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Kultur: Zotenlärm und Zickenkrieg

Willkommen in der Banalphase: die Frauenkomödie „Brautalarm“ aus dem Hause Judd Apatow

Die gute Nachricht: Auch Frauen dürfen jetzt blödeln und sich hemmungslos daneben benehmen, es geht voran mit der Gleichberechtigung. Denn auch Frauen landen damit jetzt Kassenerfolge. War ja bisher eher den Männern vorbehalten, von Monty Python bis „Hangover 2“. Jetzt gibt es „Bridesmaids“, zu deutsch: „Brautalarm“, eine drastische Verballhornung des amerikanischen Hochzeitskults – und des Hochzeitsfilm-Genres. Die Komödie stammt aus dem Hause Judd Apatow. Der Hollywoodproduzent ist der König der Vulgär-Comedy, mit Werken wie „Jungfrau (40), männlich sucht“, „Beim ersten Mal“ oder „Nie wieder Sex mit der Ex“.

Die schlechte Nachricht: Lustiger wird es nicht unbedingt, wenn Frauen brutal banal sein dürfen. Die derben Zoten, die Fäkalsprache, die Four-Letter-Words, man muss es halt mögen. Wenn die Brautjungfern in der Luxusboutique Taft und Tüll anprobieren und das soeben genossene Essen beim Mexikaner dabei für Übelkeit und Erbrechen sorgt, kommen Liebhaber der Analphasen-Komik auf ihre Kosten. Der Augenblick, in dem die von BlitzDurchfall heimgesuchte Braut auf offener Straße in ihr sündhaft teures Hochzeitskleid hineinsinkt, dürfte aber auch feinere Humorgeschmäcker befriedigen.

Lillie, die Braut (Maya Rudolph), spielt übrigens nicht die Hauptrolle. Es geht um Annie, ihre beste Freundin. Die ist gerade total depri: Der Typ weg, die eigene Konditorei in der Finanzkrise pleite gegangen, der neue Lover bringt’s nicht mal im Bett, die WG-Genossen sind das Allerletzte, das Auto muss in die Werkstatt – und jetzt heiratet auch noch die Sandkastenfreundin. Annie wird von dem Comedystar Kristen Wiig gespielt, deren Karriere im Impro-Theater begann; in „Saturday Night Life“ ist sie längst eine Showgröße. Wiig hat auch das Drehbuch geschrieben, gemeinsam mit Annie Mumolo, mit der sie in jungen Jahren Sketche verfasste.

Die Pointenlogik der Sitcom prägt den „Brautalarm“-Plot, schließlich hat auch Regisseur Paul Feig Comedy- und TV-Serienerfahrung. Annie soll als Trauzeugin die Hochzeit organisieren, den Junggesellinnen-Abend, die Einladungen, das Essen, die Deko, überhaupt alles. Dummerweise gibt es unter den Brautjungfern, lauter skurril-wüsten Ladies – eine beinharte Konkurrentin: die hinterlistige Helen (Rose Byrne). Annie ist Chaotin und bettelarm, Helen ein stinkreiches Organisationsgenie. Klare Folge: Zickenkrieg.

Wobei der Krieg härter, prolliger, ausgefochten wird als etwa in „Sex and the City“ oder „Desperate Housewives“. Genüsslich nimmt der Film den american way of life und die romantic comedy auseinander, auch Klassenkämpfe trägt Hollywood selten so erbarmungslos aus. Zum Beispiel im Flugzeug Richtung Las Vegas. Lillie, Helen und Co. sitzen in der Businessclass, die flugangstgeplagte Annie muss Economy fliegen und mischt schwer alkoholisiert die feine Gesellschaft in ihren Vip-Sesseln auf.

Am Ende kommt die Truppe in Las Vegas gar nicht erst an – kleine Hommage an die Jungs von „Hangover 1“, die sich bekanntlich im Eldorado des Glücksspiels die Birne zuballern und anderntags nicht mehr wissen, was sie angestellt haben. Da kehren die „Brautalarm“–Frauen schon am Flughafen um – und schlagen lieber bei vollem Bewusstsein über die Stränge. Vielleicht ist das ja eine bislang unerforschte, aber wesentliche Geschlechterdifferenz: der unterschiedliche Bewusstseinsgrad der eigenen Taten. Man schaut jedenfalls gerne zu, wenn Annie hellwach und unbekümmert von einer Peinlichkeit zur nächsten stolpert.

Überhaupt sieht man sie wieder öfter auf der Leinwand: miesepetrige Frauen, Weiber mit schlechtem Charakter. Cameron Diaz als „Bad Teacher“ zum Beispiel oder Julia Roberts als dauerfrustrierte Rhetorik-Dozentin in „Larry Crowne“. Sie alle erinnern vage daran, dass Hollywood einmal große Komödiantinnen hervorgebracht hat, von Katharine Hepburn, Jane Russell und Mae West bis zu Whoopi Goldberg. Kristen Wiigs cooler Mutterwitz kann es mit deren Schlagfertigkeit aufnehmen. Und hysterisch wird sie nie, höchstens mordswütend. Etwa wenn Officer Rhodes (Chris O’Dowd) sie auf Streife am Straßenrand stur ignoriert, obwohl es zwischen den beiden gefunkt hat (soviel Romanze muss dann doch sein), und sie dringend Hilfe braucht. Mit albernen Verkehrsregelverstößen gibt sie sich Blöße um Blöße, malträtiert ihr Auto und seine Geduld – in immer virtuoseren Varianten höheren Schwachsinns.

Aber eigentlich sind die Männer gnadenlos zu Nebenfiguren degradiert. Als größter Blödmann entpuppt sich ausgerechnet der schöne Jon Hamm, Schwarm aller „Mad Men“-Fans. In der Rolle von Annies Gelegenheits-Lover macht er sexuell wie verbal eine derart schlechte Figur, dass er nur noch den Laufpass verdient. Schön böse, die Besetzungsidee.

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