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David Bowie bei einem Konzert in London

© Imago

Zum Tod von David Bowie: Musik von einem anderen Planeten

Phantom und Phänomen, ein Meister der Maskerade und Grenzgänger zwischen den Welten: Der große Popkünstler David Bowie ist tot. Ein Nachruf

David Bowie, tot? Man mag es kaum glauben, dass ausgerechnet diesen Mann etwas so Irdisches wie Krankheit und Tod ereilt haben soll, diesen Musiker und Künstler, der auf die Popwelt kam wie ein Wesen von einem anderen Stern, der sich zwischen den Sphären bewegte und so schnöde Dinge wie Identität, Profil, Zuordnung verweigerte. "Planet earth is blue/and there is nothing I can do": Mit diesen Zeilen wurde er unsterblich, 1969, mit seinem Hit "Space Oddity", den die BBC zur Live-Übertragung der Mondlandung sendete. Ein Meister des Verschwindens, so hat er sich auch in seinem erst letzte Woche zu seinem 69. Geburtstag erschienenen 25. Album "Blackstar" inszeniert, mit verrätselter, magischer, düsterer Musik: ein schwarzer Stern im All, das ist jetzt sein Vermächtnis.

Ein Surrealist, ein Phänomen und Phantom der Popmusik, eine Erscheinung, ein Grenzgänger zwischen den Welten: Der als David Robert Jones am 8. Januar 1947 im Londoner Viertel Brixton geborene alias David Bowie (er nannte sich so, um nicht mit David Jones von den Monkees verwechselt zu werden) hat in seiner 50-jährigen Karriere die Popmusik und die Künste entgrenzt wie kaum ein anderer.

2014 war die große Bowie-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen, derzeit gastiert sie im niederländischen Groningen.
2014 war die große Bowie-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen, derzeit gastiert sie im niederländischen Groningen.

© dpa

Er war Major Tom, der am Ende von "Space Oddity" in die unendlichen Weiten des Alls driftet, er war Ziggy Stardust, Halloween Jack, Aladdin Sane, Thin Whike Duke. Er machte Pop, Folk, Glamrock, Psychedelia, Underground, Funk, Blues, Dancefloor ("Let's Dance"), Mainstream, Experimentalmusik. Er sagte Sätze wie: "Ich benutze mein Gesicht als Leinwand und versuche, die Wahrheit unserer Zeit darauf zu malen." Er gab sich auf der Kinoleinwand die Ehre ("Der Mann, der vom Himmel fiel"), wollte eigentlich Maler werden (siehe Zitat), performte, tanzte, erschuf sich selbst als Artefakt, war sein eigener Konzeptkünstler und eine Mode-Ikone dazu: Yamamoto designte das 1973 das fledermaushafte "Tokio Pop Bodysuit" für Bowie. Das Victoria-und-Albert-Museum widmete dem Bowie-Phänomen eine eigene Ausstellung, die 2014 auch im Berliner Martin-Gropius-Bau Station machte.

Seinen Hit "Heroes" kennt jeder - genauso wie "Let´s Dance"

Bowie war Mann und Frau und noch mehr Geschlechter zugleich, die Vexier-Stimme, die ebenfalls zwischen den Geschlechtern changierte, wurde früh zu seinem Markenzeichen. Man hat ihn den Meister der Masken genannt, ein androgynes Pop-Chamäleon, einen Clown, einen Spieler, der den Fetisch Authentizität immer wieder neu entsorgte. In der Ausstellung war auch das Pierrot-Kostüm zu sehen, das er 1980 im Video zu "Ashes to Ashes" trug.

