total verdrogt versuche ich, noch irgendwie sexy auszusehen. Es klappt natürlich nicht, ich habe kaum noch Kraft, aber bin trotzdem irgendwie zufrieden. Wenn Mama in meiner Wohnung vorbeikommt, schminke ich mich dezenter als sonst, aber eigentlich kriege ich nichts auf die Reihe." (Overall: Miu Miu über mytheresa.com)

© Jens Schmidt

Von Lea van Ackens Elternhaus bis zur Ostsee sind es 20 Minuten. Möchte sie baden, kann sie aber auch einfach in den ans Dorf grenzenden See springen. Schwimmen, Joggen, Reiten, überhaupt Tiere: Das war van Ackens Jugend. Auf ihrem Instagram-Kanal findet man zwischen Blitzlicht und Mode auch eine Aufnahme, die sie im Schlamm sitzend zeigt, umgeben von zwei Schweinen. Mit ihrem ersten festen Freund hielt sie sich fast zwei Jahre lang die Treue, wohl auch, weil beide so gerne im Wald spielten - auch das kann eine Beziehung im Innersten zusammenhalten.

Auch heute noch findet van Acken, dass sie gar nicht so anders ist als ihre Mitschüler. "Nur vor Vorträgen vor der Klasse habe ich vielleicht weniger Angst." In der Schule habe sie viele männliche Freunde, sagt sie, sie sei ein "Kumpeltyp" und auch gerne mal der Klassenclown. Bevor die anderen sie über ihren letzten Dreh ausfragen, erkundigt sie sich schon nach verpassten Unterrichtsstunden und den Mathe-Hausaufgaben. Dass sie auf der Fahrt von Berlin nach Hause, vorbei an Weihern und Weizenfeldern, mit ihrem Agenten in Los Angeles telefoniert, muss sie ja nicht der ganzen Klasse erzählen.

Der Profi

Verlässt Lea van Acken das Schulgebäude, scheint jedes Mal ein rasender Wandlungsprozess einzusetzen, an dessen Ende ein Lebensstil steht, der mit dem einer durchschnittlichen Abiturientin nur wenig gemein hat. Van Acken weiß genau, was sie will - und was sie dafür tun muss. Fast täglich geht sie ins Fitnessstudio. Seit einem Aufenthalt in Los Angeles ernährt sie sich vegan. Ihr schlanker Körper, den sie hochkontrolliert bewegt, ist auch das Ergebnis ständiger harter Arbeit und einer Ernährung, die Einschränkung und Verzicht bedeutet.

In Berlin hat van Acken ein WG-Zimmer in Friedrichshain. Viele ihrer Freunde, darunter nicht nur Schauspieler, wohnen hier. Vor allem aber ist diese Stadt für sie ein Zentrum der Selbstoptimierung. Der Sport, die Ernährung, die Mode, Ballett, Gesang und Sprachübungen - während ihre Mitschüler heimlich am See rauchen und mit glasigen Augen der Sonne hinterherschauen, richtet Lea van Acken ihr Leben auf ein Ziel aus, das größer ist als alles, was sie bisher erreicht hat: Amerika.

"Ich fühle mich wie Jennifer Lawrence in 'American Hustle': Todessexy, unabhängig, aber erschöpft vom Leben, auf die 30 zugehend und unsicher, was eigentlich mein Beruf ist. Ich komme gerade von einer Party und muss schon wieder ins Büro. Mein Sohn verbringt die meiste Zeit bei seiner Oma, aber ich liebe ihn trotzdem sehr." (Blazer: Sandro, BH: Weekday, Vintage-Gürtel: D&G über Nightboutique, Rock: Mary Katrantzou über mytheresa.com, Ohrringe: Miu Miu))
"Ich fühle mich wie Jennifer Lawrence in 'American Hustle': Todessexy, unabhängig, aber erschöpft vom Leben, auf die 30 zugehend und unsicher, was eigentlich mein Beruf ist. Ich komme gerade von einer Party und muss schon wieder ins Büro. Mein Sohn verbringt die meiste Zeit bei seiner Oma, aber ich liebe ihn trotzdem sehr." (Blazer: Sandro, BH: Weekday, Vintage-Gürtel: D&G über Nightboutique, Rock: Mary Katrantzou über mytheresa.com, Ohrringe: Miu Miu))

