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Michael Altmann in "Die Studentin und Monsieur Henri" in der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg, 2015.

© Imago

Zum Tod von Michael Altmann: Die Anarchisten sterben aus

Komödiant und Anarchist: Der Schauspieler Michael Altmann ist im Alter von 73 Jahren gestorben.

Seine letzte Rolle war „Der verkaufte Großvater“, eine Klamotte im Freilichttheater von Wunsiedel, Deutschlands ältester Naturbühne. Das passte zu ihm. Denn Michael Altmann hat nie etwas gespielt, das nicht irgendwie auch komisch gewesen wäre, und er musste immer draußen sein. Im Wald, im Weinberg und am liebsten auf dem Wasser. Das Paddeln war seine größte Lust. Andere haben Segelboote oder Jachten, er hatte ein Paddelboot. Als er in den achtziger Jahren am Schiller-Theater spielte, paddelte er über den Wannsee, um von seiner Wohnung an den Arbeitsplatz zu kommen.

Geboren wurde er in Breslau, in Bayern wuchs er auf. Michael Altmann trug gern Tracht; eine seiner Verrücktheiten. Wenn er den Raum betrat, war es wie der Einbruch der Wildnis in die Zivilisation. Auf der Bühne war er aber auch ein Schweiger und Grübler, ein intelligenter Schauspieler, der in aller Ruhe seine Gedanken ausformte. Vor bald vier Jahren mussten wir uns von seinem Freund und Partner Heinz Werner Kraehkamp verabschieden. Und nun von Michael, Michel Altmann. Die Anarchisten sterben aus.

Altmann und Kraehkamp waren einmal das Traumpaar des deutschsprachigen Theaters. Es begann am Schauspiel Frankfurt, Altmann arbeitete mit den Regisseuren Hans Neuenfels, Peter Palitzsch, Klaus Michael Grüber. Mit Kraehkamp war das aber noch etwas anderes: Das Duo kredenzte F. K. Waechters „Schule mit Clowns“, „Kiebich und Dutz“ und entwickelte die irrsinnige Nummernrevue „Hartmann & Braun“. Die lief damals auch im Mehringhoftheater in Berlin, mit den klassischen Sketchen „Der Socken in der Suppe“ oder dem „Indischen Hemdentrick“.

Wo genau verläuft die Grenze zwischen Schwachsinn und Philosophie, Schauspielkunst und Schweinebraten, Kombüse und heißem Kakao in schwerer See? Ihre Pointen waren maximal invasiv und genussvoll platt – auf höchster Hochebene. Man kann diese Auftritte nicht vergessen, nur vermissen.

Die beiden spielten Sean O’Caseys „Das Ende vom Anfang“ auf eine so wild unwiderstehliche Art, dass die Staatlichen Schauspielbühnen Berlin dauerhaft in ihren Grundfesten erschüttert wurden. Altmann war in Hamburg, München, Stuttgart, Düsseldorf und Köln engagiert.

An der Komödie am Kurfürstendamm trat er zuletzt 2011 zusammen mit Judy Winter in „Spätlese“ auf. An der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg war er im vergangenen Jahr in Jürgen Wölffers Inszenierung von „Die Studentin und Monsieur Henri“ zu sehen. Jetzt ist er mit 73 Jahren gestorben.

Rüdiger Schaper

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