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Berta Fischer führt das von ihrem Vater gegründete Familienunternehmen fort.

© Doris Spiekermann-Klaas Tsp

Interview: Familie Fischer zieht um

Die Künstlerin und Galeristin Berta Fischer über den Umzug ihrer Galerie in ein ehemaliges Umformwerk, doppelter Berufung und den Reiz von Cowboystiefeln

Als die Galerie von Konrad Fischer 1967 in Düsseldorf eröffnete, kam gerade mal eine Handvoll Besucher. Und die, die kamen, erkannten die Kunst nicht. 100 Stahlplatten lagen auf dem Fußboden, eine Minimal-Art-Skulptur des Künstlers Carl Andre. Konrad Fischer war einer der ersten Galeristen, der amerikanische Konzeptkünstler wie Sol Lewitt, Bruce Nauman und Carl Andre nach Europa einlud und sie vor Ort Projekte machen ließ. Damit schrieb er Kunstgeschichte. 2007 eröffnete die Galerie eine Dependance in Berlin. Heute wird das Familienunternehmen an beiden Standorten von Tochter Berta Fischer geleitet.

Frau Fischer, Ihre Galerie zieht bald von Erdgeschossräumen in der Lindenstraße in einen spektakulären Industriebau. Wie sind Sie zu diesem besonderen Haus gekommen?

Ich suchte schon über drei Jahre nach neuen Räumen. Über eine Alternative zu unserem Standort in der Lindenstraße habe ich zu Beginn sogar noch mit meiner Mutter gesprochen, die 2015 gestorben ist. Gleich zu Beginn der Suche hat mir eine befreundete Architektin, Verena von Beckerath, das Kreuzberger Umformwerk gezeigt, weil sie zuvor schon mit Vattenfall gearbeitet hatte. Ich habe mich sofort in das Haus verliebt.

Verlagern Sie mit diesen publikumsträchtigen Räumen den Schwerpunkt der Galerie endgültig von Düsseldorf nach Berlin?

Nein. Düsseldorf bleibt der zentrale Standort. Allein, weil die Galerie dort eine so lange Tradition hat und viele wegweisende Ausstellungen dort stattgefunden haben. Aber ich war der Meinung, dass in Berlin mal etwas passieren sollte. Mit neuen Räumen kommen neue Ideen - die Veränderung kann auch eine Inspiration für die Künstler sein.

Inwiefern?

Wenn man das Gebäude einmal gesehen hat, stellt sich die Frage nicht mehr. Die Höhe der Räume ist eine tolle Herausforderung, ebenso, dass es eine Galerieebene gibt, durch die man die Kunst von oben betrachten kann. Und vor dem Haus befindet sich eine Freifläche, auf der sich ebenfalls Kunst zeigen lässt. Die Möglichkeiten sind vielfältig.

Nachdem Sie die Galerie von Ihren Eltern übernommen haben, haben Sie neue Künstler wie die mit sehr flüchtigen Gesten arbeitende Belgierin Edith Dekyndt ins Galerieprogramm aufgenommen. Wie finden Sie neue Künstler?

Ich bin als Künstlerin und Galeristin immer an neuen Positionen interessiert und halte meine Augen offen. Wenn mich die Arbeit eines anderen Künstlers begeistert, versuche ich, einen persönlichen Kontakt zu knüpfen. Wenn ich den Künstler noch nicht kenne, kommt es vor, dass wir eine Zusammenarbeit testen. Mit jüngeren Künstlern machen wir oft zunächst ein einzelnes Projekt, und manchmal wird daraus dann eine feste Zusammenarbeit.

Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Berlin und Düsseldorf?

Alle denken, dass sich mein Leben hauptsächlich in Düsseldorf abgespielt hat - aber ich wohne tatsächlich schon seit 1997 in Berlin. Ich bin direkt nach meinem Medienkunststudium in Karlsruhe nach Berlin gegangen, in Düsseldorf lebte ich nur, bis ich 19 war. Deshalb habe ich eine größere Verbindung zu Berlin. Den Spagat gab es eher für meine Mutter, als sie 2007 die Dependance in Berlin eröffnete. Der Standort war und ist wichtig, weil Berlin für die Künstler interessant ist und sie gerne hier ausstellen möchten.

Haben Sie sich seit der Eröffnung der Berliner Dependance mehr damit auseinandergesetzt, die Galerie Ihrer Eltern später einmal zu übernehmen?

Mit Berlin hatte das nicht so viel zu tun. Ich bin mit dem Galeriebetrieb aufgewachsen. Ich habe irgendwann selber beschlossen, die Verantwortung übernehmen zu wollen. Das war, als meine Mutter noch gelebt hat, und dann hat es sich leider mit ihrem schnellen Tod ganz plötzlich in die Richtung entwickelt.