© Jens Schmidt

Das ist einerseits ein Klischee, andererseits klingt es nach Jungmädchentraum. Aber van Acken meint es ernst: Sie will da hin. In Los Angeles gibt es Arbeit und für manche auch das große Geld und den ganz großen Ruhm. Mehrmals wöchentlich telefoniert sie mit ihrem Agenten vor Ort, er schickt Fotos ihrer Schauspielfreunde, die gerade unter dem unvergleichlichen, alles verschönernden Licht der kalifornischen Sonne drehen. Auch Lea van Acken will das schaffen: Karriere machen, ein Weltstar werden. Deutschland ist nicht genug. Im Frühjahr, im Anschluss an ihr Abitur, will sie wieder nach L. A.

Van Acken ist, wie viele ihrer Generation, eine große Gewinnerin der Globalisierung. Ländergrenzen definieren nicht mehr den eigenen Handlungsspielraum. Los Angeles - oder auch New York, Hong Kong, Rio de Janeiro - ist inklusive seiner Verheißungen, Versprechen und Chancen nur noch einen Langstreckenflug entfernt. Lea van Acken weiß das, und sie spürt den Leistungsdruck, den das mit sich bringt. Dem entgegen stellt sie ihre Professionalität, ein knallhartes Karrierebewusstsein - und zugleich eine große Leichtigkeit. "Wenn es mit Amerika nicht klappt", sagt sie, "dann klappt es eben nicht." Dann klappt eben etwas anderes.

Die Rebellin?

Gibt es Ausbrüche aus dem nüchternen, strukturierten Leben? Irgendwo ein "Fack you Göhte", ein fack die Lehrer, die Schule, vielleicht ja sogar mal die Eltern, die Geschwister - oder gar ein fack den Job, 14-stündige Drehtage, wochenlange Aufenthalte in unpersönlichen Hotels?

Nein, nichts. So lange das Gespräch auch dauert, van Acken verliert kein schlechtes Wort über ihre Mitmenschen, Freunde, Kollegen. Viel eher streut sie beiläufig Komplimente ein: hier eines für Hans Steinbichler, den Regisseur von "Anne Frank" ("Mit Hans hat einfach alles gepasst"), dort eines für Louis Held, mit dem sie für "Bibi & Tina" drehte ("Mit ihm ist es auf Partys immer so ein Spaß"). Ihre Familie sei ein wichtiger Ruhepol, ihre Freunde in der Heimat und in Berlin auch.

"Die rockige Variante eines kalifornischen Hippie-Skatergirls aus 'Rock of Ages': Ein Rockstar direkt im Anschluss an ihr Konzert im Büro ihrer Produzentin. Die beiden feiern den gelungenen Auftritt, es ist Erschöpfung bei totaler Anspannung." (Badeanzug: Norma Kamali, Boots: Calvin Klein 205W39NYC, Stuhl über jetoshi.com)
"Die rockige Variante eines kalifornischen Hippie-Skatergirls aus 'Rock of Ages': Ein Rockstar direkt im Anschluss an ihr Konzert im Büro ihrer Produzentin. Die beiden feiern den gelungenen Auftritt, es ist Erschöpfung bei totaler Anspannung." (Badeanzug: Norma Kamali, Boots: Calvin Klein 205W39NYC, Stuhl über jetoshi.com)

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Die hohen Lederstiefel von Dr. Martens, über Jahre Zugehörigkeitssymbol von Skinheads, Punks, Wavern und Goths, werden an van Ackens Füßen zum reinen Modeschuh. Ihr Tanzmusikgeschmack, "Hip-Hop, Charts, R & B und Black Music", die Einrichtung ihres WG-Zimmers, "Palettenbett, selbst gebaut, finde ich todesgeil" - ein Best-of einer unverfänglichen und angepassten Teenager-Kultur.

