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F.W. Bernstein

© dpa/Jan Woitas

Zum 80. von F.W. Bernstein: Reim auf Bier, das rat ich dir

Moritatenhafter Schmiss eines besonnenen Schwaben: An diesem Sonntag feiert der Grafiker, Karikaturist und Dichter F.W. Bernstein seinen 80. Geburtstag.

Von Gregor Dotzauer

Muss es eigentlich gleich wieder der Zweizeiler sein, der ihn unsterblich gemacht hat? Oder lässt er sich, solange F. W. Bernstein seine Meisterschaft im Sterblichen, Allzusterblichen erprobt, noch eine Weile hinausschieben? Versuchen wir es lieber erst einmal mit seinen „Frischen Gedichten“, die letztes Jahr im Kunstmann Verlag erschienen sind. „Die Zeit ist um“, lautet eines. „Es ist so weit. / Wir sind schon in der Nachspielzeit. / Schlusspfiff! Jetzt wird auferstanden! / Skelette raus, soweit vorhanden; auf die Bühne zum Finale! / Weltgericht!“

Das besteht, wie einiges in dem Band, sicher nicht den Zwerchfelltest, sondern reicht in der bitteren Melancholie der späten Jahre allenfalls zu einem gequälten Lächeln. Aber es hat trotz seiner Kürze jenen moritatenhaften Schmiss, der Bernstein näher an Wilhelm Busch rückt, der als Zeichner und Dichter eine verwandte Doppelbegabung war, als an das Vanitas-Schandmaul von Peter Rühmkorf.

Im Zweifel streckt sich Bernstein ohnehin lieber in Richtung höheren Unsinns als in Richtung höherer Literatur. Dabei spielt freundlicher Spott eine nicht unbedeutende Rolle. „Rilke erfindet das Dinggedicht. / Einige Dinge dichtet er nicht“, heißt es einmal. „Die Wurzelbürste ist so eine: / In Rilkes Werken findest du keine. / Keiner von all den Dichterfürsten / kümmerte sich um Wurzelbürsten.“ Darauf muss man erst mal kommen, zumal die „Inspiration“, wie ein anderes Gedicht überschrieben ist, eine spürbar unzuverlässige Gefährtin ist: „Als mich früh mein Dämon rief, / lag ich flach im Leistungstief. / Fahr ich meine Lyrik hoch / LYRIK HOCH / Geht doch noch.“

Stilles Talent zur Selbstironie

Es geht, bei allen ernsthaften Kümmernissen und Beschwernissen, auch noch mit den 80 Jahren, die F. W. Bernstein am morgigen Sonntag erreicht: mit Tiergedichten, die zu seiner besonderen Spezialität gehören, und mit erfahrungsklugen Sinnsprüchen: „Wein auf Reim / das lass bleim. / Reim auf Bier / rat ich dir.“

Einer wie er, der seit jeher so tapfer in sich nach dem Komischen schürft, dass es nicht ausbleibt, an manchen Tagen erschöpft mit leeren Händen zurückzukehren, kann vielleicht nicht auch noch ein flamboyanter Kerl sein. Der überaus höfliche und besonnene Schwabe aus Göppingen, der zur Künstlerwerdung seinen bürgerlichen Namen Fritz Weigle auf die Initialen verkürzte und ihnen seinen Spitznamen aus Schulzeiten anhängte, besitzt ein so stilles Talent zur Selbstironie, dass es sich lieber auf dem Papier austobt als in fröhlicher Runde. Unter den Zeichnern und Textern, die seit 1981 durch den spontan entstandenen Titel einer Gruppenausstellung als Neue Frankfurter Schule firmieren, hat er jedenfalls sein eigenes Temperament, das er im bürgerlichen Steglitzer Exil auslebt.

Wie Chlodwig Poth, Hans Traxler oder Pit Knorr kam er aus dem Stall der Zeitschrift „Pardon“, für die er mit Robert Gernhardt und F. K. Waechter die Beilage „Welt im Spiegel“, kurz „WimS“, erfand. Im Kollektiv schufen sie auch den neunmalklugen Universalgelehrten Arnold Hau, den Alfred Edel filmisch mehrfach eindringlich verkörperte. Von 1979 an veröffentlichte Bernstein auch in der neu gegründeten „Titanic“. Das freie Leben war ihm jedoch nie geheuer. 1984 übernahm er eine Professur für Karikatur und Bildgeschichte in Deutschland an der Berliner Hochschule der Künste.

Jetzt aber, leise und unauffällig, zum Spruch der Sprüche: „Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche.“ Der kam ihm einst beim Reimepingpong mit Gernhardt während einer Autofahrt. Wie schön, dass er selbst es niemals nötig hatte, sein satirisches Geweih wieder abzugeben.

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