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Sammlerpaar. Rudolf Kicken mit seiner Frau Annette Kicken.

© Mike Wolff

Update

Zum Tod von Rudolf Kicken: Der Foto-Pionier

Deutschlands bedeutendster Foto-Galerist ist tot: Rudolf Kicken starb am Dienstag in Berlin.

Der Galerist Rudolf Kicken ist am Dienstag in Berlin gestorben, wie seine Galerie jetzt bekannt gab. Er starb nach langer Krankheit im Kreis seiner Familie. Das Engagement des 1947 in Aachen geborenen Fotospezialisten bleibt beispiellos: In den siebziger Jahren saß Rudolf Kicken in Aachen – mit einem klaren Ziel vor Augen. Die Fotografie sollte sich neben der bildenden Kunst etablieren. So kannte er das aus New York. Dort hatte Kicken ein Jahr lang Fotografie studiert, dazu ein Praktikum bei der Light Gallery absolviert. Er war beeindruckt von der Selbstverständlichkeit, mit der man das junge Medium zeigte, handelte, sammelte. So etwas wollte der studierte Volkswirt auch in Deutschland durchsetzen. Den Anfang machte er mit dem Sammler und Fotografen Wilhelm Schürmann: Zusammen eröffneten sie 1974 die Galerie Lichttropfen.
Experimente erlaubte sich das Duo keine, sondern setzte gleich auf künstlerische Fotografie von internationalem Rang. Einfach war es dennoch nicht: Der Fotografie sprach man damals allen Kunstcharakter ab. Ihre Bilder beruhten auf mechanischen Prozessen; ganz gleich, ob sie von Bauhaus-Künstlern oder gar im Auftrag der Modebranche entstanden waren. Kicken ließ sich davon nicht beirren, obgleich er nebenbei zahllose Anekdoten sammelte – über Debatten wie Preise. „In den Achtzigern konnte ich ein Polaroid von Helmut Newton noch nicht einmal für 300 Dollar verkaufen. Heute ist so ein Stück über 100.000 Dollar wert“, erinnerte er sich zum Beispiel. Oder an Funde auf dem Flohmarkt. Oder an die schier unendliche Geduld, die er aufbringen musste.
Es hat sich gelohnt. Längst gilt Kicken als wichtigster deutscher Galerist für Fotografie. Er genießt einen internationalen Ruf und die Liste der von ihm gehandelten Künstler ist ebenso lang wie eindrucksvoll: Eugène Atget, Karl Blossfeldt, Albert Renger-Patzsch oder August Sander. Später kamen die Protagonisten der amerikanischen Farbfotografie wie William Eggleston oder Joel Sternfeld hinzu. Und dann jene, die sich ganz selbstverständlich als fotografierende Künstler betrachten: Hans-Christian Schink, Joachim Brohm und die großartige Jitka Hanzlová. Für alle hat der Galerist offene Türen, nahm sie in sein Programm auf und eroberte mit wachsendem Ansehen des Mediums auch wichtige Kunstmessen wie die Art Basel und später die Tefaf in Brüssel. Vorher zog er allerdings ins Rheinland um.
In Köln, wo sich die Galerie 1979 niederließ, wuchs ein neuer Kunstmarkt heran. Kicken gehörte dazu und galt schon damals als wichtige Adresse für Fotografie-Affine. Um so mehr schmerzte dort seine Entscheidung für Berlin im Jahr 2000, die „privat motiviert und weniger taktische Entscheidung“ war. Dennoch bewiesen er und seine Frau Annette Gespür für die nahen Veränderungen. So erwies sich der Umzug an die Spree als enormer Standortvorteil, weil plötzlich Sammler und Kuratoren kamen, die man zwar auf internationalen Messen traf, nicht aber in Köln. Doch es war auch die Galerie, die das Kräfteverhältnis zwischen Rhein und Spree verschob: Wer exquisit kuratierte Ausstellungen von Umbo, Lee Friedlander oder der tschechischen Avantgarde der zwanziger Jahre sehen wollte, tat dies am Besten in Berlin. Obwohl sie sich der Stadt sehr verbunden fühlten, gaben sie im Sommer 2013ihre Sammlung an das Frankfurter Städel, ein harter Schlag für Berlin.

Kicken war zugleich ein Garant für aufschlussreiche Kataloge und methodisch angelegte Bücher über die jungen Epochen der Fotografie, die wissenschaftliche Standards setzen. Daran änderte sich auch in jüngerer Vergangenheit nichts, obwohl enge Freunde des Paares wussten, dass Rudolf Kicken schwer erkrankt war. Die Galerie ist wie gewohnt auf der aktuellen Art Basel vertreten. Nur den Galeristen, den suchte man während der Eröffnung am Dienstag vergebens. Er wurde 66 Jahre alt.

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