Ashes to Ashes. Jetzt, mit der Nachricht seines Krebstodes, ahnt man, wie sehr sich das Werk des Popstars mit rund 140 Millionen verkauften Tonträgern um den Tod drehte, womöglich von Anfang an. Er hatte Drogenprobleme, magerte ab bis auf die Knochen, in seiner Zeit in Los Angeles, aber auch in Berlin, wo er von 1976 bis 1978 in der Schöneberger Hauptstraße lebte, 14 Monate lang. Hier, in den Berliner Hansa-Studios, entstanden seine Alben "Low" und "Heroes", und im Rückblick sind die siebziger Jahre vielleicht seine kreativste Zeit, die Zeit seines Aufstiegs und auch die Zeit, in der er vom Helden bestimmter Popszenen zu einem globalen Superstar wird: Er produzierte für Lou Reed, Mott The Hoople und die Stooges, spielte die Alben "Young Americains" und "Station to Station" ein und eben schließlich in Berlin die beiden Alben, an die sich die ganze Popwelt erinnert und die insbesondere vom Krautrock beeinflusst wurden, von Bands wie Kraftwerk, Neu! oder Can.

2002 veröffentlichte er mit "Heathen" eine Art Persönlichkeitensammlung

Sein Stück "Heroes" kann heutzutage ein jeder, eine jede auf Anhieb mitträllern, und ein paar Jahre später hatte er, nicht zuletzt auf Basis der Krautrock- und Elektronik-Interessen/Einflüsse 1983 mit "Let´s Dance" und "China Girl" Hits, die ähnlich zeitprägend waren wie Michael Jacksons "Billie Jean" oder Stücke von Soft Cell ("Tainted Love"), Heaven 17 ("Let Me Go") und den Talking Heads ("Burning Down The House"). Obwohl er weitere Hits schrieb, "This Is Not America" oder "Absolute Beginners", markieren die weiteren achtziger Jahre den Beginn einer Ära, in der Bowie sein Gesicht endgültig verlor und er soviele Masken ausprobierte, dass keiner mehr wusste, wer da eigentlich noch hintersteckt - und das auch keiner mehr so richtig wissen wollte, zumindest ein paar Jahre lang, bis zu der Zeit, als Pop und Rock zur neuen Klassik wurden, kanonisiert wurden. So viele Neuanfänge! So viele Erfindungen! So viel Film! So viel zurück zu den Wurzeln! Rock´n´Roll, Kraut, Drum & Bass und mehr. Eine Art Persönlichkeitensammlung war schließlich 2002 Bowies Album "Heathen", mit Up-Tempo-Rockern, quietschenden Synthezizern, Glam-Meditationen und High-Tech-Elektro. Ich bin viele Andere, so musste es sein, und witzig war er dabei auch noch: "I believe we´re not alone/ I believe in Beatles."

Auch als Abwesender war Bowie ein Superstar, ein geheimnisumwitterter

Zu der "Heathen"-Zeit lebte er in New York, mit seiner zweiten Frau, dem Model Iman Abdulmajid, mit der er zwei Jahre zuvor eine Tochter bekommen hatte. Nach einem Herzinfarkt während eines Konzerts im norddeutschen Scheeßel 2003 trat er nicht mehr live auf, gab keine Interviews mehr. 2013 feierte er mit dem Album „The Next Day“ wieder ein großes Comeback - ohne Tournee, ohne Medien-Tamtam. Von der Bühne verschwunden, ein geheimnisumwitterter Studio-Star, das war Bowie zuletzt.

Am Sonntag ist er gestorben, auf seiner Facebook-Seite fand sich am Montagfrüh die Zeilen: "David Bowie ist heute friedlich gestorben, umgeben von seiner Familie nach einem tapferen 18 Monate langen Kampf mit dem Krebs.“ Und der Regisseur Duncan Jones, Bowies Sohn aus erster Ehe, twitterte, er sei sehr traurig sagen zu müssen, dass die Nachricht wahr sei. Dazu postete er ein frühes Bild mit sich selbst als Kleinkind auf Bowies Schultern. David Bowie als Vater, noch eins seiner schillernden Ich-Kostüme.

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