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Miterstunterzeichnerin des zweiten offenen Briefes an Olaf Scholz: Die Berliner Schriftstellerin Eva Menasse.

© picture alliance/dpa

Zweiter offener Brief an Scholz: Schreiben und kämpfen

In einem weiteren offenen Brief an Olaf Scholz sprechen sich zahlreiche Kulturprominente für kontinuierliche Waffenlieferungen an die Ukraine aus.

Der Bundeskanzler muss gerade viele Briefe lesen, offene Briefe. Ende vergangener Woche war ein von der „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer initiierter, danach viel kritisierter, aber auch hunderttausendfach unterzeichneter offener Brief an ihn gesandt worden.

Darin wurde er gebeten, die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine noch einmal zu überdenken: „Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen (...) könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. Und ein russischer Gegenschlag könnte so dann den Beistandsfall nach dem NATO-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen.“

Erstunterzeichner dieses Briefes waren unter anderem Alexander Kluge, Juli Zeh, Svenja Flaßpöhler, Gerhard Polt, Martin Walser und Edgar Selge.

"Die Kriegsfähigkeit Russlands maximal schwächen!"

Nun gibt es als Reaktion darauf in der neuen Ausgabe der „Zeit“ einen weiteren offenen Brief an Scholz, einen Gegen-Brief, wenn man so will, unterzeichnet von ebenfalls zahlreichen Prominenten und Kulturschaffenden, darunter die Schriftsteller Daniel Kehlmann und Maxim Biller, die Schriftstellerinnen Eva Menasse, Antje Rávik Strubel und Herta Müller, der Verleger Mathias Döpfner, der Publizist und Grünen-Politiker Ralf Füchs oder der PEN-Deutschland-Vorsitzende Deniz Yücel.

Alle, die diesen Brief unterzeichnet haben, sprechen sich für eine unbedingte und kontinuierliche Lieferung von Waffen an die Ukraine aus, „um die militärischen Kräfteverhältnisse zugunsten der Ukraine zu wenden“. Denn „wer einen Verhandlungsfrieden will, der nicht auf die Unterwerfung der Ukraine unter die russischen Forderungen hinausläuft, muss ihre Verteidigungsfähigkeit stärken und die Kriegsfähigkeit Russlands maximal schwächen“.

Beifall für Olaf Scholz

Und weiter heißt es, in direkter Anspielung auf den Schwarzer-und-Co-Brief, in dem vor einen Atomkrieg gewarnt worden war, dass man Putins „Drohung mit dem Atomkrieg“ nicht „auf die leichte Schulter“ nehme: „Jeder Krieg birgt das Risiko einer Eskalation zum Äußersten. Die Gefahr eines Nuklearkrieges ist aber nicht durch Konzessionen an den Kreml zu bannen, die ihn zu weiteren militärischen Abenteuern ermutigen.“

Ausdrücklich „Beifall“ zollen die Unterzeichner:innen dem „sehr geehrten Bundeskanzler“ gleich zu Beginn, dass er auf einer Mai-Kundgebung in Düsseldorf seine Entscheidung, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, „mit klaren Worten“ verteidigt habe. Diesen Beifall hatte Scholz allerdings auch schon von Alice Schwarzer und den Seinen erhalten für sein eben langes Ringen mit dieser Entscheidung und dass er „so genau die Risiken bedacht hatte“, die diese Entscheidung nach sich ziehen könnte.

Mehr Zustimmung kann sich der Bundeskanzler also nicht wünschen aus dem Kreis der sogenannten Intellektuellen, die gerade von der Politik nach dem ersten offenen Brief heftigst beschimpft worden waren. Man könnte von einer „Ehrenrettung“ sprechen, die nun ein Teil der Kulturschaffenden vorgenommen hat – wäre es nicht so unangenehm, sich ausgerechnet von der Politik auf die Schulter klopfen zu lassen.

Und man könnte auch sagen, dass hier Zweifel und Ängste und der gute alte Pazifismus ziemlich konträr zu einer (nicht zuletzt von Jürgen Habermas kritisierten) Selbstgewissheit und unbedingten Entschiedenheit stehen. Einen Weg dazwischen scheint es nicht zu geben.

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