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Im Sprachbuch für Achtklässler werden Selbstmordattentate verherrlicht.

© http://rawafed.edu.ps/

Langes Warten auf umstrittene Studie: Warum der Judenhass nicht aus palästinensischen Schulbüchern verschwindet

Ein deutsches Institut sollte palästinensische Schulbücher untersuchen. Dabei unterliefen den Forschern peinliche Fehler. Wie konnte das passieren?

Dass in palästinensischen Schulbüchern zu Terroranschlägen aufgerufen wird und gezielt Hass auf Juden geschürt wird, ist seit Jahren bekannt. Aber die Bundesregierung, die das palästinensische Schulsystem jedes Jahr mit Millionenbeträgen unterstützt, bleibt weiter untätig. Zunächst wolle man abwarten, was eine 2019 von der EU in Auftrag gegebene Studie zu diesem Thema sagt, heißt es. 

Doch diese Studie, die eigentlich längst vorliegen sollte, wird einfach nicht fertig. Was bisher über sie bekannt wurde, lässt zudem Schlimmes befürchten.

In Auftrag gegeben wurde sie beim Braunschweiger Georg-Eckert-Institut (GEI). Vergangenen Herbst erklärte eine Sprecherin des Instituts gegenüber dem Tagesspiegel, die Studie werde noch im Oktober 2020 fertig gestellt. Es ist nicht die einzige Behauptung, die sich später als falsch erweisen sollte.

Zu einem Fiasko war es bereits gekommen, als im Sommer ein 177-seitiges Dokument öffentlich wurde, ausgewiesen als Zwischenbericht des GEI. Darin behaupteten die Autoren, sie hätten in den Schulbüchern diverse Stellen entdeckt, die für „Frieden werben oder Toleranz gegenüber Israelis zeigen“. Gewertet wurde dies als Zeichen für „sorgfältige Überlegung und Differenzierung“ gegenüber Israelis.

Die deutschen Experten guckten im falschen Buch nach

In Wirklichkeit hatten die Wissenschaftler lediglich in den falschen Schulbüchern nachgeguckt. Nämlich in solchen, mit denen arabische Schüler in Ostjerusalem unterrichtet werden. Diese Bücher werden jedoch vom Staat Israel bezahlt und gestellt. Sämtliche Beispiele, in denen für Frieden und Toleranz geworben wurde, stammten also von israelischer Seite.

Die Forscher des Georg-Eckert-Instituts hatten dies nicht erkannt und die Stellen deshalb fälschlicherweise als lobenswerte Reformschritte der Palästinenser deklariert.

Das GEI verteidigte sich: Das als Zwischenbericht ausgewiesene Dokument sei keinesfalls ein Zwischenbericht, eine Veröffentlichung nie geplant gewesen. Warum das Wort “Zwischenbericht” dann die Deckseite ziert, verriet man nicht.

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Tatsächlich habe es sich bloß um eine „für die interne Kommunikation bestimmte Präsentation” gehandelt. Die Studienleiterin erklärte: „Wenn wir diese Präsentation veröffentlicht hätten, auf einer Konferenz oder in einer Publikation, und uns dabei so ein Fehler unterlaufen wäre, das wäre vielleicht peinlich. Das haben wir aber nicht.“

Fremdverschulden? Von wegen.

Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte das GEI weiter, die fragliche Präsentation sei von „externer Seite“  öffentlich gemacht worden. Auch diese Behauptung  ist allerdings unwahr.

Tatsächlich wurde das Dokument von der Projektkoordinatorin des GEI selbst im Internet veröffentlicht.

Mittlerweile hat das Georg-Eckert-Institut sämtliche Hinweise auf die betreffende Mitarbeiterin von seiner Internetseite gelöscht. Einer weiteren Beteiligten wurde - mitten im laufenden Arbeitsprozess - eine andere Aufgabe zugeteilt. Zu den Gründen für diese Maßnahmen will sich das GEI nicht äußern.

Unterricht an einer Schule in Gaza.
Unterricht an einer Schule in Gaza.

