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Zhora Sargsyan wurde 1994 in Jerewan geboren.

© Kohei Hirotsu

Zhora Sargsyan: Dieser Pianist kann sogar leere Säle elektrisieren

In der Konzertreihe "Debüt im Deutschlandfunk Kultur" stellt sich der 26-jährige armenische Klaviervirtuose Zhora Sargsyan vor.

Der Sound ist gut: Prachtvoll klingt der Flügel, frei entfalten sich die Töne im Raum, mit deutlichem Nachhall, der Zuhörer fühlt sich akustisch eingebunden, nah dran am Geschehen. Im leeren Joseph-Joachim-Saal der Universität der Künste an der Bundesallee spielt Zhora Sargsyan die Klavierstücke Opus 76 von Brahms – und zwei Studierende der UdK-Tonmeister-Abteilung sorgen dafür, dass sein Spiel im Radio ideal rüberkommt.

So wie alle Kulturveranstaltungen muss auch das „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“ gerade ohne Publikum auskommen, doch die Konzertreihe, die schon seit 1959 Nachwuchsprofis präsentiert, wird natürlich auch unter Corona-Bedingungen fortgesetzt.

Weil es gerade die Newcomer der Klassikszene besonders schwer haben. Etablierte Kolleg:innen können während der Zwangspause notfalls von ihren finanziellen Rücklagen zehren, wenn die Pandemie irgendwann überstanden ist, werden vor allem die zugkräftigen Namen gefragt sein, um den Kulturinstitutionen volle Säle und damit Einnahmen zu bescheren. Da ist es doppelt verdienstvoll, wenn der Deutschlandfunk an seiner Debüt-Reihe festhält, und sei es auch nur als Audio-Format, das nach der Ausstrahlung im Rundfunk dann noch vier Wochen auf der Website des Senders abrufbar ist (www.deutschlandfunkkultur.de/debuet).

Weil der britische Pianist, der für den Apriltermin vorgesehen war, nicht nach Deutschland einreisen durfte, bekamen jetzt gleich drei Studierende der UdK ihre Einspringer-Chance, die beiden angehenden Tonmeister und der 26-jährige Zhora Sargsyan, der aus Armenien stammt und seit 2016 die Klavierklasse von Klaus Hellwig besucht.

Mit geschmeidigem Anschlag und feinem Gespür fürs Atmosphärische macht er die Brahms-Miniaturen als romantische Tagträumereien erfahrbar, bei denen auf üppigem harmonischen Untergrund sehnsuchtsvolle Melodien erblühen.

Sargsyan charakterisiert sich im Pauseninterview als spontanen, intuitiven Interpreten, und das kann man auch hören. Die Energien, die seine Musikbegeisterung bei ihm erwecken, vermag er mühelos auf den Saal zu übertragen, sogar wenn die Zuschauer fehlen. Im berühmten Largo aus Beethovens 7. Klaviersonate lässt er sich nicht gehen, sondern entwickelt den todtraurigen, wortlosen Gesang innig und konzentriert. Geradezu pudrig wirken seine weichen Triller im Menuett, quecksilbrig dagegen schnurren die beiden schnellen Sätze ab.

Hochvirtuoses von Frédéric Chopin, Maurice Ravel und Franz Liszt hat sich Zhora Sargsyan für die zweite Konzerthälfte ausgesucht, und er bietet sie mit einer eleganten Leichtigkeit dar, der man die harte Arbeit nicht anhört, die dahintersteckt.

Als Gruß aus seiner Heimat spielt der junge Pianist außerdem ein Stück von Komitas, dem Begründer der armenischen Kunstmusik, der zwar den Genozid an seinem Volk 1915 überlebte, die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens dann aber traumatisiert in psychiatrischen Anstalten verbrachte. „Garuna“ heißt das Lied, zu Deutsch „Frühling“, doch es geht nicht nur um die Freude am Wiedererwachen der Natur: Im Text ist auch die Rede von Blüten, die unerwartet vom letzten Schnee bedeckt werden.

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