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Engagierter Bürger: Villa Grisebach-Gründer Bernd Schultz.

© Thilo Rückeis

Zum 30. Jubiläum der Villa Grisebach: Der lange Atem

Bernd Schultz hat die Villa Grisebach 1986 eröffnet und zum Erfolg geführt. Jetzt macht ihr Gründer Jüngeren Platz. Eine Würdigung.

„Die Villa Grisebach ist nicht Bernd Schultz. Aber Bernd Schultz ist doch die Villa Grisebach“, schrieb vor Jahren eine angesehene Kollegin und umriss so ein Dilemma, in dem alle stecken, die sich zur „Villa“ äußern. Da fängt das Dilemma ja schon an, dass das Auktionshaus Grisebach gemeint ist und jedermann nur „Villa“ sagt, in der allerdings völlig berechtigten Annahme, sein Gegenüber wisse, was gemeint ist.

Ohne Bernd Schultz lässt sich das Unternehmen, das doch von Anfang an mehr war, nämlich eine Institution, nicht vorstellen. Ohne ihn gäbe es die Villa nicht, nicht einmal das Gebäude. Schultz hat es gerettet, hat die Rettung mit in die Wege geleitet. So wurde nicht nur das einstige Domizil des Architekten Hans Grisebach von 1892 bewahrt – und dessen Name gleich mit –, sondern zugleich die festgezurrte Planung der Verbreiterung der schönen Fasanenstraße zur sechsspurigen Autopiste ad acta gelegt.

In dieser Zeit, Mitte der achtziger Jahre in West-Berlin, entstand für Schultz der leicht ironische, mehr aber respektvolle Spitzname „Regierender Bürger“. Bernd Schultz, geboren 1941 in Düsseldorf mit hanseatischem Hintergrund, ist der Prototyp des Bürgers, dem die Angelegenheiten der Stadt Herzenssache sind. Der sich einmischt und sich nicht scheut, Klartext zu reden und bisweilen schroff zu wirken, was aber – wer ihn kennt – nur die Kehrseite ist seiner Liebenswürdigkeit im persönlichen Umgang. Mit solcher Mischung aus Härte und Geschmeidigkeit gelang es ihm, allen Unkenrufen zum Trotz, 1986 das Auktionshaus zu eröffnen.

Das von der Deutschen Bank in einem Anfall von Mäzenatentum erworbene und renovierte Haus – damals stand Alfred Herrhausen an der Spitze der Bank – bildete den idealen Rahmen, strahlt es doch eben jene unaufdringliche Großbürgerlichkeit aus, die das Ver- und Ersteigern von Kunst erst zum gesellschaftlichen Hochamt adelt. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Aktionshauses mit anfangs vier weiteren Gesellschaftern hatte Schultz bereits Erfahrung mit der Kunstmesse „Orangerie“, benannt nach ihrem Veranstaltungsort in einem Flügel von Schloss Charlottenburg. Es war der Versuch, angeregt von dem kurzzeitigen, so ungemein inspirierenden Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker, so etwas wie die Maastrichter Tefaf in Berlin zu versuchen, mit Kunst und Antiquitäten und Kunstgewerbe, feilgeboten nicht in Händlerkojen, sondern arrangiert wie eine Museumsausstellung.

Er hat James Simon wieder ins Bewusstsein gerückt

Die zur ersten „Orangerie“ von Schultz geäußerte „Absicht, Berlin auch weiterhin als eines der kulturellen Zentren unseres Landes im Bewusstsein zu erhalten“, liest sich im Abstand von gut drei Jahrzehnten wie ein kaum verklausulierter Hilferuf. Schultz zählt zu denjenigen, die die damalige Gefahr des allmählichen kulturellen Verlöschens nicht nur erkannt, sondern sich ihr entgegengestemmt haben. Was dabei schließlich herauskam, hat Hermann Rudolph, der langjährige Herausgeber dieser Zeitung, einmal prägnant so formuliert: „Hier ist die Stadt, was sie sonst oft nur sein möchte: Weltstadt.“

Das Fundament dafür ist gegründet auf – Schultz selbst sagt es so – „Fleiß und Verlässlichkeit“ und den langen Atem, der beim Werben um hochkarätige Kunstwerke nicht nur in die Jahre, sondern Jahrzehnte gehen kann, der sich aber ebenso in der Pflege der legendären, um die 25 000 Namen zählenden Kundenkartei erweist. Das alles hat nun schon so lange Bestand, dass Bernd Schultz es wagen kann, sich aus der ersten Reihe zurückzuziehen; denn wirklich „gehen“ wird er nicht, kann er nicht, warum auch. Grisebach ist, wie man heute so sagt, exzellent aufgestellt, ein Team jüngerer Mitgesellschafter um Florian Illies ist an die Stelle vormaliger Gründungsmitglieder getreten. Der Kunstmarkt kennt Aufs und Abs, die hat das Haus – „stets schwarze Zahlen!“ – bewältigt und sich mehr und mehr in Richtung klassischer Kunst geöffnet, die von heftigen Schwankungen weniger tangiert wird. Das ist alles bekannt, es spiegelt sich in den halbjährlichen Auktionsberichten aufs Beste wider.

Es war Bernd Schultz, der den Museumsmäzen James Simon ins öffentliche Bewusstsein zurückgeholt hat, von dem heute jedermann so selbstverständlich redet, als sei er nicht durch die Nazis aufs Gründlichste vergessen gemacht worden. Da ist er, der besondere (Wut-)Bürger Schultz, der seine Mitbürger auch mal anfährt, um der guten Sache willen. Es hat schon andere gegeben in dieser Stadt, die als „heimlicher Kultursenator“ apostrophiert wurden. Bernd Schultz hingegen zielt nicht auf die institutionalisierte Kultur im engeren Sinne, sondern begreift Kultur als das, was eine bürgerliche Gesellschaft ausmacht. In diesem Sinne kann von ihm gesagt werden – mit dem Wort Theodor Mommsens –, er „wünschte, ein Bürger zu sein“.

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