Ihre Eltern waren beide Künstler und gaben ihre Künstlerkarrieren auf, um die Galerie zu leiten. Widersprechen sich die Berufe Künstler und Galerist?

Viele sagen, dass man sich entscheiden sollte, aber für mich stellt sich diese Frage nicht. In den USA und anderswo ist man sowieso offener dafür, dass man mehrere Dinge im Leben gleichzeitig tun kann. Ich war schon über 20 Jahre lang Künstlerin, bevor ich Galeristin geworden bin. Ich fühle mich nicht so sehr in diesem Paradox gefangen. Meine Eltern haben es anders gemacht. Sie haben beide aufgehört, Kunst zu produzieren. Mein Vater hatte unter dem Namen Konrad Lueg gemalt, dem Familiennamen mütterlicherseits. Den Schritt zum Galeristen ist er bewusst als Konrad Fischer gegangen.

Ihre Eltern luden Künstler aus Amerika ein, länger bei Ihnen zu bleiben und die Ausstellungen in der Galerie vorzubereiten. Wie war es als Kind, umringt von Bruce Nauman, Sol Lewitt oder Carl Andre aufzuwachsen?

Dass die Künstler länger in Düsseldorf blieben, hatte ja auch mit den hohen Flugkosten aus den USA zu tun. Erst wenn sie drei Wochen da waren, konnte man es sich in irgendeiner Weise leisten, die Künstler vor Ort zu halten. Das waren halt die Freunde meiner Eltern. Von außen klingt das so spannend, aber für meinen Bruder Kasper und mich war das die Normalität. Ich fand es als Mädchen aber immer cool, dass Bruce Nauman mit seinen Cowboystiefeln in Düsseldorf rumgelaufen ist, weil ich selbst auf Cowboys stand. Natürlich waren die Künstler teilweise auch sehr witzig und man hatte als Kind eine gute Zeit.

Haben Sie diese Erlebnisse in Ihrer Kindheit inspiriert, selbst Künstlerin zu werden?

Es stand für mich schnell fest, dass ich in eine künstlerische Richtung gehen wollte. Wenn man in einer Künstlerfamilie aufwächst, darf das auf jeden Fall eine Möglichkeit sein. Kunst hat mich immer interessiert, und meine Eltern haben mir ein Verständnis dafür mitgegeben. Aber was genau mich dabei beeinflusst hat, Künstlerin zu werden, kann ich nicht sagen. Mein Bruder ist Physiker geworden - ein Beispiel dafür, dass man mit so einem familiären Background auch in eine andere Richtung gehen kann.

Die Galeristin wohnt seit über 20 Jahren in Berlin und stammt aus einer Künstlerfamilie.
Die Galeristin wohnt seit über 20 Jahren in Berlin und stammt aus einer Künstlerfamilie.

© Doris Spiekermann-Klaas Tsp

Was hat Sie seit Ihrem Kunststudium in Karlsruhe künstlerisch geprägt?

Meine Zeit in Berlin ab 1997 hat mich stark beeinflusst. Ich habe hier viele Künstler kennengelernt und auch mein Atelier in Kreuzberg geteilt. Es gab verschiedene Orte, an denen wir uns immer getroffen haben: meine damalige Galerie Giti Nourbakhsch, oder Bars wie Finks Sonntagsbar und Maschenmode. Wir kannten uns einfach alle untereinander, das war prägend.

Und wie bekommen Sie die Kunst und die Galerie unter einen Hut?

Für mich hat das bisher immer gut funktioniert, obwohl ich besser strukturiert sein könnte. Es ist ein ganz anderes Gefühl, im Atelier in Weißensee zu arbeiten als in der Galerie. Im Atelier muss man auch die Momente aushalten können, in denen nichts aus einem herauskommt.

Ihre Galerie zählt zu den großen Playern des Kunstmarkts. Was ist Ihre Aufgabe, führen Sie Verkaufsgespräche?

Eher weniger. Das operative Geschäft übernehmen vorrangig meine sechs Hauptmitarbeiter. Ich bin überwiegend im Hintergrund und fälle Entscheidungen. Mir ist es wichtig, weiterhin künstlerisch arbeiten zu können und für ein familiäres Verhältnis zwischen den Galeriemitarbeitern, den Künstlern und Sammlern zu sorgen. Das habe ich von meinen Eltern übernommen.

Verspüren Sie es als Druck, die lange Tradition der Galerie Konrad Fischer aufrechtzuerhalten?

Ich identifiziere mich so stark mit dieser Arbeit und liebe die Galerie so sehr, dass kein Druck spürbar ist. Es fühlt sich richtig an. Wenn ich Dinge gegen meinen Willen machen müsste, würde ich sie nicht tun.

Lorina Speder

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