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Der Schauspieler Otto Mellies starb am vergangenen Sonntag im Alter von 89 Jahren.

© Britta Pedersen/dpa

Zum Tod des Schauspielers Otto Mellies: Ein Künstler der Sprechkultur

Er war ein Diener dichterischer Integrität. Frei von der Versuchung, sich Zeitströmungen zu unterwerfen. Ein Nachruf auf den Schauspieler Otto Mellies.

Wenige Jahre nach der Wende muss das gewesen sein, wohl 1993, weil der Rias Berlin noch existiert. Da inszeniert Regisseur Richard Hey das Ein-Mann-Hörspiel von Dario Fo „Johan vom Po entdeckt Amerika“. Die Hauptrolle spricht Otto Mellies. Koryphäe des Deutschen Theaters, im Westen unbekannt. Am ersten Aufnahmetag erscheint ein zurückhaltender Herr in beiger Jacke, der beim Betreten des Studios jeden mit Handschlag begrüßt. Aus der Ledertasche zieht er ein sorgfältig angezeichnetes Manuskript und nimmt nach kurzem Dialog mit dem Regisseur ohne Federlesens die Arbeit auf.

Was in den nächsten Tagen folgt, ist eine Lehrstunde in Präzision und Sprechkultur. Maximal zwei Aufnahmen mit winzigen Betonungsänderungen und jeder Take ist im Kasten. Die dunkelbraun vertäfelte Studiohöhle, das sonore Timbre der perfekt intonierenden Stimme: doll, wie Otto Mellies es ohne Affekthascherei versteht, aus dem Handwerk des Sprechens Kunst zu machen.

Packend, souverän, menschlich

Affekte beherrscht der am 19. Januar 1931 geborene Pommer aber auch, wie sich ein paar Monate später erweist. Da steht er in seiner Paraderolle als „Nathan, der Weise“ neben Christine Schorn und Dieter Mann auf der Bühne des DT. In den 50 Jahren seiner 2008 endenden Ensemblemitgliedschaft hat er sie in der Inszenierung von Friedo Solter 325 Mal gespielt. Packend, souverän, menschlich und ein wenig gravitätisch. Otto Mellies, der Sonntag im Alter von 89 Jahren gestorben ist, wie erst Montag bekannt wurde, war alte, noble Theaterschule.

Ein Diener dichterischer Integrität. Frei von der Versuchung, sich Zeitströmungen zu unterwerfen. Frei vom Ehrgeiz, sich über den Text zu erheben. Ans Ost-Berliner Flaggschiff DT holt ihn 1956 Wolfgang Langhoff.  Schnell wird er zum prägenden Darsteller. Große Fernsehpopularität beschert ihm in der DDR der Sechziger die Titelrolle im Fünfteiler „Dr. Schlüter“, nur eine seiner zahllosen Film- und Fernsehrollen. 2012 wird er dann endlich gesamtdeutsch geehrt: mit dem Deutschen Filmpreis für seine Nebenrolle in Andreas Dresens bewegendem Krebsdrama „Halt auf freier Strecke“.

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