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Lässiges Interieur. Renaissance-Haus von Cy Twombly in Bassano.

© Deborah Turbeville

Zu Hause bei Cy Twombly: Der US-Maler mochte eigentlich keinen Besuch, Fotografen ließ er trotzdem rein

„Homes & Studios“: Ein Bildband zeigt die mondänen Wohnsitze des amerikanischen Malers Cy Twombly in Italien und den USA.

Atelierbesuche gehören zum Spannendsten im Kunstbetrieb. Der Gast glaubt die Kreativität knistern zu hören, die Inspiration des Ortes in den Details zu spüren: in den halb ausgequetschten Farbtuben, in den an die Wand gepinnten Skizzen, im Fensterblick. Und er glaubt plötzlich mehr zu verstehen. Der Mythos des Ateliers gehört zum Repertoire der Künstlerlegenden. Deshalb sind die Besuche – ob reportiert oder in Fotografien und Filmen dokumentiert – so populär.

Mit „Homes & Studios“, den Aufnahmen von sieben Wohnungen, Häusern, Ateliers, die Cy Twombly seit Beginn seiner Karriere in den USA bis zu seinem Tod 2011 in Rom über knapp sechs Jahrzehnte nutzte, kommt eine weitere Facette hinzu. Die Bilder der insgesamt 15 Fotografinnen und Fotografen, denen Twombly die Türe öffnete, zeigen ein Wechselspiel zwischen Herzeigen und doch Verbergen.

Was Horst P. Horst, Tacita Dean, Bruce Weber oder Sally Mann in seiner Wohnung in der Via die Montserrato in Rom, dem Renaissance-Haus in Bassano in Teverina oder dem langobardischen Castello in Gaeta entdeckten, war jedoch inszeniert. Twombly versuchte Besuch ansonsten aus seinen vier Wänden fernzuhalten.

Nicola del Roscio, langjähriger Begleiter und heute Nachlassverwalter, berichtet im Bildband denn auch von dem Kunststück, wie Twombly einen überraschend angekündigten Sammler, den Scheich von Katar, mit seiner Entourage an einer großen Tafel auf dem Vorplatz seines Castellos in Gaeta Platz nehmen ließ.

Als Ablenkungsmanöver für den unerwarteten Besuch sollte ein erlesen auf Silber arrangierter Berg Kirschen dienen. Weiter kam der Spross aus arabischem Herrscherhaus nicht.

Twombly wurde sein Dandytum übel genommen

Der Betrachter des Bildbandes erblättert sich dagegen eine zauberische Welt, die den Künstler in einem Fluidum der Zeiten zeigt. Florian Illies beschreibt ihn in seinem Essay als Wanderer zwischen Antike und Gegenwart, so wie sich auch in seinem absolut zeitgenössischen Werk die Klassiker Sallust, Homer, Ovid in den feinen Skripturen auf Leinwand niederschlugen.

Twombly schloss mit seinen Häusern und Wohnsitzen ab, sobald sich die Räume mit den eigenen Bildern, den antiken römischen und griechischen Skulpturen aus dem Besitz der Familie seiner Frau Tatiana, einer Nachfahrin der italienischen Sammlerdynastie Franchetti, dem Mobiliar aus der Zeit Louis-treize und aktuellen Werken von Warhol, Rauschenberg, Chamberlain oder Gerhard Richter gefüllt hatten. Die Anhäufungen lieferten nach seinem Tod Material für etliche Ausstellungen.

[Cy Twombly. Homes & Studios. Schirmer/Mosel Verlag, 264 S., 44 €.]

In den Aufnahmen von „Homes & Studios“ lebt diese Welt weiter. In den 31 Fotografien von Cy Twombly selbst allerdings, die ebenfalls abgebildet sind, scheint durch die Unschärfe, die Flüchtigkeit und Ausschnitthaftigkeit der Übergang in eine andere Sphäre bereits vorweggenommen zu sein.

Doch als sich der Künstler 1965 von Horst P. Horst für die amerikanische „Vogue“ fotografieren ließ, wurde ihm von seinen New Yorker Kollegen der mondäne Auftritt, das Dandytum, vielleicht die ganze Flucht nach Italien übel genommen.

Twombly hält dem Druck der Historie stand

Wie er bei Horst im weißen Anzug geistesabwesend zwischen Büsten römischer Kaiser, Empiremöbeln, einer Türlaibung aus Marmor und seinem eigenen Bild steht, scheint er wirklich nicht mehr erreichbar zu sein.

Der Auftritt seines kleinen Sohnes in Soldatenuniform mit roter Jacke, goldenen Epauletten und italienischer Kokarde oder der Gattin mit modisch toupiertem Haar lässig im Hintergrund sind Einsprengsel eines gelebten Lebens, das man sich in dieser bombastischen Kulisse kaum vorstellen kann.

Twombly hält dem Druck der Historie stand, das ist die Botschaft der Bilder. Schließlich dirigiert er auf seinen Gemälden die Antike mit leichter Hand. Auch seine Skulpturen, die immer wieder zu sehen sind, haben etwas Somnambules an sich.

Sie wirken wahllos aus aufgeklaubten Gegenständen arrangiert, anschließend weiß übertüncht und nehmen doch die Atmosphäre rundum auf. Durch sie hindurch fließt ebenfalls die Zeit.

Einen römischen Malerfürst nennt Illies den Künstler und trifft es doch nicht ganz. Stolz, Machtbewusstsein, Herrscherattitüde ist seinen Wohnsitzen nicht abzulesen, auch wenn sie den Wohlstand der Bewohner nicht verbergen. Das letzte Bild im Band zeigt die Schuhe des Künstlers, von ihm selbst fotografiert: mit weißer und gelber Farbe bespritzte Seidenpantoffeln.

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