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Berühmter Linkshänder: Barack Obama machte seinen Präsidentenjob mit links.

© dpa/Michael Reynolds

Zum Weltlinkshändertag: Gute Hand, böse Hand?

Linkshänder werden zu Unrecht geschmäht: Unsere Kollegin gratuliert sich selbst zum Weltlinkshändertag und hebt das Glas mit links - ausnahmsweise!

Ich gehöre zur Minderheit der sagenhaften Linkshänder. Für Leute wie mich, weltweit sollen es zehn Prozent sein, gibt es sogar den Weltlinkshändertag. Den feiere ich an diesem Sonntag, weil ich schlauer, kreativer und besser in vielen Sportarten bin als Rechtshänder. Dafür sterbe ich neun Jahre früher. Bewiesen ist das nicht, aber solche statistischen Spekulationen machen der Wissenschaft ja immer viel Spaß. Ich persönlich bin zwar noch nicht beforscht worden, aber man schaut mir immer sehr genau beim Schreiben auf die Finger, ob ich auch nichts verschmiere.

Sprachen wie Hebräisch oder Arabisch, die von rechts nach links geschrieben werden, sind leichter für unsereins. Seltsamerweise gibt’s unter Israelis und Arabern trotzdem nicht mehr Linkshänder. So richtig viel weiß ich nicht über meine Linkshändigkeit, es geht da angeblich um die Gehirnhälften, das ist mir unheimlich. Es ist wie mit meinem Glauben an Horoskope: Wenn sie gut sind, freue ich mich. Man greift ja nach jedem Strohhalm, um als jemand Besonderes durchzugehen.

Das schaffe ich oft auch mit meiner Vergangenheit als Waldorfschülerin. Die löst ähnliche Reaktionen aus wie die linke Hand: Aha! Oder: Hmm, hmm! Klingt ein bisschen wie „Verstehe, deshalb!“ Vielleicht nehme ich das aber nur mit meinem Linkshänderinnen-Verstand so wahr. Ich bin irre feinfühlig, weil meine Hirnhälfte, die für komplexes Denken zuständig ist, schnell heiß läuft und alles und jedem was unterstellt.

Bei Waldorfs war links lange verboten: Die "böse" Hand musste einen Edelstein umklammern

Oft heißt es, ich hätte Glück gehabt. Als hätte ich ein Unglück überlebt, wie der Pianist Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg den rechten Arm verlor und dem Maurice Ravel ein „Konzert für die linke Hand“ komponierte. Im Mittelalter landeten linkshändige Frauen öfter mal als Hexen auf dem Scheiterhaufen. Mit Glück meinen die Leute, dass ich eine richtige Linkshänderin sein darf und alles Feinmotorische mit links hinkriege. Die Scherenschnitte, die ich der Verwandtschaft früher zu Weihnachten schenkte, sind wirklich 1 A. In der Tat bin ich der Umschulung knapp entkommen, die in deutschen Grundschulen bis in die siebziger Jahre rigide durchgezogen wurde. In der Waldorfschule hielt man daran sogar noch länger fest. Nur weil ich schon sicher schreibend dort ankam, wurde an mir nicht die Edelsteinmethode exerziert: Linkshänder mussten einen Stein mit der „bösen Hand“ umklammern.

Heute ist das verboten, weil es zu „massivsten unblutigen Eingriffen in das menschliche Gehirn“ führt, wie die Psychologin Johanna Barbara Sattler feststellte. Sattler vertritt die Interessen der Linkshänder.

Diese Läden mit Extrasachen für Linkshänder fand ich schrecklich

Aber etwas hat mich gequält: Mitte der Achtziger eröffneten die ersten Läden für Linkshänder. Ich fand, sie sind ein Affront, ein schlechter Witz. Niemals würde ich mir da etwas für mich kaufen, wie zum Beispiel Lineale, die von rechts nach links beschriftet sind, Tassen mit dem Henkel auf der linken Seite oder Bücher in Spiegelschrift. Ich hatte ja längst gelernt, mit den Rechtshändersachen klarzukommen. Also kaufte ich in den Läden Geschenke, Spezialscheren oder Anspitzer, um meine Mitschüler zu ärgern.

Mein Gehirn hat gelernt, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Diese Flexibilität ist ein weiterer Riesenvorteil. Aber heute Abend werde ich zu Ehren aller unentdeckten Linkshänder mein Glas mit Links heben, ausnahmsweise.

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