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Ein Mann des Alltäglichen. Der Regisseur Rudolf Thome.

© Jens Kalaene/dpa

Zum 80. Geburtstag von Rudolf Thome: Deutschlands wichtigster unbekannter Filmemacher

Für immer jung: Rudolf Thome wird 80. Schon gestern machte der Regisseur Filme von heute.

Als Rudolf Thome im Februar den Preis der Filmkritik für sein Lebenswerk erhielt, kommentierte sein Laudator Hanns Zischler, eigentlich ginge es bei Thome immer um die Liebe. Er sage das mit einer ihn selbst überraschenden Eindeutigkeit.

Jeder Thome-Film ist ein sich öffnendes Fenster auf das vielleicht größte, das unergründlichste Abenteuer des Lebens: Ein Kontinent taucht auf, bewohnt meist nur von zwei Menschen, oft vulkanischen Ursprungs, manchmal auch neptunisch entstanden.

Es folgt die Besiedlung, ekstatische Architekturen, auch Küstenbefestigung, schließlich Grenzsicherung gegen Übergriffe von außen, also Eifersucht. Und Thome ist Zeuge, immer wieder neu. Das reicht für ein Leben, eine lebenslange Leidenschaft. Und obwohl er seit über 50 Jahren Filme macht, steht Thome noch immer ganz am Anfang der Vermessung dieser Welt.

Manche nennen ihn Deutschlands wichtigsten unbekannten Filmemacher. Nicht viele besäßen wohl die Begabung, diesen Titel als Auszeichnung zu empfinden. Er hat sie. Ist er auch der deutsche Eric Rohmer? Ja, natürlich ist er das.

Uschi Obermaiers und Iris Berbens erste Kinorollen waren bei Thome

Sein erster Film 1968 hieß „Detektive“. Zwei junge Männer gründen ein Detektivbüro. Posen, Whiskey, große Worte. Aber da waren auch umspielende kleinere Worte, Abstinenz, kleinere Posen, die gehörten Uschi Obermaier und Iris Berben in ihren ersten Kinorollen. Und um die geht es.

Thome ist ein zutiefst parteiischer Regisseur. Er zeigt nicht nur gern Frauen – das machen viele –, sein Blick auf sie kommt von ihrer Seite. Das ist zart, wunderschön.

Um vom Ausmaß dieser Parteinahme zu wissen, muss man nicht mal „Rote Sonne“ gesehen haben, mit Uschi Obermaier als großer Vorsitzenden einer männermordenden Frauen-WG. Aber es ist nichts Spektakuläres dabei, lakonischer kann man das Verbrechen nicht zeigen, allein Bachs Musik kommentiert, dass etwas aus dem Rahmen fällt.

Obermaier und Co. müssen nicht einmal begründen, was sie tun, der Zuschauer sieht es mit eigenen Augen: Die besitzergreifende Art, wie Männer sich Frauen nähern – verlangt sie nicht nach einer Antwort?

Berlins größter Doppelkastenfenster-Filmer

Aber Thome ist mitnichten ein Extremist, er ist ein Mann des Alltäglichen. Dem folgt seine scheinbar so einfache, unaufwendige, jeden Effekt verschmähende Filmsprache. So porträtierte er die urbanen Lebensformen ganzer Generationen. Unter einer Voraussetzung: Er hat immer nur eins im Blick, den Einbruch dessen, was das Alltägliche übersteigt.

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Vielleicht hätte Thome, am 14. November 1939 in Wallau an der Lahn geboren, auch einen Preis als größter Berliner Doppelkastenfenster-Filmer verdient. Was da alles hindurchweht – ein kleiner Grenzverkehr zwischen Zimmer und Welt, so wie in „Berlin Chamissoplatz“ von 1980. Ein Film von heute, bloß von gestern, Liebe in Zeiten der Luxussanierung.

Leer stehende Wohnungen werden nicht neu vermietet, und alle wissen, was kommt, auch die Studentin Anna (Sabine Bach). Sie will an die Pläne des Architekten (Hanns Zischler) und bekommt dabei noch etwas mehr, nämlich diesen selbst. Wie so oft hält Thome auf traumsichere Weise die Balance, verrät die Luxussanierer-Geschichte nicht an die von Anna und Martin, auch nicht umgekehrt.

Thome nimmt sich die Zeit, die sonst keiner hat

Natürlich gehört Thome zur Generation der Autorenfilmer, aber seine Filme sind nie bildhaft verschlüsselte Botschaften des Weltwissens seines Urhebers. Ihr Kosmos ist überaus konkret.

Ob die ARD sehr gelitten hat, als sie 2007 Thomes „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ zeigte, in der ein alternder Maler mit seiner Tochter zu einer stummen (!) Reise an die Ostsee aufbricht? Wortlose Tage des Schweigens, Tage der Heilung, und das im Ersten. Thome nimmt sich immer die Zeit, die sonst keiner hat. Er macht seine Filme so, wie wir alle leben sollten. Niemandem verpflichtet außer sich selbst. Und natürlich dem, was er über die Liebe weiß.

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