Die private Lea gehörte nie zu einer Subkultur und scheint sich nicht, wie viele Jugendliche, in den Weiten des Internets verloren zu haben auf der Suche nach emotionalen Memes oder limitierten Caps angesagter Skatewear-Labels aus New York. Viel eher ist sie das, was diese Jugendlichen nach Jahren der Jagd nach dem bisher Ungesehenen, dem Seltenen, Eigenen und Nerdigen schließlich sein wollen: ein ganz normaler Teenager, der die Klamotten trägt, die alle anderen tragen, der dieselbe Musik hört wie der Freundeskreis, und der sich durch das Selberbauen der eigenen Möbel ermächtigt fühlt. Hardcore normal.

Die Feel-Good-Managerin

Drei Wochen nach dem Ausflug in den Park steht Lea van Acken überpünktlich vor einem nicht weiter erwähnenswerten vietnamesischen Restaurant am Rosenthaler Platz, mitten in Berlin - "Da gibt es auch was für Veganer ; )", hatte sie auf WhatsApp geschrieben - und wird von der Stadt und den Menschen vollkommen in Ruhe gelassen. Niemand erkennt sie, kaum jemand nimmt sie überhaupt zur Kenntnis.

Sie trägt das gleiche Halstuch wie beim letzten Treffen, dazu einen tiefblauen Strickpullover, auf der Schulter eine Tasche mit Sportklamotten, eben war sie noch im Fitnessstudio. Sie bestellt Wan-Tan-Suppe mit Tofu und Frühlingsrollen und beginnt sofort zu erzählen. Davon, dass sie endlich wieder Ballettstunden nimmt, und dass sie für einen Film, sofern er es denn erfordert, auch gerne jeden Tag Ballettstunden nehmen würde. Von Nächten auf After-Show-Partys diverser Awards und in Berliner Nobelclubs, die sie ausdruckstanzend mit ihren Schauspielerfreunden verbringt. Allesamt brauchten die keinen Alkohol und keine Drogen, um sich "auf das krasseste High zu bringen", weil sie nun mal eben Schauspieler sind und sowieso überdreht und extrovertiert und vielleicht auch süchtig nach Aufmerksamkeit und fragenden Blicken.

"Ein Film über eine übernatürliche Sekte: Ich bin Teil dieser Sekte, aber niemand weiß, ob ich mir meine Superkräfte nur einbilde und psychisch krank bin oder wirklich ein Übermensch. In jedem Fall bin ich stark und gefasst und hätte die Kraft, einen Menschen zu töten." (Bluse und Hosenrock: A.W.A.K.E über matchesfashion.com)
"Ein Film über eine übernatürliche Sekte: Ich bin Teil dieser Sekte, aber niemand weiß, ob ich mir meine Superkräfte nur einbilde und psychisch krank bin oder wirklich ein Übermensch. In jedem Fall bin ich stark und gefasst und hätte die Kraft, einen Menschen zu töten." (Bluse und Hosenrock: A.W.A.K.E über matchesfashion.com)

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Und sie erzählt von ihrer Suche nach dem Ausgleich. Von den Büchern, die sie auf den langen Zugfahrten am Wochenende liest. Bücher, die von der Liebe handeln oder davon, wie mit ihr zu verfahren ist. "Wahre Liebe lässt frei", so lautet der Titel ihrer aktuellen Lektüre. Auf dem rosaroten Cover prangt der Untertitel: "Wie Frau und Mann zu sich selbst und zueinander finden".

Letzten Sommer besuchte Lea van Acken zum ersten Mal einen Meditationskurs. Seitdem meditiert sie regelmäßig. "Ich möchte schlechte Energien vermeiden", sagt sie immer wieder. Dazu zählen für sie auch ökonomische, ökologische und politische Missstände: "In Los Angeles habe ich versucht, surfen zu lernen, obwohl ich gehört habe, dass das Meer dort total verseucht ist." Oder: "Gestern habe ich gelesen, dass ein Restaurant in fünf Tagen so viel Müll produziert wie ein Mensch in einem ganzen Jahr." Auf Instagram teilt sie immer wieder Fotos und Kampagnen von Tierschutzorganisationen, die davon erzählen, wie viele Tiere am Tag in Deutschland geschlachtet werden und wie viele Hunde in Tierheimen leben.