© imago

In den vergangenen zwei Jahren hat Deutschland allein über den Haushaltstitel „Bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit“ insgesamt 19 Millionen Euro für den Bereich Grundbildung in den Palästinensischen Gebieten ausgezahlt. Hinzu kommen Deutschlands mittelbare Zahlungen, etwa über die EU und das Flüchtlingshilfswerk UNWRA. Die Bundesregierung argumentiert, mit dem gezahlten Geld würden gar keine Schulbücher finanziert. Sehr wohl allerdings die Lehrkräfte, die diesen Hass unterrichten. Und die Gebäude, in denen dies geschieht. Und der Transport der Schüler zum Unterricht.

Während Norwegen, ein weiteres bedeutendes Geberland für das palästinensische Bildungssystem, seine Auszahlungen eingefroren hat und künftig von ernsthaften Reformbemühungen abhängig macht, lehnt die Bundesregierung diesen Schritt bislang ab.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser wirft ihr Untätigkeit vor. Dem Tagesspiegel sagt er: „Ich finde es zutiefst ärgerlich, dass die Bundesregierung es noch immer nicht hinbekommt, diese Probleme klar und deutlich zu kritisieren.“ Seine Fraktion hat mehrfach Anfragen zu dem Thema gestellt, die Antworten der Regierung nennt Strasser „wachsweich“. Er findet es „unerhört, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene keinen Druck macht, diese Studie zeitnah fertig zu stellen - und gleichzeitig bis zum Vorliegen der Studie untätig bleiben will“.

Viele der untersuchten Bücher sind längst veraltet

Warum die Studie noch immer nicht fertig ist, will das Georg-Eckert-Institut dem Tagesspiegel nicht sagen. Allerdings befinde sie sich nun endgültig in der „Endphase“ und werde nach Fertigstellung der EU übergeben.

Ein Großteil der untersuchten Bücher dieser Studie wird dann, das ist schon jetzt klar, allerdings veraltet sein. Das palästinensische Bildungsministerium hat mittlerweile neue Bücher in Umlauf gebracht, die teilweise noch drastischere Stellen enthalten. Sie werden in der deutschen Studie, die der Bundesregierung zur Entscheidungsfindung dienen soll, womöglich gar nicht auftauchen.

Weil das Problem der veralteten Bücher erkannt wurde, sei die Studie kurzfristig zumindest um einige aktuelle Bücher erweitert worden, sagt James Cleverly, Großbritanniens Staatsminister für den Nahen Osten. Dies habe zu einer erneuten zeitlichen Verzögerung geführt. Ob dies zutrifft, sagt das GEI nicht.

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Aufsehen hat auch ein weiterer Schriftsatz des Georg-Eckert-Instituts erregt, der eigentlich geheim bleiben sollte und dessen Veröffentlichung erst durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz durchgesetzt wurde. Das Dokument hat Zweifel an der Kompetenz der beteiligten Forscher wachsen lassen, da es skurrile Übersetzungsfehler aus der arabischen Sprache erhält.

Eine Stelle, in der etwa der frühere israelische Ministerpräsident Schimon Peres genannt ist, übersetzen die Autoren mit „Pier“, der Boots-Anlagestelle. Frauen, die muslimische Gläubige im Himmel begleiten, werden fälschlicherweise für ein „Horoskop“ gehalten.

Auf diese und andere Fehler der Braunschweiger hat die israelische NGO Impact-se aufmerksam gemacht. Anders als das Georg-Eckert-Institut haben die israelischen Kollegen bereits alle aktuellen palästinensischen Schulbücher analysiert - und reihenweise eindeutige Beispiele von Terrorverherrlichung, Antisemitismus und Gewaltaufrufen dokumentiert.

Juden werden danach als „korrupt“ und „Feinde des Islam“ bezeichnet, Anschläge wie das Münchner Olympia-Attentat begrüßt. Hinweise darauf, dass es in den 1990er Jahren Friedensgespräche mit Israel gab, wurden aus den Geschichtsbüchern gestrichen.

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