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Zum 90. Geburtstag von Lilo Pulver: Der Star, der Nachkriegsdeutschland zum Lachen brachte

Die Nachkriegsdeutschen liebten die lustige Schauspielerin Liselotte Pulver. In ihrem eigenen Leben gab es auch Trauer und Schmerz.

Kleine Umfrage unter Generationsgenossinnen des Geburtstagskinds. Unter Mutter und Tanten durchgeführt. Warum mochtet ihr in den fünfziger und sechziger Jahren eigentlich Lilo Pulver? Da glänzen die Augen und purzeln die Hymnen: Das burschikose Temperament! Der Witz! Ihr ansteckendes, befreiendes Lachen!

Dafür wird die Schauspielerin, die mit neunzig Jahren wieder in ihrer Geburtsstadt Bern lebt, seit jeher gerühmt. Weibliche Stars kennen die von Nationalsozialismus und Kriegsschuld traumatisierten, im Kino nach Ablenkung und Trost gierenden Nachkriegsdeutschen viele. Ruth Leuwerik, Sonja Ziemann, Nadja Tiller, Maria Schell, Romy Schneider.

Doch nur die fröhliche Liselotte Pulver aus der neutralen, von Bomben unverheerten Schweiz verfügt über die unschuldig-freche Aura einer geborenen Komödiantin. Und das obwohl das am 11. Oktober 1929 geborene Ensemblemitglied des Zürcher Schauspielhauses zuerst unbedingt eine ernsthafte Tragödin werden will, wie sie in ihrem gerade erschienenen Erinnerungsbuch „Was vergeht, ist nicht verloren“ (Hoffmann und Campe, 232 Seiten, 24 €) erzählt. 1950 gibt sie an der Seite von Hans Albers im Bergfilm „Föhn“ ihr deutsches Kinodebüt denn auch in einer dramatischen Rolle.

Mütter, Omas und Töchter lieben Lilo

Ja, die Lilo wird geliebt. Nicht nur von Müttern, sondern auch von Omas und Töchtern. Anders geht es ja nicht an, dass Liselotte Pulver gleich in zwei vor dem eigenen Geburtsdatum entstandenen Lieblingsfilmen brilliert: in Billy Wilders Screwball-Satire „Eins, zwei, drei“ (1961), in der sie Fräulein Ingeborg, die Sekretärin des von James Cagney verkörperten Westberliner Coca-Cola-Bosses McNamara, spielt. Und darin als Marilyn-Monroe-Parodie vor drei Sowjet-Kommissaren einen sagenhaft feurigen Säbeltanz auf die Tischplatte legt.

Und in Helmut Käutners hinreißender, mit Seitenhieben auf die kitschverliebte Filmbranche der Fünfziger garnierten romantischen Komödie „Die Zürcher Verlobung“ (1957). Darin spielt Lilo Pulver als viel umworbene, aufstrebende Autorin Juliane Thomas mit zauberhaftem Augenaufschlag und patzigem Mundwerk die Topstars Paul Hubschmid und Bernhard Wicki an die Wand.

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Überhaupt hat die Berner Bürgerstochter seit ihrem Durchbruch in Kurt Hoffmanns Heimatfilm-Schmonzette „Ich denke oft an Piroschka“ (RBB, So 13. 10., 9 Uhr) mehr Paprika im Blut, als es für das Frauenbild in den Heile-Welt-Szenarien des Adenauer-Kinos üblich ist. Fechten und Reiten inklusive. Das prädestiniert sie für die Hosenrollen in der sich zur Trilogie auswachsenden Heimatfilm-Parodie „Das Wirtshaus im Spessart“. Schnelle Pferde und Autos liebt sie auch privat. Letzteres noch heute, glaubt man dem „Drehbuch meines Lebens“, wie ihre Memoiren im Untertitel heißen.

Eins, zwei, drei nach Hollywood

Darin entsteht aus Anekdoten, Plaudereien und Fundstücken des Privatarchivs das Bild einer lebenslustigen, von Größen wie Heinz Rühmann, Gustav Gründgens und Curd Jürgens akzeptierten, hart arbeitenden, ehrgeizigen jungen Frau, die sagt: „Natürlich wollte ich Weltstar werden.“ Pech, dass sie es dann trotz Engagements in Frankreich, wo sie mit Jean Gabin spielt, und in Hollywood, wo sie unter der Regie von Douglas Sirk die Remarque-Verfilmung „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“ dreht, doch nicht wird. Rollenangebote für die Sandalenfilme „Ben Hur“ und „El Cid“ an der Seite von Charlton Heston muss sie wegen anderer Verträge absagen. Die danach angefragte Sophia Loren entspricht sowieso mehr dem Weiblichkeitsideal der Zeit.

1966 wird Lilo Pulver dafür in Jacques Rivettes Drama „Die Nonne“ auf den Filmfestspielen von Cannes gefeiert – die Kinoaufführung wird anschließend in Frankreich verboten. Pulver (Skandal!) spielt eine lesbische Äbtissin. Als Bewerbung für den jungen deutschen Autorenfilm fungiert die Tragödie jedoch nicht. Wie andere Heldinnen aus „Papas Kino“ ist Lilo Pulver in den Siebzigern abgemeldet und muss sich von Rainer Werner Fassbinder gar „Knattermimin“ schimpfen lassen. In Fernsehrollen und als Lilo in der deutschen Ausgabe der „Sesamstraße“ macht sie trotzdem weiter. Vom Familienleben im Haus am Genfer See mal ganz abgesehen, das sie mit dem Schauspieler Helmut Schmid und zwei Kindern teilt.

Sie sei ihr Leben lang Optimistin gewesen, sagt Lilo Pulver. Den Tod ihrer Tochter, die als junge Frau in die Drogenszene rutscht und 1989 vom Berner Münster stürzt, verwindet sie jedoch genauso schwer wie den ihres Mannes drei Jahre später. Manchmal ist der Schmerz größer als das Lachen.

Umso besser, in der Geburtstagsdoku „Lilos Lachen“ (ARD Mediathek) zu sehen, dass sie es immer wiedergefunden hat. Ob sie noch mal Lust hätte, sich zu verlieben, wird Liselotte Pulver, die den Ruf hatte, sich in jeden ihrer Filmpartner heftig zu verknallen, da gefragt. „Natürlich“, prustet die alte Dame los, „das ist das Schönste, was es gibt.“

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