Ihr Beschützerinstinkt hört hier nicht auf. Für eine ihrer Rollen, ihre bisher größte und wichtigste, die der Anne Frank, fühlt Lea van Acken bis heute eine große Verantwortung. Von keinem ihrer bisherigen Engagements erzählt sie häufiger, dabei spricht sie immer nur von "Anne" - und das so respektvoll, dass es klingt, als würde sie über ihre beste Freundin sprechen, über ihr Vorbild: "Anne ist immer noch sehr präsent. Ich frage mich immer wieder, wie sie in bestimmten Situationen handeln würde."

"Ich bin das kleine verlorene Kind: Die Schuhe von Mama, der Anzug von Opa, der Topfschnitt von der Tante, ein Abbild der Familie. Ob Junge oder Mädchen, spielt dabei gar keine Rolle. Wie ein Cartoon, wie eine Marionette, die seit Jahren in einer Kiste liegt und darauf wartet, dass jemand mit ihr spielt." (Anzug: Balenciaga über matchesfashion.com, Pumps: Saint Laurent)
"Ich bin das kleine verlorene Kind: Die Schuhe von Mama, der Anzug von Opa, der Topfschnitt von der Tante, ein Abbild der Familie. Ob Junge oder Mädchen, spielt dabei gar keine Rolle. Wie ein Cartoon, wie eine Marionette, die seit Jahren in einer Kiste liegt und darauf wartet, dass jemand mit ihr spielt." (Anzug: Balenciaga über matchesfashion.com, Pumps: Saint Laurent)

© Jens Schmidt

So jung van Acken ist, so altklug kann sie wirken. Auf Partys, erzählt sie, hält sie andere Gäste zu maßvollem Alkoholkonsum an, manchmal unterbindet sie Zärtlichkeiten, von denen sie denkt, dass ein oder beide Partner diese am nächsten Tag bereuen könnten. Und sie wünscht sich Kinder, "jetzt noch nicht", aber doch bald, noch weit vor ihrem 30. Geburtstag. Wenn sie bis dahin nicht in Amerika lebt, dann weiß sie schon, wie sie sich ihr Leben dann wünscht: "Ich fahre nur Fahrrad, pflanze Obst und Gemüse selbst an, hole meine Kinder von der Kita ab. Ich wohne in Berlin und laufe nur noch in Leinenkleidern rum. Das wird geil. Ich muss nur noch den richtigen Typen finden, der das alles mitmacht."

Es ist das Privileg der Jugend, viele Pläne zu haben und nicht alle umsetzen zu müssen, zu träumen und sich auszuprobieren. Ballettunterricht und See, Schweinewiese und Abitur, Berlin und L. A. - die vielen Zugfahrten und Ortswechsel sind anstrengend. Aber es hilft natürlich, wenn man, wie Lea van Acken, ein klares Ziel, knallharte Disziplin und jahrelange professionelle Erfahrung hat. Van Acken ist, das sagt sie selbst genau so, ein "lebensfindendes Etwas". Sie sucht nach Ruhe, nach sich selbst, nach einem Weg nach Los Angeles, nach einem Weg, ein Superstar zu werden, ohne sich zu verlieren.

Fotos: Jens Schmidt
Produktion: Olaf Borchard
Styling: Sarah Sharon Karsten
Haare & Make-up: Helge Branscheidt/Klaus Stiegemeyer mit Produkten von Chanel und Aveda
Prop-Styling: Studio.Stadelmann
Foto-Assistenz: Viktor Ebell
Haare & Make-up-Assistenz: Manuela Schwozer
Styling-Assistenz: Stefan Uhr 

David Jenal

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